Abgasskandal:Abschied bei VW verwundert die Konkurrenz

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Die ehemalige Bundesverfassungsrichterin scheitert an VW: Christine Hohmann-Dennhardt, 66, im November 2016 auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Die frühere Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt wurde vor einem Jahr als Vorstand für "Integrität und Recht" von Volkswagen angeheuert.
  • Jetzt trennt sich VW wieder von ihr.
  • Sie hatte einmal für Daimler gearbeitet - dort lobt man sie in den höchsten Tönen.

Von Thomas Fromm und Max Hägler, München

Wenn einer geht, werden manchmal interessante Dinge gesagt. Wie jetzt im Fall der früheren Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt. Die Juristin wurde vor einem Jahr als Vorstand für "Integrität und Recht" von Volkswagen angeheuert, um sich, mitten in der Dieselaffäre, um nichts weniger als die Rettung des Konzerns zu kümmern.

Sie hatte schon dem Autobauer Daimler geholfen, seinen Schmiergeldskandal in den USA zu überstehen - da lag es nahe, die Frau in der Stunde der Not nach Wolfsburg zu lotsen. Zuletzt aber hieß es, VW-Einkaufsvorstand Garcia Sanz und VW-Chefjurist Manfred Döss seien die treibenden Kräfte gewesen, die die Einigung beim amerikanischen Justizministerium ausgehandelt hatten. Eine Entmachtung. Und warum? Unter anderem, weil ihr Englisch nicht verhandlungssicher sei, sagen nun manche in dieser großen VW-Welt. Andere kolportieren, dass sie die Erwartungen der VW-Konzernführung nicht zur Genüge habe erfüllen können: Sie hätte die Verhandlungen unterstützen sollen, sei aber nur sehr selten dort aufgetaucht. Hohmann-Dennhardt hat als Richterin etwa für die Rechte alleinerziehender Mütter votiert. Sie hat als SPD-Justizministerin in Hessen für die Entkriminalisierung weicher Drogen gestritten. Sie hat für Daimler einen Vergleich mit dem US-Justizministerium ausgehandelt, dabei eng mit dem ehemaligen FBI-Chef Louis Freeh zusammengearbeitet, der als Aufpasser fungierte. Wegen dieser Expertise und ihrer Durchsetzungskraft wurde sie zu VW geholt - und jetzt ist ihr Englisch angeblich nicht so top. Als diese so selbstbewusst wie akkurat auftretende Dame die Süddeutsche Zeitung vor vier Jahren gemeinsam mit dem ehemaligen FBI-Chef zum Interview im Gebäude 137 der Konzernzentrale Untertürkheim empfing, da antwortete sie in den zwei Stunden auf Deutsch, Freeh sprach Englisch. Aber es funktionierte. "Das ist eine hochkompetente Frau mit hohem Sachverstand, die einen hervorragenden und wichtigen Job erfolgreich gemacht hat bei uns", erklärte ein Daimler-Sprecher am Donnerstag.

Vor allem ihr Titel war wohl wichtig bei ihrem kurzen Job in Wolfsburg

Dass die Karriere der Juristin bei VW nur ein Jahr lang dauerte, obwohl sie seinerzeit einen dreijährigen Vertrag unterschrieben hatte, dafür gibt es wohl andere Gründe als Fremdsprachenkenntnisse. In einem Reich, in dem die Machtverhältnisse klar sind, in dem die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch regieren, in dem mit Hans Dieter Pötsch ein langjähriger Intimus der Familie den Aufsichtsrat anführt, in dem ein starker Betriebsratschef Bernd Osterloh ein sehr aktives Mit-Management betreibt und de facto stärker ist als mancher Vorstand - in so einem Reich haben es Externe wie Hohmann-Dennhardt nicht leicht. Vor allem dann, wenn sie aufklären müssen.

Vor allem, wenn sie ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein haben wie die gebürtige Leipzigerin. Man muss die Mitteilung der Wolfsburger daher genau und zwischen den Zeilen lesen: Hohmann-Dennhardt scheide "im gegenseitigen Einvernehmen aus dem Vorstand des Volkswagen-Konzerns aus, nachdem umfassende Vergleiche mit den US-Behörden im Zusammenhang mit der Dieselthematik erreicht worden sind". Vergleiche in Höhe von 22,2 Milliarden Euro hat man in den USA wegen der manipulierten Dieselmotoren ausgehandelt.

Montagsinterview
:"Die Karre aus dem Dreck ziehen"

VW-Vorständin Christine Hohmann-Dennhardt über die Folgen des Abgasskandals, enttäuschte Kunden und die gefährdete Zukunft des Unternehmens.

Vor allem ihr Titel war wohl wichtig bei ihrem kurzen Job in Wolfsburg: ehemalige Bundesverfassungsrichterin. Davor haben US-Regierungsvertreter Respekt. Jetzt sind die Verhandlungen mit den USA abgeschlossen, zumindest was die Schadenersatzansprüche gegen das Unternehmen angeht - und die Frau mit dem guten Namen darf gehen, soll gehen.

Zufall? Sie wissen bei VW natürlich, dass die Nachricht keinen guten Eindruck macht. Aber das Verhältnis zwischen der Juristin und dem Konzern war von Anfang an schwierig. Beide Seiten sollen am Ende gesagt haben: So kann es nicht weitergehen. Ihre Nachfolgerin heißt übrigens Hiltrud Werner, stammt aus der konzerneigenen Revision und ist, anders als Hohmann-Dennhardt, außerhalb von VW nicht gerade bekannt.

"Es war ein Statement, sie zu holen. Und es ist ein Statement, dass sie jetzt geht"

Hohmann-Dennhardts Abgang löst, man kann es nicht anders beschreiben, ungläubiges Kopfschütteln in der Autobranche aus: "Es war ein Statement, sie zu holen. Und es ist ein Statement, dass sie jetzt geht", sagt einer, der sie kennt und oft stritt mit ihr. Gemeint ist: Wenn sie, das Symbol der Aufklärung, jetzt geht, dann ist das auch irgendwie ein Symbol für die Wagenburg, für den alten Volkswagenkonzern.

Schon als sie ihren früheren Verhandlungspartner Louis Freeh für die schwierigen Verhandlungen zu VW holen wollte, machte ihr der Betriebsrat einen Strich durch die Rechnung. Noch einen Aufklärer im Konzern? Braucht man nicht. Ausschlaggebend für den Abgang war schließlich wohl das Verhältnis zum Konzernjuristen Manfred Döss: Es ging um Fragen, wer verantwortlich ist und wer nicht; wie und wie stark künftig Recht und Moral eine Rolle spielen sollen. Döss war es dann, der die Urkunde für den Vergleich des Autobauers mit der US-Justiz unterzeichnete.

Er, nicht sie.

Bei einem SZ-Kongress im vergangenen November saß Hohmann-Dennhardt auf der Bühne des Berliner Adlon-Hotels und sagte: "Unser aller Bestreben muss sein, die Karre wieder aus dem Dreck zu ziehen." Starke Worte in einem Konzern, in dem immer nur vom "Dieselthema" gesprochen wird. Dass es um Dreck geht, das wollen sie nicht hören.

© SZ vom 27.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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