Abgas-Manipulation:Auch Fiat Chrysler hat jetzt ein Diesel-Problem

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Nun auch im Visier der Ermittler: die Modelle Grand Cherokee und Dodge Ram (hier im Bild) des Autokonzerns Fiat-Chrysler. (Foto: AP)
  • Die US-Umweltbehörde EPA wirft dem Autohersteller Fiat Chrysler vor, mit einer Software die Abgaswerte seiner Diesel-Fahrzeuge manipuliert zu haben.
  • Es ist nach VW der zweite große Autokonzern, der ins Visier der US-Behörde gerät - dabei hatte sich Fiat-Chrysler-Chef Marchionne 2015 noch lautstark über VW beklagt.

Von Thomas Fromm und Claus Hulverscheidt, New York

Die diebische Freude war Sergio Marchionne anzusehen, als er vor genau einem Jahr eine Pressrunde auf der Detroiter Automesse dazu nutzte, um ordentlich über die Kollegen in Wolfsburg herzuziehen. Mit seinen Betrügereien beim Abgasausstoß habe der VW-Konzern das Vertrauen der Kunden in Dieselmotoren geradezu "zerhämmert", sagte der wortgewaltige Chef des italienisch-amerikanischen Autobauers Fiat-Chrysler (FCA), der seit Jahren mit der Volkswagen-Spitze im Clinch liegt. Schuld an dem Schlamassel sei aber nicht die Antriebstechnik. Schuld seien diejenigen, "die die Regeln nicht einhalten".

Seit diesem Donnerstagabend besteht der begründete Verdacht, dass Marchionnes eigenes Unternehmen zur selben Kategorie gehört wie VW. Nach Angaben der US-Umweltbehörde EPA sind in FCA-DieselFahrzeugen Steuergeräte entdeckt worden, die dafür sorgen, dass die Wagen deutlich zu hohe Mengen an Stickoxiden ausstoßen. Die EPA und ihr kalifornisches Pendant CARB haben deshalb ein formelles Ermittlungsverfahren gegen den Konzern eingeleitet. FCA drohen demnach Schadenersatzzahlungen und Geldstrafen - bei VW sind bislang rund 22 Milliarden Dollar zusammengekommen.

Auch Fiat Chrysler soll einen "defeat device" eingesetzt haben

Betroffen sind rund 104 000 SUVs und Pick-ups vom Typ Jeep Grand Cherokee und Dodge Ram 1500 mit Drei-Liter-Dieselmotoren. Laut EPA wurden in den Autos mindestens acht Abgassteuergeräte, sogenannte AECDs, entdeckt, deren Existenz FCA verschwiegen hatte. Der Einbau solcher AECDs ist nicht grundsätzlich verboten. Er kann vielmehr verhindern, dass in extremen Situationen, etwa an steilen Bergen, der Motor durch die auf Hochtouren laufende Abgasreinigung beschädigt wird. Für einen kurzen Moment sind dann überhöhte Schadstoffemissionen erlaubt.

Die Verwendung der Geräte und der zugrunde liegenden Software muss aber einzeln beantragt und von den Umweltbehörden genehmigt werden. Passiert das nicht, können EPA und CARB eine AECD als "defeat device", also als Betrugssoftware, einstufen. Exakt das war bei VW passiert. Ingenieure hatten mit Hilfe des "defeat device" die Abgasreinigung dauerhaft ausgeschaltet, weil sie sich anders nicht in der Lage sahen, die Konzernvorgaben an Leistung und Kosten der Motoren einzuhalten.

Es ist denkbar, dass sich die Zahl der betroffenen Pkw noch erhöhen wird

EPA-Vizechefin Cynthia Giles warf FCA einen "schweren Verstoß" gegen die Umweltgesetze der USA vor. Der Konzern müsse jetzt darlegen, wozu er die Steuergeräte eingebaut habe und warum es sich nicht um eine verbotene Abschaltvorrichtung handle. "Bis heute ist das FCA nicht gelungen", sagte Giles. Um welchen Wert die AECDs den Stickoxid-Ausstoß der Wagen erhöhten, wird den Angaben zufolge noch untersucht. Bisher wurden nur die Modelljahre 2014 bis 2016 überprüft. Es ist also denkbar, dass sich die Zahl der betroffenen Pkw noch erhöhen wird.

An den Börsen lösten die Ermittlungen einen Kurssturz aus, im Mailand brach die Fiat-Chrysler-Aktie um mehr als 16 Prozent ein. Vorangegangen war ein Streit zwischen Fiat und dem deutschen Kraftfahrtbundesamt (KBA). Auch das KBA hatte dem Konzern vorgeworfen, in Diesel-Fahrzeugen verbotene Abschalteinrichtungen eingebaut zu haben. Das Transportministerium in Rom erklärt dagegen, es gebe "keine Anhaltspunkte" für ein "defeat device".

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In Deutschland wehrte sich Fiat mit allen Mitteln gegen die Veröffentlichung von Testergebnissen. Eine solche Offenlegung sei "rechtswidrig" und könne zu "erheblichen und nicht wieder gutzumachenden Schäden" führen, erklärten Fiat-Anwälte vor Monaten in einem Schreiben an das Bundesverkehrsministerium. Auch die Vorwürfe der EPA wies FCA zurück. Man seit "enttäuscht" über das Vorgehen der Behörde, das jetzt offenbar auf den neuen US-Präsidenten und Klimawandelskeptiker Donald Trump setzt: FCA, so hieß es, werde im Sinne einer raschen Lösung mit den Behörden kooperieren.

© SZ vom 13.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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