5G-Netze:Mit angezogener Handbremse

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Ein 5G-Mobilfunkmast in Nordrhein-Westfalen: Es muss schneller gebaut werden, damit 5G bis 2025 flächendeckend verfügbar ist. (Foto: Karl F. Schöfmann/imago)

Die Versprechen von Telekom, Vodafone und O2 zu 5G sind groß, aber werden sie auch gehalten? Was die Netzbetreiber bis dato leisten.

Von Helmut Martin-Jung und Benedikt Müller-Arnold

Wenn Tim Höttges vor die Presse tritt, testet er sein Netz neuerdings gerne live. 528 Megabit pro Sekunde könne sein Smartphone gerade herunterladen, prahlte der Chef der Deutschen Telekom kürzlich beim Netzetag seines Konzerns in Bonn. Zur jüngsten Quartalsbilanz hatte Höttges an seinem Schreibtisch nach eigenem Bekunden gar 800 Megabit pro Sekunde gemessen - schneller als es die meisten Festnetzanschlüsse seiner Telekom erlauben.

Möglich macht das 5G, jener neue Mobilfunkstandard, der nach und nach in hiesigen Netzen und auf mehr und mehr Geräten ankommt. Er kann mehr Daten mit geringeren Verzögerungen übertragen als seine Vorgänger 3G oder LTE (4G). Allerdings sind die ganz hohen Bandbreiten wie im Vorstandsbüro in Bonn noch eine rare Angelegenheit.

Zwar versorgt die Telekom hierzulande nach eigenen Angaben bereits Flächen mit 5G, auf denen zusammengerechnet 55 Millionen Menschen leben, also zwei Drittel der Bevölkerung. Im kommenden Jahr soll die Rate auf 80 Prozent steigen, bis 2025 auf 99 Prozent. Keine andere Netztechnologie habe man jeweils so schnell ausgerollt, sagt der Konzern.

An den meisten Standorten liefern die Netzbetreiber noch kein echtes 5G

Allerdings nutzt die Telekom bislang nur in 13 Großstädten jene höheren Frequenzen, die sie im vorigen Jahr - wie auch die Konkurrenten Vodafone, Telefónica und 1&1 Drillisch - ersteigert hat. Diese Wellen um 3,5 bis 3,6 Gigahertz ermöglichen Nutzern im Idealfall, bis zu einen Gigabit Daten pro Sekunde herunterzuladen. Doch sie funken oftmals nicht mal einen Kilometer weit, brauchen also vergleichsweise viele Antennen, und dringen schlecht durch Mauern durch. Die Telekom setzt sie daher derzeit an Flughäfen wie Frankfurt und Berlin sowie etwa in Teilen von Bremen oder eben Bonn ein. "Bis Ende des Jahres werden es 20 Städte sein", sagt Claudia Nemat, Vorständin für Technik und Innovation.

Um 5G in die Fläche zu bringen, nutzt der Konzern indes Wellen um 2,1 Gigahertz, die immerhin ein paar Kilometer weit reichen und Gebäude besser durchdringen, aber nicht ganz so schnelle Downloads ermöglichen. Und je nachdem, welche Geräte sich in einer Zelle befinden, sendet ein und derselbe Funkstandort 4G- und 5G-Signale. "Im Grunde verwenden wir auf einem Frequenzband zwei Mobilfunkstandards", sagt Nemat. So könne man sehr schnell vielen Menschen Zugang zu 5G geben. Der Verbindungsaufbau geschieht nach wie vor über 4G, nur zum Transport der Daten nutzt man 5G, schneller als 4G ist das aber nicht zwingend.

Und überhaupt funktioniert dieser Zugang natürlich nur, wenn Kunden auch 5G-fähige Geräte und Tarife nutzen. Bislang taugen nur wenige Smartphones im Bestand für den neuen Standard. Allerdings werde schon jeder zweite neue oder verlängerte Vertrag mit einem 5G-Gerät abgeschlossen, heißt es von der Telekom. Der Konzern habe mittlerweile gut 30 Geräte für die neue Generation im Angebot.

Auch Vodafone stellt fest, dass etwa die Hälfte aller jüngst verkauften Smartphones bereit für den neuen Standard seien. Vor allem die jüngste Smartphone-Generation von Apple habe die Nachfrage erhöht: "Der Push, den das erste 5G-fähige iPhone ausgelöst hat, ist größer als vor einigen Jahren bei 4G", sagt Gerhard Mack, Technikchef von Vodafone in Deutschland. Der Telekom-Konkurrent will hierzulande bis Ende dieses Jahres eine Fläche, auf der insgesamt 15 Millionen Menschen leben, mit 5G versorgt haben. 2021 soll sich die Zahl auf 30 Millionen Einwohner verdoppeln.

Das Düsseldorfer Unternehmen setze seine neuesten Frequenzen um 3,5 Gigahertz bislang vor allem in Gegenden ein, in denen auch Industriekunden davon profitieren. "Zum Beispiel in Gewerbegebieten oder Technologieparks", sagt Mack. "Gleichzeitig sind diese 5G-Antennen, die wir hier im öffentlichen Raum aktivieren, aber auch für alle Privatkunden nutzbar." Zudem sei Vodafone mit einer dreistelligen Zahl von Firmen im Gespräch, um eigene 5G-Netze an deren Produktionsstandorten aufzubauen.

Abseits der Knotenpunkte und Innenstädte setzt auch Vodafone auf niedrigere Frequenzen um 1,8 oder vereinzelt 0,7 Gigahertz, die viel weiter reichen, aber deutlich niedrigere Spitzengeschwindigkeiten erlauben.

Telefónica/O2 ist als letzter der drei großen Netzbetreiber Anfang Oktober in den fünf größten deutschen Städten Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt mit 5G gestartet. 15 Städte sind es inzwischen, richtig loslegen will die Tochter der spanischen Telefónica im nächsten Jahr. Bis Ende 2021 sollen 30 Prozent der Bevölkerung mit 5G versorgt werden, bis 2025 will der Konzern ein flächendeckendes Netz bereitstellen.

Derzeit setzt Telefónica auf Standorte mit einem Mix aus 4G und 5G, die schnellere Datenübertragung mit den 3,6 GHz-Frequenzen baut auch Telefónica vor allem in Städten aus. 2021 will der Konzern damit beginnen, 5G-Standorte in Stand-alone-Technik zu errichten. Dann findet auch der Verbindungsaufbau über 5G statt, was das Netz schneller reagieren lässt.

Und was ist eigentlich mit 1&1? Das Unternehmen hat zwar auch 5G-Frequenzen ersteigert, liegt aber noch im Zwist mit den bisherigen Anbietern, zu welchen Bedingungen diese 1&1 Zugang zu ihren Netzen gewähren.

Die Netzbetreiber wissen noch immer nicht, wie sie mit Huawei verfahren sollen

Unter einer anderen Art von Unsicherheit leidet die gesamte Branche. Die Politik, sagt Vodafone-Mann Mack, habe die Sicherheitsanforderungen für die Technik in 5G-Netzen noch immer nicht endgültig festgelegt. Vor allem die USA warnen davor, den chinesischen Anbieter Huawei, den Peking zur Spionage nutzen könnte, am Aufbau von 5G-Netzen zu beteiligen. Huawei selbst weist die Vorwürfe entschieden zurück.

Die Mobilanbieter jedoch hängen in der Luft. "Die Unklarheit bezüglich der Technik von Huawei erschwert die Planung", konstatiert Mack. Deutschland brauche aber schnell ein gutes 5G-Netz. Derzeit nutze Vodafone im sogenannten Antennennetz - wo Daten nicht verarbeitet, sondern nur übertragen werden - etwa zur Hälfte auch Ausrüstung von Huawei. "Das sogenannte Kernnetz ist der sicherheitsrelevante Teil im Mobilfunk", sagt Mack, "hier setzen wir keine Huawei-Technik ein."

Telekom-Vorständin Nemat moniert ebenfalls, dass derzeit zwei europäische und zwei chinesische Lieferanten "mehr als 90 Prozent des Marktes" für Mobilfunkausrüstung ausmachen. Ihr Konzern wolle künftig unabhängiger werden und setze daher auf auf eine neue Technologie namens Open RAN.

RAN, das ist die Abkürzung für Radio Access Network, zu deutsch: Funkzugangsnetz. Bisher basieren Mobilnetze meist auf relativ starren Lösungen einzelner Anbieter, die mit herstellereigener Hard- und Software arbeiten. Open RAN bricht das auf und lässt auch einen Mix von Anbietern zu. Denn das meiste wird hier über Software gesteuert, deshalb verwendet man keine spezialisierte, sondern Mehrzweck-Hardware. Der Münchner Konzern Telefónica ist in dieser Sache nun vorgeprescht und setzt die Technologie an drei Standorten im bayerischen Landsberg am Lech als erster deutscher Netzbetreiber live ein, zunächst nur im Pilotversuch. Richtig losgehen soll es im Herbst nächsten Jahres.

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