Jens Weidmann:Bundesbank-Chef fordert strenge Bilanzprüfung bei europäischen Banken

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Jens Weidmann bei einem Interview in der Zentrale der Bundesbank in Frankfurt am Main im April 2012 (Foto: Reuters)

Drohen bei den Banken der Euro-Zone unangenehme Überraschungen? Weidmann fordert, dass die Bilanzen der europäischen Geldhäuser bereinigt werden müssen. Außerdem müsse es die Möglichkeit geben, Banken zu schließen.

Von Andrea Rexer und Markus Zydra, Frankfurt

Wenn das Wort "Stresstest" fällt, rollen die Banker schon mit den Augen. Dass die europäische Bankenaufsicht EBA in diesem Jahr beschlossen hat, ihre alljährliche Krisenübung ausfallen zu lassen, ist indes kein Trost: Denn stattdessen sollen die Institute einer anderen Überprüfung unterzogen werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) will die Bilanzen all jener Geldhäuser unter die Lupe nehmen, deren Aufsicht sie künftig übernehmen soll. Das sind in ganz Europa voraussichtlich rund 130 bis 150 Häuser, in Deutschland etwa 25. Anhand dieses Eingangstests soll festgestellt werden, wie gesund die Banken Europas sind. Die Qualitätsüberprüfung ist mehr als eine rein technokratische Angelegenheit: Sie ist der Lackmustest für die neue EZB-Bankenaufsicht. Denn an ihrem Ergebnis wird man die Macht der neuen Aufsicht ablesen können.

Es geht dabei um die Reputation der EZB. Sie wird alles daran setzen, einen strengen Test durchzuführen, weil sie nicht Fehler ausbaden will, die vorher von den nationalen Bankaufsehern gemacht wurden. Aber es geht dabei auch um die Frage, wer für Altlasten in den Büchern der Banken gerade stehen muss: Die einzelnen Nationalstaaten oder der europäische Steuerzahler? Politisch ist die Sache brisant, weil es um Steuergelder geht, mit denen die Banken im Ernstfall abgewickelt und rekapitalisiert werden müssen. Die Regierungen wollen einen möglichst laschen Test, damit sie die Altlasten nicht selbst tragen müssen - denn das könnte teuer werden.

Schätzungen, wie viel Kapital die europäischen Banken brauchen könnten, gehen weit auseinander. Die Rede ist mitunter von dreistelligen Milliardenbeträgen, wenn die Banken ihre Wertpapiere auf den aktuellen Marktwert abschreiben würden. Das Rekapitalisierungsvolumen des ESM wird aber voraussichtlich auf 60 Milliarden Euro begrenzt. Was darüber hinaus notwendig wird, müsste also auf jeden Fall aus einem anderen Topf stammen. Nur, aus welchem? Solange nicht klar ist, wie Banken rekapitalisiert werden und wie sie notfalls abgewickelt werden können, sitzt die EZB in der Zwickmühle: Errechnet sie einen Betrag, der höher als der verfügbare Betrag ist, würde sie Nervosität an den Märkten provozieren - das will sie nicht.

Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung fordert Bundesbank-Chef Jens Weidmann: "Zur Verantwortung für eine Entscheidung gehört auch die Haftung. Wenn wir eine gemeinsame Regulierung und Aufsicht haben, dann ist auch ein gemeinsamer Restrukturierungs- und Abwicklungsmechanismus konsequent." Finanzieren sollten das zunächst private Investoren, nur wenn das nicht möglich sei, müssten die Regierungen entscheiden, ob staatliche Mittel eingesetzt werden.

Weidmann warnt vor einer zu laschen Überprüfung der Bankbilanzen im Vorfeld der EZB-Aufsicht: "Eine gründliche und strenge Überprüfung ist unumgänglich, um spätere unangenehme Überraschungen zu vermeiden. Diese wären der Glaubwürdigkeit der Bankenunion sicherlich nicht förderlich." Auch EZB-Direktor Jörg Asmussen forderte jüngst, dass die Bankbilanzen zügig und umfassend gesäubert werden: "Diese umfassende Solvabilitätsanalyse dient auch dazu, potenzielle Altlasten aufzudecken. Mir ist wichtig zu betonen, dass die Bereinigung etwaiger Altlasten primär von den zuständigen Mitgliedsstaaten übernommen wird."

Ein Konflikt zwischen der Zentralbank und den Mitgliedsstaaten ist damit programmiert. Derzeit sind die Staats- und Regierungschefs noch mit den Grundlinien der Bankenunion beschäftigt, der Qualitätstest kommt in Brüssel wohl erst im Herbst auf den Tisch - wenn überhaupt. Denn die Aufseher verbitten sich jede Einmischung, die Regierungen aber wollen mitreden, schließlich sollen sie das Geld dafür bereitstellen.

Eine Variante wäre, dass die nationalen Aufseher ihre Bankberichte vorlegen - daran dürfte die EZB kein Interesse haben, denn sie möchte die Bilanzen selbst in Augenschein nehmen. Ein Auslöser der Finanzkrise war ja auch, das Bankaufseher in manchen Ländern nicht gut genug hingeschaut haben. In einem zweiten Szenario setzen sich die Aufseher durch und säubern die Bilanzen effektiv. Dazu müssen sie auf externe Prüfer zurückgreifen, um der komplexen Materie in kurzer Zeit gerecht zu werden - und um nationale Interessen herauszuhalten. Entweder schauen sich die Prüfer jede einzelne Bilanzposition an, oder aber man beschränkt sich darauf, nur die kritischsten Vermögenswerte zu untersuchen.

Wenn die Sache gut läuft, lösen die Aufseher ein großes Problem: Die Kreditklemme in Südeuropa. "Es geht am Ende darum, dass wir ausreichend kapitalisierte Banken haben, die über nachhaltige Geschäftsmodelle verfügen. Nur dann können die Banken ihre Risiken auch selbst tragen und ihrer Aufgabe nachkommen, Kredite zu vergeben", sagte Weidmann.

© SZ vom 25.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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