Wohnpolitik:„Enteignen begeistert“: Zweiter Volksentscheid

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Ein Demonstrant hält eine Fahne mit der Aufschrift „Deutsche Wohnen und Co enteignen“. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Die Enteignungs-Initiative hat dem Senat immer wieder Verzögerung ihres Anliegens vorgeworfen. Jetzt reicht es ihr. Sie will einen zweiten Volksentscheid durchsetzen.

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Berlin (dpa/bb) - Zwei Jahre nach ihrem erfolgreichen Volksentscheid hat die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ einen zweiten Anlauf zur Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen angekündigt. Diesmal will sie die Berlinerinnen und Berliner gleich über ein Vergesellschaftungs-Gesetz abstimmen lassen, wie Vertreter der Initiative am Dienstag bei einer „öffentlichen Pressekonferenz“ vor dem Roten Rathaus bekanntgaben. Damit soll verhindert werden, dass der Senat die Umsetzung des Anliegens verzögert. Genau das hat die Initiative der Landespolitik bisher immer wieder vorgeworfen.

Ihr Fazit lautet daher: „Alles muss man selber machen“, wie am Dienstagvormittag auf einem der zahlreichen Transparente zu lesen war, die Unterstützer der Initiative hochhielten - oder auch: „Enteignen begeistert“.

Seit dem erfolgreichen Volksentscheid im September 2021 habe sich die Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt noch deutlich verschlimmert. Für viele seien die Mieten kaum noch bezahlbar. Die Vermieter pressten die Mieter aus wie nie zuvor, argumentierte die Initiative. Sie will deshalb nun die Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzes angehen.

„Die Zeit des Appellierens, die Zeit des Reagierens auf politische Verzögerungen ist vorbei“, sagte Veza Clute-Simon von der Initiative. Das von Schwarz-Rot angekündigte Vergesellschaftungsrahmengesetz nannte sie juristischen Unsinn und „reine Verschleppungstaktik“.

Zur Finanzierung ihrer Aktivitäten ist eine Crowdfunding-Kampagne geplant. „Das Ziel sind 100.000 Euro, die wir jetzt brauchen, um mit ausreichend Mitteln in den neuen Prozess zu starten“, so Clute-Simon.

Die Hoffnung ist, am Ende mit dem geplanten Gesetz weitere Mietsteigerungen auszubremsen: „Die Angebotsmieten könnten sofort gesenkt werden, weil die Mieten einfach nicht mehr unter Profitdruck stünden“, sagte Clute-Simon. „Die Bestände der vergesellschafteten Wohnungskonzerne würden in eine Anstalt öffentlichen Rechts überführt werden, und in dieser wird es dann sehr weitreichende Mitbestimmungsrechte geben.“

Wie lange das alles dauert, ist offen. „Für uns ist klar, dass wir uns die Zeit nehmen, die wir brauchen, um ein sicheres Vergesellschaftungsgesetz zu erarbeiten“, sagte Achim Lindemann, der ebenfalls für die Initiative spricht. „Da setzen wir uns einen Zeitraum von ungefähr einem Jahr.“ Danach folgten eine Reihe weiterer Schritte, auf die die Initiative nur bedingt Einfluss habe. Sie werde aber versuchen, den Prozess so schnell wie möglich zu Ende bringen. „Ob das bei der Wahl 2026 sein wird oder zu einem andren Zeitpunkt, wird man dann sehen.“

Lindemann schätzt die Chancen gut ein, auch bei einem Abstimmungstermin unabhängig von Abgeordnetenhaus- oder Bundestagswahlen die nötige Zustimmung zu bekommen: „Das Mobilisierungspotenzial von unserer Kampagne ist enorm hoch“, sagte er. Schließlich wohnten 80 Prozent der Menschen in Berlin zur Miete und die Mietenkrise spitzte sich immer weiter zu. Bei dem Volksentscheid muss mindestens ein Viertel aller stimmberechtigten Berlinerinnen und Berlinern das Anliegen unterstützen.

Bei dem erfolgreichen Volksentscheid am 26. September 2021 hatten gut 59 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die Vergesellschaftung von Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin gestimmt. Der damalige rot-grün-rote Senat hatte daraufhin eine Kommission aus Expertinnen und Experten eingesetzt, die im April 2022 die Arbeit aufnahm. In ihrem Ende Juni vorgestellten Abschlussbericht kam sie zu der Einschätzung, dass die Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen möglich sei.

Allerdings hat der schwarz-rote Senat nicht vor, diese Möglichkeit schnell zu nutzen. Er hat angekündigt, zunächst ein Vergesellschaftungsrahmengesetz auszuarbeiten, das erst zwei Jahre nach seiner Verkündung in Kraft treten soll. Davor soll es vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden. Aus der CDU gab es außerdem mehrfach Äußerungen gegen die Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen, zuletzt erst bei der Plenarsitzung im Abgeordnetenhaus am vergangenen Donnerstag.

© dpa-infocom, dpa:230925-99-330307/6

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