Peter Ustinov sagte einmal, er stelle sich die Hölle so vor: italienische Pünktlichkeit, deutscher Humor und englischer Wein. Würde der britische Schauspieler und Schriftsteller noch leben, müsste er nun sehr tapfer sein. Denn englischer Wein boomt. Seit der Jahrtausendwende hat sich die Anbaufläche verdreifacht, und wegen des heißen Sommers fahren die Weinbauern Ihrer Majestät in diesen Wochen eine Rekordlese ein. Simon Robinson, Besitzer des Sektgutes Hattingley Valley und Vorsitzender des Branchenverbands WineGB, sagt, die idealen Bedingungen zeigten sich in "exzellenter Qualität und hohen Erträgen".
Bereits die Römer pflanzten in England Reben an, um sich das Leben in der abgeschiedenen, regnerischen Provinz ihres Reiches schönzutrinken. Doch lange genoss Wein aus dem Königreich einen schlechten Ruf; britische Winzer produzierten oft süßliche Plörre. Die Wende brachte die damals revolutionäre Idee eines amerikanischen Ehepaars: Das Duo gründete 1988 Nyetimber, ein Weingut südlich von London, und pflanzte dort klassische Champagner-Rebsorten an. Statt billigem Wein wollten sie edlen Sekt herstellen. Das Experiment gelang, schon ihr erster Sekt räumte Preise ab.
Andere Winzer folgten dem Beispiel der Pioniere. Heute werden zwei Drittel der Lese zu English sparkling wine, englischem Sekt, verarbeitet, und viele der Schaumweine schneiden bei internationalen Wettbewerben gut ab. Die meisten der 502 englischen und walisischen Weingärten befinden sich an der östlichen Ärmelkanalküste. Dort profitieren die Reben nicht nur vom milden Golfstromklima, sondern auch davon, dass der kalkhaltige Boden dem der 350 Kilometer entfernten Champagne ähnelt. Champagner dürfen die Winzer ihre prickelnden Kreationen aber nicht nennen, selbst wenn sie die gleichen Rebsorten und Methoden verwenden. Dieses Privileg steht nur Anbietern aus der französischen Region zu.
Viele Briten haben nie heimischen Wein gekostet
Im vergangenen Jahr pflanzten die Weinbauern auf der Insel eine Million Rebstöcke neu an, so viele wie nie. In diesem Jahr sollen es sogar 1,5 bis 1,7 Millionen sein, schätzt der Verband WineGB. Trotzdem zählt das Königreich mit 2554 Hektar weiter zu den kleinen Anbaugebieten: Allein in Franken ist mehr als doppelt so viel Fläche mit Reben bepflanzt. Deswegen ist der Marktanteil englischen Weins und Sekts in Großbritannien winzig; nur wenige Supermärkte führen die Flaschen, viele Briten haben nie heimischen Wein gekostet.
Trotzdem hat sich der Erfolg der Winzer bis in die Champagne herumgesprochen. Zwei Champagnerhäuser, Taittinger und Vranken-Pommery Monopole, wollen teilhaben am Boom und haben darum Land in den südenglischen Grafschaften Kent und Hampshire gekauft. Dort pflanzen sie Reben an, um in einigen Jahren ihren eigenen englischen Sekt mit französischem Flair anbieten zu können - eine Art Ritterschlag aus der Heimat teuren Schaumweins.
Insgesamt sollen in Großbritannien gut 28 000 Hektar Land für Weingärten geeignet sein. Das ist etwas mehr als die Fläche des größten deutschen Anbaugebiets Rheinhessen. Es bleibt also noch viel zu bepflanzen für die Winzer im Königreich.