Eigener Herd:Ab in den Topf

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Vor allem im kalten Januar sehr erwärmend: pürierte Gemüsesuppe. (Foto: Vasily Pindyurin/imago images/Westend61)

Lauchgrün, Brokkolistrünke, Karotten- oder Kartoffelschalen: Aus Gemüseresten lassen sich hervorragende Suppen zubereiten. Geht übrigens ganz einfach.

Von Marten Rolff

Die ersten Wochen des Jahres sind dabei, der Fastenzeit endgültig den Rang als Hochsaison des Verzichts abzulaufen. Kalorienarm und bescheiden sollte der Speiseplan nach den üppigen Festtagen ja immer schon ausfallen. Seit einigen Jahren muss es im Januar zudem möglichst ohne Alkohol gehen ("Dry" oder "Sober January") und neuerdings auch ohne Fleisch, die Kampagne "Veganuary", die eine NGO vor vier Jahren erfand, um Menschen zu ermutigen, sich nachhaltiger, tier- und klimafreundlicher zu ernähren, findet weltweit immer mehr Zuspruch.

Es nehmen nun auch so viele Restaurants und Unternehmen daran teil wie nie zuvor. Leider finden die meisten, es sei damit getan, für ein paar Seitansticks mit Chorizoaroma zu werben. Doch Marketing, ideologisches Getrommel und Fertigprodukte führen nie zu einer besseren Küche. Verschwiegen wird dagegen stets, dass nachhaltiges Wirtschaften auch mit Aufwand verbunden ist. Selbst zu kochen ist schon mal gut, in der Küche völlig umzudenken aber noch besser.

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Wie das aussehen könnte, zeigt unter anderen der fränkische Zwei-Sterne-Koch Felix Schneider, der für seine nachhaltige Arbeitsweise bekannt ist. Womöglich hat er längst ein ausgeklügelteres System für die Resteverwertung, aber in seinen Anfangsjahren stand bei ihm immer ein riesiger Topf auf dem Herd, in dem es sanft köchelte und in den automatisch (fast) alles hineinwanderte, was etwa beim Gemüseputzen übrig blieb. So entsteht ein wunderbarer wie nützlicher Fond.

Ein besonders praktisches Rezept kommt von der britischen Köchin Nadiya Hussain

Das Beispiel zeigt, dass schon der Begriff Küchenabfälle eigentlich auf den Index gehört. Das Kopenhagener Spitzenrestaurant "Noma" heuerte schon vor Jahren eine Biochemikerin der Uni Berkeley an, die Gemüsereste zu Smoothies fermentierte. Und die Schweizer Gastrojournalistin Esther Kern begründete mit ihrem ganzheitlichen Ansatz "Leaf to root" (Vom Blatt bis zur Wurzel) eine regelrechte Bewegung von Hobbyköchen, die nur noch die ganze Frucht verarbeiten. Die Zahl der Projekte, die beweisen, dass sich aus nahezu allem immer noch etwas machen lässt, ist längst unübersichtlich geworden. Doch leider heißt das noch lange nicht, dass all die schönen Möglichkeiten der Resteverwertung im Alltag auch umgesetzt werden. Oft scheitern sie bereits an Planung und Zeitbudget. Wer unterhält zu Hause schon eine ewige Flamme mit brodelndem Suppentopf, in den sich jederzeit ein paar Karottenschalen oder ein Brokkolistrunk sinnvoll entsorgen lassen?

Dabei gibt es inzwischen Rezepte, mit denen auch den Bequemsten unter uns die Ausreden ausgehen. Ein besonders praktisches und kluges Rezept kommt von der britischen Köchin Nadiya Hussain, die für ihre "Herzhafte Restesuppe" ("Time to eat. Einfache und schnelle Rezepte für ein entspanntes Leben", Ars Vivendi) mit eingefrorenen Gemüse-Schnipseln und -Schalen arbeitet. Diese sammeln sich nach und nach beim Gemüseputzen an, wobei ein kleiner Zusatzaufwand darin besteht, Kartoffeln, Karotten, Pastinaken, Sellerie, Lauch oder auch Rote Bete ein bisschen sorgfältiger zu waschen als sonst und mögliche unschöne Stellen zu entfernen. Schalen, Lauchgrün oder Strünke werden kurz grob gehäckselt und luftdicht eingefroren.

Hat man genug gesammelt, gibt es eine Gemüsesuppe, die so perfekt in den Januar passt wie kaum eine andere. Für alle Mahner und Marketingfans: Dieses Rezept ist nicht nur kalorienarm, alkoholfrei, lokal, vegan und klimafreundlich, sondern auch inklusiv, divers und feministisch. Die Familie der grundsympathischen Nadiya Hussain stammt aus Bangladesch. Doch dass die Tochter muslimischer Migranten bei einer Backshow der BBC antritt und gewinnt, anschließend mit TV-Angeboten und Buchverträgen überhäuft wird und die vielbestaunte Torte zum 90. Geburtstag der Queen backen darf - das sind leider Geschichten, wie sie bislang nur das weltweit einzigartige britische Kochfernsehen erzählt. Es sind Geschichten, wie - apropos umdenken - es sie künftig gern ein wenig öfter geben darf.

Brot mitkochen lassen, das sorgt für Cremigkeit

Nadiya Hussain nutzt für ihre Suppe der Einfachheit halber 3 EL Zwiebel- und 2 EL Knoblauchgranulat, also gefriergetrocknete Ware, die sie zusammen mit 700 g gefrorenen Gemüseschnipseln, etwa 2 TL Salz (nach Geschmack dosieren, nachsalzen geht immer), dem Abrieb und Saft von 2 Biozitronen, 1 EL Chiliflocken, und 7 g getrocknetem Koriandergrün in einen großen Topf gibt und mit 2 l Gemüsebrühe übergießt (Gemüsefond aus dem Glas ist teurer und besser, aber auch gekörnte Brühe geht, dann vorsichtiger salzen). Schließlich kommt noch eine zerrupfte Scheibe Brot hinein, die mitkocht und der Suppe am Ende eine gewisse Cremigkeit verleiht. Alles etwa 90 bis 120 Minuten sanft köcheln lassen, mit dem Pürierstab glatt pürieren, abschmecken und mit einem Klecks Joghurt oder Sauerrahm (vegan wäre Haferjoghurt) und etwas Schnittlauch servieren (Petersilie, Koriander und oder geröstete Kerne gehen natürlich auch). Zugegeben: Diese Suppe ist eher etwas für rustikalere Gaumen. Sie schmeckt aber gut - je nach Gemüsesorten jedes Mal ein wenig anders. Sie ist wohltuend. Und sie lässt sich gut einfrieren.

Verfeinern geht natürlich immer. Zum Beispiel, indem man mehr Gemüse nutzt oder beginnt, die Reste nach Sorten zu ordnen und aufeinander abzustimmen. Oder weil man sich die Mühe macht, das Granulat durch 2 fein gewürfelte Zwiebeln und 4 Knoblauchzehen zu ersetzen, die in wenig Olivenöl angeschwitzt und kurz abgelöscht werden, etwa mit einem Schuss mildem Essig oder Wermut. Leichter kann man kaum in dieses Jahr starten.

(Foto: N/A)
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