Kolumne "Eigener Herd":Die Zehn-Minuten-Soße

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Soßen schmecken natürlich am besten, wenn sie ein paar Kalorien auf der Uhr haben. (Foto: Illia Bondar/mauritius images / Alamy Stock Photos)

Klassische Küche ist aufwendig? Nicht wenn man das Rezept für die Express-Soße des französischen Sternekochs Pierre Gagnaire kennt: kann jeder, ist köstlich und passt immer. Tipps vom Soßenkönig.

Von Marten Rolff

Die allgemeine Haltung zu klassischen Soßen ist heute durchaus widersprüchlich. Einerseits sind sie schon lange verpönt, gelten sie doch in doppelter Hinsicht als zu schwer: als zu hochkalorisch und viel zu kompliziert in der Zubereitung. Doch wenn sie dann auf den Tisch kommen, sind sie stets schneller weg, als man Buttercremetorte sagen kann.

Sauce hollandaise? Kippen wir jetzt im Mai kübelweise über den Spargel. Sauce béarnaise? Kann selbst für das beste Steak nie genug sein. Béchamelsauce? Macht eine Lasagne erst begehrenswert. Mayonnaise? Ist mit ihren ungezählten Varianten (Knoblauch, Mango, Chili ...) eher Säule der Küche als Fast-Food-Phänomen. Und wenn (Gesundheits-)Anspruch und Wirklichkeit hier weit auseinanderklaffen, ist das nur verständlich, Fett ist nun mal ein Aromenträger. Wo es schmeckt, lässt sich das auch mit Kalorienwarnungen und Nährwerttabellen schwer wegdiskutieren.

Der französische Drei-Sterne-Koch Pierre Gagnaire. (Foto: JOEL SAGET/AFP)

Es verwundert also nicht wirklich, wenn ausgerechnet der eindeutig klassisch orientierte Spitzenkoch Pierre Gagnaire (männlich, über 70, ehemals drei Michelin-Sterne, französisches Nationaldenkmal) neuerdings ausgerechnet mit einem klassischen Soßen-Video Furore macht.

Man braucht nur Wein, Senf, Tomatenmark, Sahne, Butter und Salz

Als Kind der Nouvelle Cuisine weiß Gagnaire um den Wert und die Qualität von Soßen. Und als Gastronom mit gut 50 Jahren Erfahrung weiß er auch, dass es heute schnell gehen muss. Seine "Sauce express" verbindet deshalb beides, sie ist eine Art Zehn-Minuten-Terrine mit Sterne-Siegel. Das Versprechen: Geht extrem schnell. Kann jeder. Braucht nur fünf Zutaten, die man fast immer im Haus hat. Schmeckt kalt und heiß. Passt zu Fleisch so gut wie zu Fisch, Gemüse, Tofu, Pasta oder pochiertem Ei. Erfreut Vegetarier ebenso wie Fleischfans. Hält sich eine Woche im Kühlschrank. Lässt sich aber auch wunderbar einfrieren.

Neugierig geworden? Verständlich, mehr kann man von einer Soße schließlich kaum verlangen.

Für die Express-Soße, die Gagnaire nach eigenen Worten schon als Lehrling beigebracht bekam, muss man nur je einen großzügigen EL Tomatenmark und Senf in 250 ml Weißwein glatt rühren. Die einzige Vorgabe des Kochs ist, dass es sich um qualitativ gute Zutaten handeln muss, einen guten Dijon-Senf etwa und einen Wein, den man auch so gern trinken würde. Beim Wein sollte man zudem die Säure und Fruchtigkeit der Tomate berücksichtigen. Wer also zum Beispiel einen säurebetonten Riesling dazu wählt, hat am Ende entsprechend noch mehr Säure in der Soße, aber das ist ja Geschmackssache.

Nun Wein, Tomate und Senf in einem Topf mit gutem Boden aufkochen und dann bei mittlerer Hitze für etwa zehn bis zwölf Minuten reduzieren lassen. Die Zeit variiert, sie hängt von Zutaten, Herd und Topfqualität ab, aber für eine gute Aromenkonzentration sollte die Flüssigkeit nahezu völlig verdampfen, die Soße also fast trockenfallen, weshalb man alles in den letzten Minuten gut im Blick haben und viel umrühren sollte, damit nichts anbrennt. Am Ende löscht man alles - es ist ein französisches Rezept! - mit 250 ml Sahne ab, rührt es glatt, lässt die Soße eine weitere Minute sanft köcheln, um sie nun mit einem großen Stich Butter abzurunden und mit Salz (und nach Geschmack Pfeffer) abzuschmecken.

Tomate, Senf und Wein bilden ein scharfwürziges Amalgam mit Röst-, Frucht- und Bitternoten, die Sahne macht alles geschmackig und hübsch gefällig. Ursprünglich garte man in Frankreich angebratenes Hühnchen in der Soße, Pierre Gagnaire serviert sie heute zu fein geraspeltem Blumenkohl, Lauch, Spinat, Champignons (alles roh) und einem pochierten Ei. Der Rest ist Freestyle, der einen für jeden Überraschungsbesuch wappnet.

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