Rauchmelder:Pickel an der Zimmerdecke

Rauchmelder: Interessantes Modell mit kupferfarbenen Details.

Interessantes Modell mit kupferfarbenen Details.

(Foto: Firephant)

Seit Anfang des Jahres sind Rauchmelder unter anderem in Bayern Pflicht - das ist gut für die Sicherheit. Doch mit den Knubbeln holen wir uns ein Designproblem ins Haus.

Von Gerhard Matzig

Viel Rauch um nichts. Könnte man denken. Denn einerseits befinden sich die Rauchmelder im Baumarkt nicht nur am Beginn der Elektrostraße, sondern auch an einem Ort, den man Obi-Obacht-Eck oder Hornbach-Hysterie-Platz nennen könnte. Hier gibt es auch Kamera-Attrappen zu kaufen ("hält Vandalen fern"), TV-Simulatoren ("schreckt Einbrecher ab") und Bewegungsmelder, "die das individuelle Sicherheitsgefühl steigern".

Gegen die Vandalen wird das übrigens nicht viel bringen. Deren Reich wurde im sechsten Jahrhundert durch oströmische Truppen zerschlagen. Danach, sagt jedenfalls das Lexikon, "verlieren sich ihre Spuren". Bis sie im Truderinger Baumarkt, München Ost, wieder auftauchen.

Andererseits gibt es ja durchaus Einbrüche in Deutschland. Und Menschen, die an Rauchvergiftungen sterben. Eine exakte Statistik über die Zahl der Brandtoten wird zwar nicht geführt, aber Experten schätzen, dass derzeit rund 400 Personen pro Jahr in Deutschland an den Folgen von Bränden sterben. Auch wenn durch Passivrauchen viel mehr Menschen zu Tode kommen: Jeder Tote ist ein Toter zuviel.

Und weil das auch der Gesetzgeber so sieht, ist der Einbau von "Rauchwarnmeldern" - kurz: Rauchmelder - in deutschen Wohnungen oder Häusern (bis auf Sachsen) seit Jahresanfang Pflicht.

Die letzten Übergangsfristen sind am 31. Dezember 2017 abgelaufen. Seither hat man im Brandfall ohne Rauchmelder auch ein Versicherungsproblem. Das gilt für Neubauten wie für den Bestand. In Sachsen sind lediglich Neu- und Umbauten von der Regelung betroffen. Vorerst. Man kann sich also gut vorstellen, dass Rauchmelder hierzulande zu den aktuell angesagten Geschenkartikeln zählen und womöglich schon die sattsam anzutreffenden Bewegungsmelder entthront haben. Das Meldewesen ist in Deutschland ganz generell eine feine Sache

Daher befinden sich im Baumarkt-Umfeld der Rauchmelder auch noch "Hitzewarnmelder", "Kohlenmonoxidmelder", "Gasmelder" und sogar "Wassermelder". Man könnte das für etwas sehr viel Alarmismus halten, aber es ist eben auch so: Noch vor 17 Jahren gab es jährlich an die 800 Wohnungsbrand-Tote, wobei lediglich fünf Prozent der Haushalte mit Rauchmeldern ausgestattet waren; heute findet man diese in mehr als der Hälfte der Wohnungen - und die Zahl der Toten hat sich annähernd halbiert.

Das ist kein falscher Trend, auch wenn manche Kritiker in den diesbezüglich novellierten Bauordnungen der Länder vor allem Konjunkturprogramme für die entsprechenden Hersteller und auch eine gewisse Versicherungsgängelei vermuten. Was ja nicht vollkommen von der Hand zu weisen ist.

Ein Grund für steigende Baukosten ist auch in der ständigen Ausweitung des Brandschutzes zu vermuten, der immer strenger, aber nicht immer angemessener erscheint. In Schulen mussten hölzerne Kruzifixe entfernt werden. Des Feuerteufels wegen. "Wer heute im Brandschutzgewerbe tätig ist", ätzt (Brandgefahr!) die Wochenzeitung Die Zeit in einem vielkommentierten Beitrag, "darf sich über goldene Zeiten freuen."

Designer suchen nach Lösungen

Demnach werden Milliarden in jedem Jahr für Brandschutzprodukte ausgegeben. Jetzt eben auch für den Rauchmelder "mit Mondmotiv", der "ideal ist für das Kinderzimmer" (15,99 Euro), oder gleich für den "Volks"-Rauchmelder inklusive "Magnetpad-Halterung" und "10-Jahres-Lithiumbatterie", die im Ernstfall für 85 Dezibel Warngeheul sorgt. Lautstärkentechnisch ist das mit einem beherzten Saxofonsolo oder einer eher herzlos vor sich hin brummenden Hauptverkehrsstraße zu vergleichen.

Das Problem ist aber nicht die Akustik, weil man das Rauchmelder-Fiiiiiiieeeeep kaum je hören wird; das Problem ist die Ästhetik, die man nun stets vor Augen hat. In allen Schlafzimmern, Fluren und möglichst auch in den Wohnbereichen. Bis auf Bad und Küche (Fehlalarmquellen ersten Ranges, wegen der Dämpfe) guckt man jetzt also auf Decken mit seltsamen Beulen. Die Verpicklisierung des Wohnens ist der Preis für mehr Sicherheit.

Immerhin hat das auch die Ästheten auf den Plan gerufen, Feuerlöscher vom Designer gibt es schließlich schon. Wobei die Design-Rauchmelder trotz ihrer exponierten und gruseligerweise sehr gut sichtbaren Lage noch Luft nach oben haben. Gestalterisch. Auch unter der Decke.

Rosa Riesenmotte an der Schlafzimmerdecke

Gut, da gibt es den Mini-Rauchmelder "Invisible". Doch auch der, vier auf vier Zentimeter groß, ist nicht unsichtbar. Und es gibt den finnischen Designer Harri Koskinen, der für das Unternehmen Jalo Helsinki einen seifenartig gerundeten Blickfang in kräftigen Farben entworfen hat. "Der Rauchmelder", so die PR-Poesie, "paart ein Gehäuse, das den Wert von Alltagsobjekten betont, mit Sicherheitsstandards."

Der gleiche Hersteller hat, gestaltet von Paola Suhonen, auch "Lento" im Programm: "Lento ist wild, dennoch grazil und verspielt. Er ruht an der Decke wie eine Motte." Kinderzimmer sind ein denkbarer Ort. Man ist ja nun kein Kind mehr, aber man möchte trotzdem nicht unter einer Decke schlafen, die von einer Riesenmotte in Dunkelrosa beherrscht wird, die man sich als Ergebnis eines Atomunfalls an der finnischen Grenze vorstellt.

Als Gunter Gabriel 1975 den sehr seltsamen Song "Komm unter meine Decke" veröffentlichte, steckte der Brandschutz noch in den Kinderschuhen einer nachkriegsoptimistischen Wird-schon-nichts-passieren-Ära. Jetzt ist man in der Vollkasko-Gegenwart angekommen, die nur eine wirklich ideale Lösung für das Dilemma kennt: Man muss den verdammten Rauchmelder flächenbündig in die Decke einbauen. Das ist - weniger ist mehr, wobei das Wenige viel kostet - sehr teuer. Die Alternative: Motten, Seifen und andere Pickel, die mit dem Brandschutz und leider auch mit uns fortan unter einer Decke stecken.

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