Schokoladensorte Ruby:Rosa Ostern

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Schokowelt in Rosarot. (Foto: imago images/AFLO)

Wo sich in der Pralinenauslage zartes Pink breitmacht, geht es oft um Ruby. Die neue Schokoladensorte verdankt ihre Farbe einer Kakaobohne. Aber wie schmeckt sie?

Von Verena Haart Gaspar

Als Schokoladen-Sommelier ist Kevin Lühmann es gewohnt, ungewöhnliche Produkte zu verkosten. Er hat Zartbitterschokolade mit geröstetem Schweinefleisch in Taiwan probiert oder Kitkat-Riegel mit Süßkartoffeln in Japan. Alles keine große Sache. Aber das, was der Schweizer Schokoladenhersteller Barry Callebaut da im September 2017 in Shanghai präsentierte, galt als Weltneuheit: rosa Schokolade. Und zwar nicht rosa gefärbt, keine weiße Kakaobutter mit Himbeeraroma. Nein, es ging um einen vierten Schokoladentyp - nach Zartbitter, Vollmilch und weißer Schokolade. So etwas hatte es seit 80 Jahren nicht gegeben. Entsprechend aufgeregt war man in der Branche. Und Kevin Lühmann gehörte zu den Ersten, die diese Schokolade verkosten durften.

"So was erlebt man natürlich nicht alle Tage", sagt der 41-Jährige. Und er erinnert sich, wie überrascht er dann war, dass Ruby-Schokolade, benannt nach dem englischen Wort für Rubin, für ihn tatsächlich sofort etwas Außergewöhnliches hatte: "Sie schmeckt fruchtig, nach roten Beeren, sehr cremig und mit einer leicht säuerlichen Note", erklärt der Sommelier. Der Geschmack und die rosarote Farbe entstehen bereits bei der Verarbeitung der Ruby-Kakaobohnen. "Und das", sagt Lühmann, "ist wirklich einzigartig".

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Auf diese "Einzigartigkeit" setzt man auch bei Barry Callebaut, mit einem Jahresumsatz von 6,9 Milliarden Euro einer der weltgrößten Schokoladenproduzenten. An jedem vierten Kakaoprodukt weltweit verdient Barry Callebaut zumindest mit. Die Entwicklung der Ruby-Schokolade dauerte der Firma zufolge zehn Jahre. Die näheren Umstände sind geheim. Barry Callebaut gibt zu Ruby nur ein paar mythenumwehte Eckpfeiler preis: Basis der Schokolade sind demnach die Ruby-Kakaobohnen, die auf Plantagen in Brasilien, Ecuador und an der Elfenbeinküste wachsen. Diese haben spezifische Eigenschaften. Und Dank eines angeblich einzigartigen Verfahrens gelingt es, den Ruby-Bohnen ihren natürlich vorhandenen Geschmack und Farbton zu entlocken. Ohne Zugabe von Aromen oder Farbstoffe - "Ein Geschenk der Natur", heißt es auf der Firmenseite. Schokoladenexperten haben da aber ihre eigenen Theorien. "Ich denke, dass vielleicht Zitronensäure bei der Fermentation der Kakaobohnen hinzugegeben wird und dadurch die rote Farbe entsteht oder verstärkt wird", sagt Kevin Lühmann, "aber das ist nur eine Vermutung."

Ruby setzt sich bei uns nur sehr langsam durch. Im Frühjahr 2018 tauchte das erste Ruby-Produkt in deutschen Supermärkten auf - ein rosafarbenes Kitkat. Doch die postulierte Schokoladen-Revolution blieb aus. Kein Wunder, der deutsche Schokoladenmarkt ist so konservativ wie ein niederbayerischer CSU-Ortsverein. Zwar isst jeder Deutsche an die neun Kilo Schokolade pro Jahr, und wegen des Lockdowns meldeten die Süßwarenhersteller gerade zweistellige Absatzsteigerungen. Doch greifen die Deutschen vor allem zu altbewährten Sorten. Vollmilchschokolade gehört mit etwa 47 Prozent Marktanteil zu den beliebtesten Geschmacksrichtungen, dann folgen Nugat und Zartbitter. Für Experimentierfreudigere darf es auch schon mal Pfefferminz oder Schokolade mit Chili sein.

Zudem unterteilen Experten die Schokoladenwelt in "Beißer" und "Lutscher", erklärt Sommelier Lühmann, und Deutschland sei ein Land der "Beißer". Das heißt, die meisten Deutschen kauen Schokolade am liebsten und mögen harte Sorten wie Ritter Sport oder Schogetten. Die "Lutscher" dagegen lassen Schokolade genüsslich im Mund zergehen. "Zerkauen Sie mal ein Stück Schokolade, trinken dann einen Schluck Wasser und lassen anschließend die gleiche Sorte im Mund schmelzen", empfiehlt Lühmann, "bei guter Schokolade entwickeln sich dann ganz andere Aromen." Er würde es nie so ausdrücken, aber aus kulinarischer Perspektive bleibt zunächst festzuhalten: Die Deutschen sind ein Volk von Schokobanausen!

Für Ruby-Schokolade, die auch noch gut doppelt so teuer ist wie die gute alte Alpenmilch, nicht die besten Voraussetzungen. Zu den wenigen, die sich bislang in Deutschland an Ruby-Schokoladen-Rohmasse herantrauen, gehört eine kleine Confiserie im Allgäu. In der Kleinstadt Woringen in der Nähe von Memmingen produziert die Firma Heilemann seit mehr als 60 Jahren Pralinen, etwa mit Champagner- oder Eierlikörfüllung. Auch Schokoladenosterhasen gehören zum Sortiment.

In der Fabrik rattern die Maschinen, und es duftet nach Vanille. Ein Fließband befördert Pralinen durch einen rosafarbenen Vorhang aus geschmolzener Schokolade. Später werden sie als "Ruby Crowns" mit Haselnuss- und Nugatfüllung verkauft. 600 Packungen produzieren sie hier pro Stunde; die Mitarbeiterinnen versiegeln alles von Hand. Die Crowns sind eines von derzeit sechs Ruby-Produkten im Sortiment von Heilemann. Neben Pralinen hat die Confiserie auch Ruby-Tafelschokolade, Ruby-Haselnuss-Dragees oder "Ruby Stones", quaderförmige Pralinen mit Edelbitterschokolade, im Angebot. Die Schokoladenrohmasse dafür liefert - wie bei allen Ruby-Produkten weltweit - natürlich Barry Callebaut aus der Schweiz.

Wie viele Pralinenvarianten er probieren musste, bis die richtigen Ruby-Rezepte ausgearbeitet waren, daran kann sich Andreas Steffen gar nicht mehr erinnern. Steffen ist Geschäftsführer bei der Firma "Viba Sweets", die Heilemann 2016 übernommen hat. Es standen jedenfalls eine Menge Verkostungen an, bis Steffens Team am Ende die besten Kombinationen gefunden hatte. "Wir mussten uns in der Produktentwicklung erst einmal an diese neue Schokolade herantasten und viel experimentieren", erzählt Steffen.

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Vollmilch harmoniert mit Ruby etwa nicht so gut wie Zartbitter. Haselnüsse passen besser als Mandeln und alkoholische Füllungen funktionieren überhaupt nicht. "Ruby ist sehr empfindlich was Feuchtigkeit betrifft", erklärt Steffen, "der schöne rote Ton bekommt dann mit der Zeit einen Grauschimmer." Und so sehr sich der Geschäftsführer auch Verpackungen mit Sichtfenster wünschte, damit die Kunden sofort die rosa Farbe erkennen, seine Bitte konnte nicht erfüllt werden. Ruby reagiert auf Licht, was ebenfalls mit der Zeit zu dem unerwünschten Grauschleier führt.

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Die aufwendigere Herstellung schlägt sich auch im Preis nieder. "Allein die Schokoladenrohmasse ist ungefähr dreimal so teuer wie herkömmliche Vollmilchschokolade", sagt Steffen. Hinzu kommt ein höherer Aufwand bei der Verarbeitung. Zum Vergleich: Eine Tafel Vollmilch von Heilemann kostet 1,99 Euro. Eine Tafel Ruby 3,95 Euro. Ruby ist und bleibt ein Nischenprodukt, da macht sich Andreas Steffen keine Illusionen. Umso mehr freut er sich über jede neue Ruby-Kombination, die auf den Markt kommt. "Das tut der Branche gut", sagt Steffen, so würden die Leute rote Schokolade besser kennenlernen und dann hoffentlich öfter zugreifen.

In den Supermarktregalen liegen bereits Ruby-Schogetten, Leibniz überzog gerade Butterkekse mit rosa Schokolade, und auch das Magnum-Eis gibt es neuerdings als Variante aus weißem Schokoladeneis mit der besonderen rosa Kuvertüre. Etwa zehn verschiedene Ruby-Produkte gibt es in Deutschland damit inzwischen, einige davon im gewöhnlichen Supermarktsortiment. Im experimentierfreudigen Japan werden dagegen an die 100 Artikel mit dieser besonderen Schokolade angeboten - von mehr als 40 verschiedenen Marken. Und rot sieht im Ausland auch die gehobene Gastronomie. Der niederländische Starkoch Sergio Herman kombinierte Ruby zum Beispiel mit geräuchertem Aal.

"Durch den starken Eigenschmack sind die Kombinationsmöglichkeiten bei Ruby aber relativ eingeschränkt", sagt Schoko-Sommelier Lühmann. Für das ideale Ruby-Pairing empfiehlt er lieblichen Sekt oder Champagner. Auch frische oder getrocknete Früchte wie Erdbeeren harmonieren perfekt, ebenso wie Vanilleeis. Wer die Schokolade pur esse, sagt Lühmann, solle aber immer daran denken: nicht deutsch kauen, sondern schön langsam schmelzen lassen!

© SZ vom 11.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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