Neue Ästhetik:Der Durchbruch der schwarzen Models

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Immer mehr Designer setzen auf Diversität - und schwarze Models. (Foto: PR)

Auf Laufstegen und Magazincovern waren schwarze Models bisher die Ausnahme. Nun setzen immer mehr Designer auf Diversität.

Von Anne Goebel

Als das Fotomodell Donyale Luna im März 1966 auf dem Cover der britischen Vogue landete, war das Bild sofort eine Sensation. Es zeigt den Kopf einer jungen Frau im Halbprofil, dunkle Katzenaugen, die Haut makellos - und schwarz. Das erste farbige Model auf dem Titel der Modebibel: große Furore in der Szene! Ms. Luna aus Detroit wurde herumgereicht, überall wegen ihrer hochgewachsenen Gestalt bestaunt, sie machte Karriere als Mannequin, Filmsternchen und im Playboy. Heute ist sie nahezu vergessen. Es lohnt sich aber, einen Blick auf das Foto zu werfen, denn der Skandal liegt ganz woanders. Mit einer Hand bedeckt Donyale Luna, natürlich sehr dekorativ, die Hälfte ihres Gesichts und verhüllt damit ihre Identität. Das erste "black cover" der Vogue zeigt keine afroamerikanische Frau, sondern beschränkt sich auf eine klägliche Prise Exotik.

Das ist mehr als 50 Jahre her, und immerhin sehen heute schwarze Männer oder Frauen auf Magazinen oder in Modestrecken auch schwarz aus. So sarkastisch es klingt, so etwas als Erfolg zu verbuchen: Es ist eine Tatsache, dass die Mode, die ihre eigene Schnelllebigkeit gern feiert und zuletzt permanent steigert, in manchen Dingen sehr langsam ist. Und dass sie sich bei aller Kreativität schwertut mit dem Abweichen von Normen, wenn es um die Normen ihres Systems geht. Allen voran die eiserne Casting-Formel groß, dünn und weiß: Das ist seit Generationen geltendes Richtmaß für den Zutritt zum Laufsteg, nach dem bei allen wichtigen Schauen die überwiegende Mehrheit der Models ausgesucht wird. Dasselbe gilt für die lukrativen Shootings großer Firmen. Den Kuchen teilen hier diejenigen unter sich auf, die eine bestimmten Hautfarbe, Statur und Gewichtsklasse vorweisen können.

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Doch nun ist "diversity" das Wort der Stunde. Magazine, Blogs, kulturgeschichtliche Essays widmen sich eifrig der neuen Vielfalt an Menschentypen bei den Schauen, auf Modefotos. Der Hype um die Verschiedenheit kann einem manchmal schon angestrengt vorkommen oder, je nach Sichtweise, naiv. Wie bitte, hat bisher niemand bemerkt, dass in der echten Welt die Leute unterschiedlich aussehen? Muss eine Runway-Liste für die New York Fashion Week wirklich ein beflissenes Postscriptum nachschieben, man habe bei Designer XY ein Transgender-Mannequin zu erwähnen versäumt? Tatsache ist jedenfalls: Models, die eher rundlich sind, transsexuell oder dunkelhäutig, erhalten so viel Aufmerksamkeit wie nie zuvor. Das ist eine gute Entwicklung, weil die Modeszene entgegen ihrem weltoffenen Selbstbild in manchen Bereichen unzeitgemäß hermetisch ist. Ob mehr dahintersteckt als ein bald verpuffter Trend, ist eine andere Frage.

Der Condé-Nast-Verlag und Gucci, zwei Schwergewichte der Branche, sind gerade auf den Zug aufgesprungen. Edward Enninful wurde kurz vor Ostern als neuer Chefredakteur der britischen Vogue berufen - das ist eine richtungsweisende Entscheidung. Der gebürtige Ghanaer, seit 30 Jahren im Modegeschäft und ebenso lang im Einsatz für mehr Vielfalt in der weißgewaschenen Glitzerwelt, entwarf 2008 das legendäre "Black Issue" mit: ein Sonderheft der italienischen Schwester-Vogue mit schwarzen Models. Und vor einer Woche kam Gucci mit seiner ersten "All black"-Kampagne heraus, in der Szene unter anschwellendem Geraune erwartet. Die Werbestrecke inszeniert die Herbst-Entwürfe des italienischen Labels, unter Designer Alessandro Michele im Dauerhöhenflug und einflussreich wie kaum ein anderes, als Sixties-Party. Gecastet wurden ausschließlich farbige Protagonisten.

Kommt jetzt der Durchbruch, die Wende, die schwarze Kulturrevolution in der Mode? Das ist der Tenor in einigen Kommentaren und Analysen, und es ist ja auch richtig und verständlich, dass sich gegenseitig auf die Schulter geklopft wird. "Ein historischer Moment", sagt Naomi Campbell über die Ernennung Enninfuls. Die Amerikanerin Sara Ziff, mit ihrer Organisation Model Alliance eine strenge Wächterin über Ungleichbehandlung und Schlankheitswahn im Modebusiness, spricht von "wichtigen Schritten". Immerhin vermeldete der "Diversity-Report", den das Online-Forum The Fashion Spot seit zweieinhalb Jahren veröffentlicht, für die Schauen im Frühjahr eine Höchstmarke von 27,9 Prozent an schwarzen oder anderen sogenannten Minderheiten-Models. Das ist ein Erfolg, "diversity is on the rise", lobt die New York Times. Man braucht die Zahlen aber nur umzudrehen, um ernüchtert zu sein. Sieben von zehn Mädchen auf dem Laufsteg sind immer noch weiß.

Auch bei der Debatte um Diversität geht es um viel Geld

Doch den Druck auf die Modemarken durch die Berichterstattung von Internet-Newsdiensten wie "The Business of Fashion" sollte man nicht unterschätzen. Jedes Label wird nach der Show auf die abgelieferte Variationsbreite überprüft. In New York bekam im Februar die sonst stets umschwärmte Präsentation von "The Row" einen Dämpfer (drittschlechtester Platz). Ganz vorne dabei: Marc Jacobs, der nicht nur mit farbigen Mädchen, sondern auch mit einer modischen Hommage an die frühe Hip-Hop-Ära aufwartete. Vielseitigkeitstest bestanden.

Natürlich geht es, wie immer in der Mode, bei der Debatte um Diversität am Ende um viel Geld. Die neue arabische Ausgabe der Vogue, die Karriere des Kopftuch-Models Halima Aden hängt mit der enormen Kaufkraft der Golfstaaten zusammen. Und mit schwarzen Models spricht eine Luxusmarke nicht nur die gebildete, begüterte Schicht der "Afropolitans" als Kunden an und die schmale Schicht der Superreichen in Nigeria oder Südafrika. Sondern praktischerweise alle modeaffinen Menschen, die ihre eigene Aufgeschlossenheit gerne in der Art wiederfinden möchten, wie ihr Lieblingslabel sich verkauft.

Und es geht, so pathetisch das klingen mag, um Träume. Die Welt der Mode hat ja immer noch die Strahlkraft eines Zauberreichs, in dem Geld, Ruhm und Glücklichsein ganz nahe beieinander zu liegen scheinen. Dass die Pforte jetzt dank Edward Enninful und Gucci für die Benachteiligten aufgestoßen werden könnte, für Menschen aus Slums in Afrika oder Puerto Rico, aus Problemvierteln in Chicago - das dürfte einige Hoffnungen wecken.

Einer, der seinem Traum schon ein gutes Stück näher gekommen ist, ist Alton Mason, 20 Jahre, Amerikaner, schwarz. Er arbeitet seit einem Jahr als Model, ist für Libertine und Kenzo gelaufen - und einer der Glückspilze, die einen Part in der All-black-Gucci-Sause ergattert haben. Medienwirksamer als mit dieser Kampagne kann man seine Karriere derzeit nicht in Gang bringen.

Tanzende Jugendliche in Sportswear und Discolook, mehr schräg als bildschön

Selbst durch das Telefon meint man beim kurzen Interview ein breites Strahlen herauszuhören. "Irgendwie kann ich es noch nicht glauben, dass ich dabei war", sagt Alton. "Das war ein historisches Shooting." Und ja, die oft angeprangerten Erfahrungen mit Ausgrenzung habe er immer wieder gemacht. "No afros" sei schon auf Anmeldebögen zu Castings vermerkt gewesen. "Ich glaube daran, dass sich jetzt etwas ändert." Sollte dem so sein, es wäre eine Rückkehr zu offeneren Zeiten. Das Paris der Zwanziger huldigte in einer Welle der "négrophilie" Josephine Baker. Und während der Hippie- und Bürgerrechtsbewegung wurde die Somalierin Iman ein Superstar der Mode.

Die allenthalben gefeierte Fotostrecke, ein Gucci-Coup ganz nach dem Geschmack des Mutterkonzerns Kering, zeigt ein gut gelauntes Retro-Szenario: tanzende Jugendliche in Sportswear und Discolook, mehr schräg als bildschön. Die Bilder brechen Stereotype wie das von der dunkelhäutigen Frau als wilder Kreatur, ein Klischee, dem auch Naomi Campbell als schwarze Ikone nie ganz entkam. Doch es gab auch Kritik, die von Harmlosigkeit reicht bis zu dem Vorwurf, hier werde die schwarze Kultur ausgebeutet. Man kann es aber auch sehen wie Alton Mason. Ihm gefällt der Rückgriff auf die Soul-Ästhetik der Sechziger. "Schwarze haben schon immer diesen riesigen Einfluss auf die Popkultur. Durch die Fotos wird das Menschen vor Augen geführt, die sich nie mit dem Thema beschäftigen würden."

Mit etwas weniger jugendlichem Enthusiasmus (und artiger Loyalität) geht es Igor Suran um dieselbe Botschaft. Suran ist Geschäftsführer der international tätigen Organisation Parks, die sich in Kooperation mit Konzernen wie IBM oder der Banca d'Italia für die Gleichstellung von Menschen im Firmenalltag engagiert, unabhängig von Religion oder Hautfarbe. Nun haben sie in Gucci einen großen Namen aus dem Luxussektor an Land gezogen. "Die Mode versteht sich als Inbegriff von Wandel", sagt Suran. "Sie kann jetzt ein Vorbild für gesellschaftliche Veränderungen werden." Mit anderen Worten: ein bisschen Exotik, das ist im Jahr 2017 zu wenig.

© SZ vom 22.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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