Es ist eindrucksvoll. Ganz Europa erlebt einen schönen Spätsommertag, nur über der Region Newcastle stehen dunkle Wolken. Darunter sorgen Regen und 12 Grad für einen Spruch, den in Folge jeder bringen wird, vom Taxifahrer bis zur Chefin: Wegen diesem Wetter machen wir Wachsjacken. Noch Fragen?
Eigentlich nicht. Denn die Barbourjacke ist ein Klassiker, zu dem schon viele Klischees kursieren. Juristen, neureiche Gutsbesitzer, Jäger, höhere Töchter tragen sie demnach neu, verarmte Adelige, Hamburger Rockmusiker, urbane Bohemiens schätzen sie erst, wenn sie abgewetzt und ausgeblichen sind. Als vor zwanzig Jahren Christian Krachts Roman "Faserland" zum Bestseller wurde, spielten in der folgenden Schnöseldebatte die Barbourjackenträger eine tragende Rolle, und wenn man das alles der Vorarbeiterin Donna in der Halle voller Nähmaschinen im Städtchen South Shields erzählt, versteht sie kein Wort.
Denn in ihrer Heimat ist die Jacke mit dem charakteristischen Cordkragen und den großen, aufgesetzten Taschen längst jenseits aller Klischees angekommen. "Wenn man in Großbritannien einen alten Schrank ausräumt, ist wahrscheinlich eine Barbourjacke drin", sagt Donna und macht dann jenen elementaren Arbeitsschritt vor, der zu Wachsjacken gehört: Dem Erneuern der Wachsschicht, das so eine Jacke nach zwei englischen Sommern nötig hat. "Man kann es selbst machen, dann aber über der Badewanne und mit Rückenschmerzen", kommentiert Donna skeptisch einen Vorgang, zu dem etliche Kilometer Interneteinträge existieren.
Das erste Stammhaus in South Shields.
(Foto: Barbour)Die erste Zielgruppe waren Fischer und Seeleute
Oder man gibt seine Jacke zum Wachsen zu Barbour, wo pro Jahr 25 000 alte Jacken geflickt, geändert oder eben wieder abgedichtet werden - ein für die Textilbranche recht unüblicher Service. Donna also braucht für diese "sehr durstige" Jacke zwölf Minuten, aber trotz ihrer Wachsroutine und dem beheizten Spezialtisch sieht es nach harter Arbeit aus, bis jeder Zentimeter in Wachs getränkt und mit einem Schwamm abgezogen worden ist.
Stolz zeigt Donna die neuerlich dunkelgrüne Klamotte und ihre glänzenden Hände. "Wer hier arbeitet braucht sein ganzes Leben keine Handcreme mehr", sagt sie und die Frauen an den Industrienähmaschinen lachen so einstimmig, wie sie vorher Robbie Williams im Radio mitgesungen haben. 3000 Jacken nähen sie pro Woche, ein Stück "made in England" in einer Gegend, die vom Strukturwandel der vergangenen hundert Jahre gezeichnet ist. Pullover und Hemden der Barbourkollektionen hingegen kommen aus der ganzen Welt.
Produziert werden die klassischen Modelle wie "Beaufort" und "Bedale" an dem Ort, an dem sich der Schotte John Barbour Ende des 19. Jahrhunderts niederließ. In einer Zeit, in der das Wort atmungsaktiv noch nicht erfunden war und man bei Regen nass wurde, hatte er den Ehrgeiz, wasserdichte Kleidung anzubieten. Seine Zielgruppe damals hatte mit Landadel und höheren Töchtern nichts zu tun. Stattdessen waren Fischer und Seeleute seine Kunden, die von South Shields ausliefen, außerdem all jene, die draußen arbeiten mussten - Chauffeure, Kutscher, Portiers, Boten.
Für sie ließ Barbour einfache, schwere Mäntel nähen, deren Wolle so dick mit Wachs getränkt war dass sie beinahe alleine stehen konnten. Im Firmenarchiv zeugen eindrucksvoll gealterte Ungetüme hinter Glas von der Frühzeit der Funktionsmode.