Lady Gaga ist, nun ja, sehr vieles. Schauspielerin seit neuestem, Musikerin, Mode-Ikone sowieso, eine der Gastgeberinnen der diesjährigen Met-Gala und: der Inbegriff von Wandelbarkeit. Die Inszenierung ihrer Garderobe auf dem roten Teppich bei der Met-Gala hat dies eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Gemäß des Mottos "Camp: Notes of Fashion" präsentierte sie eine Aufführung in vier Akten: Schwarz I, Fuchsia I, Schwarz II, Fuchsia II - mit mehreren Nebendarstellern. Einer davon: der Designer Brandon Maxwell (nicht im Bild), der alle Hände voll damit zu tun hatte, Gaga beim Umziehen, respektive Ausziehen, der von ihm entworfenen Looks behilflich zu sein.
Am Ende der Gaga-Zwiebel-Choreographie räkelte sich, schritt und posierte Lady Gaga schließlich in Dessous, Netzstrumpfhose und Plateau-Lackstiefeln vor den Kameras. Es war der krönende Abschluss einer 16-minütigen Okkupation des roten Teppichs und zugleich der Show-Höhepunkt des Abends - aber nicht der einzige spektakuläre Auftritt.
Katy Perrys Kleid etwa illuminierte den roten Teppich im Wortsinn. Gekonnt versteckte sie den Akku für die Lampen ihres Lüster-Mini-Kleids, das demnach ohne echte Kerzen auskommen musste. Der passende Kronleuchterhut bedurfte eines geradezu yogahaften inneren Gleichgewichts. Die Einnahmen der Benefiz-Veranstaltung gehen an das Kostüm-Institut des Metropolitan Museums of Art. Unter der Schirmherrschaft von "Vogue"-Chefin Anna Wintour werden jedes Jahr Millionen gesammelt, die dann das Jahresbudget der "Mode-Abteilung" des Museums bilden.
Ganz der Galante, ließ Kanye West seiner Ehefrau Kim Kardashian den Glamour-Vortritt. Er kam eher leger, wie häufig. Kims Outfit kann man insofern als keineswegs ungewöhnlich bezeichnen, als man einiges von ihr gewohnt ist. Diesmal also ein Photoshopkunstwerk aus Fleisch, Blut und Stoff von Thierry Mugler. Angeblich soll der Designer für die Wet-Look-Kreation eigens den Ruhestand unterbrochen haben. Acht Monate hätten er und Kardashian an dem Kleid gebastelt, heißt es.
Rapperin Cardi B. zog in ihrem Kleid von Thom Brown eine majestätisch wallende Schleppe hinter sich her, bekränzt von angeblich mehr als 30 000 Hahnenfedern. 35 Menschen sollen den Dress zusammengenäht haben, insgesamt stecken 2000 Stunden Arbeit in der Kreation. Wie viele Vögel Federn lassen mussten, darf jeder selber ausrechnen.
Geradezu dezent wirkte das brasilianische Model Gisele Bündchen in ihrer mattrosafarbenen Plissee-Robe. Begleitet wurde sie von ihrem Ehemann (nicht im Bild), dem ebenfalls makellos wirkenden Football-Spieler Tom Brady. Der kam im rot-schillernden Samt-Smoking.
Wie bei Walt Disney: Schauspielerin Zendaya und TV-Stylist Law Roach laufen über den rosa Teppich, auf dem zuvor Cardi B's Robe Federn gelassen hat. Auch sie schillerte, wie eine Eiskönigin, er gab eine Mischung aus Messdiener, Stiefmutter und Magier mit rauchendem Stabfeuerzeug, der wohl den Zauberstab ersetzen sollte.
Sängerin Celine Dion gab den anwesenden Journalisten zu Protokoll, sie habe das Motto der diesjährigen Gala zunächst gar nicht verstanden: "Camp: Notes on Fashion" ("Affektiert: Bemerkungen zu Mode"). Das Wortspiel beschreibt keineswegs ein Trainingslager für Mode, sondern bezieht sich auf den Titel eines berühmten Essays der Philosophin Susan Sontag. Dabei geht es um Mode zwischen Facettenreichtum, Affekt, Zierde und Kitsch, umschrieben in eben jenem Begriff "Camp". Gut getroffen, Frau Dion.
Offenbar hat das Motto viele Gäste in besonderem Maße dazu angespornt, ihre Kostüme noch extravaganter zu wählen als ohnehin üblich. Bei Ezra Miller stand weniger sein mit Klunkern besetzter, stark taillierter Anzug, sondern sein Make-Up im Vordergrund. Der US-Schauspieler, der in der Öffentlichkeit schon häufiger zugab, Joints zu rauchen, zeigte sich in einer Maske, die sein eigenes Gesicht darstellt - allerdings mit einer Vielzahl Augen, die den Betrachter schwindlig werden lassen. Oder eine Vorstellung davon vermitteln, wie Miller sich nach intensivem Graskonsum selbst im Spiegel sieht.
Eine ganz ähnliche Idee hatte auch Jared Leto. Der Musiker (Thirty Seconds to Mars) und Schauspieler ("Suicide Squad") trug ein Abbild seiner selbst mit sich herum. Womöglich eine Anspielung auf Shakespeares Hamlet und die Frage: "Modisch sein oder nicht modisch sein?" - nur dass er seinen eigenen Kopf offenbar hübscher fand als einen Totenschädel ...
Schauspielerin und Model Cara Delevigne entschied sich für ein quergestreiftes Plastik-Minikleid mit Zepter, das zumindest entfernt an einen Duschvorhang erinnert. Warum sie auf dem Haupt Gebisse, Augäpfel und Bananen trug, bleibt ihr Geheimnis.
Schauspielerin Hailee Steinfelds präsentierte Viktor & Rolf's neue Kollektion und bestach in einem plakativ ironischen, farbgestuften Meme-Kleid (mit passendem Accessoire, na klar).
Entertainer Billy Porter ließ sich, ganz in Gold gehüllt, auf einer Sänfte von sechs halbnackten Adonis-gleichen Gestalten hereintragen. Die Teppe hinauf zum Saal bezwang er aus eigener Kraft. Und die war gefragt.
Im Liegen bloß ein Cape, verwandelte Porter seinen Umhang in Schwingen. Die trugen ihn die Stufen hinauf (dürften aber auch einiges gewogen haben) vor das Mikrofon einer Vogue-Reporterin. Auf ihre Frage, ob er sein viel gerühmtes Oscar-Outfit (Kleid-Smoking-Kombination) versucht habe zu toppen, erwiderte Porter, er habe bloß dem Begriff "Camp" huldigen wollen. Dieser sei viel zu lange "prejorativ" verwendet worden. Durch die Met-Gala erfahre dieser eine längst überfällige Aufwertung, jubelte Porter. Im O-Ton: "Katschaa! Kapääm! Schahuu!"