Mode:Aufsteiger

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Mode mit Haltung: Ein Entwurf aus Thebe Magugus Männerkollektion, mit der er bei der Messe Pitti Uomo debütierte. (Foto: Thebe Magugu)

Thebe Magugu ist eine Ausnahmeerscheinung im Modezirkus, weil er als südafrikanischer Designer auch in Europa Erfolg hat. Seine Mode ist schrill und selbstbewusst - und so aufregend wie die Geschichte seines Landes.

Von Anne Goebel

Der Designer Thebe Magugu sitzt zuhause in seinem Apartment vor dem Notebook, strahlend weiße Schränke im Hintergrund, er trägt einen karamellfarbenen Blouson. 12 750 Kilometer zwischen München und Johannesburg, glasklares Zoom-Bild auf dem Rechner. "Mir geht's gut", sagt er. "Ich bin sicher und gut aufgehoben in meiner Wohnung." Safe and protected in Südafrika, wo gerade die schlimmsten Unruhen seit Jahrzehnten zu Ende gegangen sind - das klingt erst mal nach entrücktem Modemenschen-Dasein, keine Ahnung von der Welt draußen. Aber realitätsfern? Gerade für ihn gilt das eben nicht. Magugu erteilte den Europäern kürzlich eine hübsche Lektion, wie etwas aussehen kann, von dem die meisten hier nur reden: Mode, die Stellung bezieht.

Als Jubiläumsgast auf der Männermodemesse Pitti Uomo hat sich der Newcomer Thebe Magugu Ende Juni einem breiten Publikum vorgestellt. Es war die 100. Ausgabe der Pitti, die Delta-Variante noch ein scheinbar weit entferntes Grollen wie bei harmlosen Sommergewittern. Endlich wieder ein bisschen leggerezza und Aperitif-Laune auf den Straßen und in den Gärten von Florenz anlässlich des Branchentreffens, das schon immer als der etwas leichtfüßigere kleine Bruder der Mailänder Modewoche galt. Dandys unter Renaissance-Arkaden, Männer im Kurze-Hosen-Anzug am Arnoufer, "es war eine Freude, endlich wieder ein bisschen Fashion-Week-Gefühl zu spüren", sagt Magugu über seine Premiere in Florenz.

Wobei zu diesem Gefühl die punktuelle Erregtheit unbedingt dazugehört, das Hast-du-das-gestern-Abend-gesehen-Raunen. Diesmal galt es ihm, Thebe Magugu, 27 Jahre alt, geboren in der ausgeweideten Minenstadt Kimberley am Rand der südafrikanischen Provinz Nordkap. In der toskanischen Fortezza da Basso zeigte er perfekt geschnittene Trenchcoats mit blutroten Handabdrücken. Prints mit verzerrten Gesichtern, Motive eines berühmten Karikaturisten aus seinem Heimatland. Das Thema? "Korruption", sagt Magugu mit freundlichem Lächeln, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt.

Die Entwürfe nehmen traditionelle Rollenbilder auseinander

Eleganz plus Brisanz, eine Polit-Mode-Performance, das schlug ein in Florenz. Der engagierte Jungdesigner aus Südafrika ist jetzt also kein Unbekannter mehr in der Modewelt, wobei er das unter Eingeweihten schon lange nicht mehr war. 2016, nach dem Design- und Fotografie-Studium in Johannesburg, das ihm seine Familie durch finanzielle Unterstützung ermöglicht, gründet er sein eigenes Label in Johannesburg. Aus dem Traum, an das Central Saint Martins College in London zu gehen, wurde nichts. "Das hätten wir uns niemals leisten können", sagt er. Aber auch so fallen seine Entwürfe von Anfang an auf. Weil sie einerseits mit jeder Saison lauter, schrill und selbstbewusst werden, gleichzeitig mit raffinierten Schnitten sehr subtil traditionelle Rollenbilder auseinandernehmen. Bei Magugu wirkt die Rüschenbluse aufsässig, das Hochgeschlossene für daheim ist auf den zweiten Blick doch nicht so brav, sondern aus irritierendem Neopren. "Home Economics" hieß diese Kollektion von 2018, ein ironischer Kommentar auf das streng konservative Familienmodell seines Landes.

Steile Karriere: Der junge Designer Thebe Magugu aus Südafrika. (Foto: Aart Verrips)

"Ich bin mit drei Generationen starker Frauen aufgewachsen", erzählt Magugu im Zoom-Call. "Meine Mode ist eine Hommage an unabhängige, eigenständige power women." Der Onlinestore Matchesfashion.com hat den Designer aus Südafrika im Programm, etwa einen tintenschwarzen Ankle Boot mit dem ironischen Namen "Sunday Best". Trapez-Absatz, gefährlich spitz, mit dem Sisterhood-Logo zweier Frauen, die sich an den Händen fassen - nicht unbedingt das, was einem konventionellen Familienvater als Sonntags-Schuhwerk für die Gattin vorschwebt. Kostenpunkt: rasante 999 Euro, Magugu ist längst im Luxussegment zuhause, nicht nur im wohlhabenden Norden. Afrikas superreiche Kundschaft schätzt spannende Kreative aus dem eigenen Kontinent.

Dass Thebe Magugu, dessen jungenhaftes Lächeln eher an einen Studenten erinnert und nicht an einen selbständigen Unternehmer, in Florenz jetzt seine erste Männerkollektion vorstellen konnte, kam natürlich beiden Seiten zugute. Ihm gab es die Möglichkeit, die lukrative Menswear-Sparte zu bedienen - sich breit aufzustellen, damit kann ein aufgehender Stern am Modehimmel ja gar nicht früh genug anfangen. "Figure montante de la scène mode", Mode-Aufsteiger, das schrieb vor einem halben Jahr die französische Presse über ihn, als Magugu durch das legendäre Warenhaus Le Bon Marché an der Paris Rive Gauche einen Vorhang handgefertigter Textilblüten wehen ließ. Handgefertigt in seiner Heimat Südafrika natürlich, von einem Projekt zur Unterstützung benachteiligter Frauen.

Afrikanische Mode? Schon der Begriff steckt voller Klischees

Für die Pitti bedeutete die Förderung eines frischen Talents - vor zwei Jahren gewann Magugu mit dem LVMH-Preis eine der angesehensten Auszeichnungen der Modebranche - ein medienwirksames Zeichen, auch in Richtung Verjüngung. In Zeiten weiter unsicherer Veranstaltungskalender durch die Corona-Krise müssen selbst namhafte Messen durchaus etwas dafür tun, dass die Klientel auch anreist, der lästigen Maskenpflicht oder verlangter Impfpapiere zum Trotz. Ein schwarzer Designer aus einem afrikanischen Land ist immer noch die absolute Ausnahme im arrivierten Modebetrieb. Und seine Einladung als "Special Guest" ein Signal an die Branche, mit der selbst attestierten Aufgeschlossenheit ernster zu machen und bewusst mehr Newcomer aus dem sogenannten globalen Süden zu protegieren.

Mode für starke Frauen: Magugus Kollektion für diesen Herbst heißt "Alchemy" und dreht sich um Spiritualität. (Foto: Kristin Lww Moolman/Thebe Magugu/Kristin Lww Moolman/Thebe Magugu)

Was ja auch bedeutet, die eigenen Vorstellungen zu korrigieren: Wie sieht eigentlich typisch afrikanische Mode aus? Sicher nicht so wie die von Thebe Magugu, aus dem Grund natürlich, dass es sie gar nicht gibt. Das Klischee von fröhlich bunten Stoffen, Turbanen und gekurvter Silhouette ist ein ermüdenderweise bis heute reproduziertes Stereotyp des westlichen Blicks. Für Magugu geht es in seiner Arbeit zum einen um die handwerkliche Kunst der Tswana, ein Stamm, aus dem ein Zweig seiner Familie stammt. Sie inspiriere ihn zu Stickereien, Flechttechniken, besonderen Färbemethoden. "Ich liebe es, wenn Dinge mit der Hand gemacht werden, mit Sorgfalt und Wissen. Ich lerne mit jedem einzelnen Stück dazu", sagt er. "Auch über meine eigene Herkunft."

Den Sotho hingegen verdanke er einen Hang zum Geschichtenerzählen, und er erzähle eben am liebsten Geschichten durch Kleidung. "Für mich sind Bücher und Mode tatsächlich zwei sehr ähnliche Dinge", erklärt Magugu. "Beide lassen sich lesen, man drückt damit etwas über sich selbst aus oder kommentiert die Welt, in der wir leben." So sehr Storytelling ein abgenutzter Begriff ist, der jedes banale Motto-T-Shirt mit angeblicher Gedankentiefe auflädt. Wenn Mode mit soziologischem Querverweis aussieht wie Magugus großartiges Kleid samt Überwurf aus der neuen Herbstkollektion, die spielerische Variante einer Medizinmann-Kluft, imposant, federnbesetzt und dezidiert weiblich: Dann unbedingt mehr davon!

Für seine bunten Prints verwendet er politische Karikaturen

"Afrika geht voran, es emanzipiert sich", sagt der 27-Jährige. "Bücher, Kunst, Design, Mode, all das machen wir für uns selbst, nicht für andere." Die Beschäftigung mit seinem Heimatland ist zwiespältig, es ist die wichtigste Inspirationsquelle, aber Magugu legt auch den Finger auf Wunden. Manchmal sind die Verbindungen zur Wirklichkeit heftiger, als es ihm lieb ist. Korruption, das Thema der Männer-Schau in Florenz, fand seine drastische Entsprechung in Südafrikas jüngsten Gewaltausbrüchen, bei denen es auch um entsprechende Vorwürfe gegen den inhaftierten Ex-Präsidenten Jacob Zuma ging.

Auf der Pitti hat Magugu seine Kollektion in Form von Bühnenszenen auf einem fiktiven Polizeirevier präsentiert, mit undurchsichtigen Gestalten, Schikane, Lethargie in einem Wartesaal. Ausgerechnet das in weiten Teilen Afrikas heikle Problemthema der Vetternwirtschaft spart er nicht aus, sondern stellt es grell zur Schau - mit dem Effekt, dass es allgemeingültig wirkt. Die Szenen könnten in jedem Land der Welt spielen, und so sind sie auch gemeint. "Ich denke, Korruption existiert überall auf der Welt", sagt er.

Richtig gut angezogen sind die Protagonisten allerdings nur bei Magugu. Westernstiefel, Overalls, gemusterte Parkas, feine Hüte - und als Print blitzen immer wieder Federstriche von Zapiro auf, dem legendären Karikaturisten, der seine Karriere als Anti-Apartheit-Aktivist begann. So lässig kann es aussehen, eine Haltung zu haben.

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