Die Grüne trägt Grünblau. Einen grünblauen Blazer, schwarze Hose, weiße Bluse, wie immer. Renate Künast, 57, hat sich nicht lange bitten lassen, die Ethical Fashion Show in Berlin zu eröffnen, die Messe für nachhaltige Mode. Sie ist wie selten unter Gleichgesinnten. "Das hier ist eine Gegenbewegung zur Massenware", sagt die Bundesfraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Berlin. Slow Fashion statt Fast Fashion. "Die grüne Tasche da, die ist doch wie für mich gemacht", sagt Künast und wendet sich dem Stand des deutschen Lederwarenherstellers Harold's zu. "Das hier zeigt doch, dass gute Mode auch chic und cool ist . . .dass eine andere Welt mit einem anderen Konsum möglich ist", sagt Künast. Aber es bedürfe eines Standards wie dem Textilsiegel GOTS, an dem sich Verbraucher orientieren könnten und für den sich die Politik stark mache. "Mein Traum ist der informierte Verbraucher", schwärmt sie.
Nur 3,7 Prozent der Kleidung ist öko
Der Mainstream ist immer noch Fast Fashion. Das öffentliche Getöse, das nach jeder Katastrophe in Asien anschwillt und mehr oder weniger schnell wieder nachlässt, ist wesentlich größer als die Nachfrage nach Bekleidung, die ökologisch und sozialverträglich hergestellt wurde. Etwa 44 Milliarden Euro geben die Deutschen nach Angaben des Marktforschungsunternehmens GfK jährlich für Bekleidung, Schuhe, Haus- und Heimtextilien aus. Nur 3,7 Prozent davon tragen ein Ökolabel, heißt es in einer Studie über umwelt- und sozialverträgliche Kleidung - Socialwear. Der Anteil sei in den vergangenen drei Jahren stabil gewesen, sagt GfK-Expertin Petra Dillemuth. Sie glaubt nicht, dass der Anteil von Socialwear mittelfristig stark steigen werde: "Weit wichtigere Aspekte beim Kauf sind Gefallen und Passform."
"Mode und Nachhaltigkeit sind ein Oxymoron", sagt Magdalena Schaffrin, Modedesignerin und Mitgründerin der auf gehobene nachhaltige Mode spezialisierten Messe Greenshowroom. Ein Widerspruch also. Eine Bilanz der ökologischen und sozialen Kosten und Nutzen falle in der Mode immer negativ aus. Schon vor dem Konsum entsteht jede Menge Müll, etwa Abfälle beim Zuschnitt oder Teile, die nicht verkauft werden können. Und nach dem Konsum noch mehr, weil Schuhe und Klamotten meist im Müll landen anstatt wiederverwertet oder gar aufgewertet zu werden. "Upcyceln" nennen das die Modeleute, die den textilen Abfall verarbeiten.
Reste als Anfang
Das finnische Label Globe Hope verarbeitet beispielsweise Reste von Militärbekleidung. Die estnische Designerin Reet Aus zeigt in Berlin ihre erste, mit dem Konzern Beximco aus Bangladesch entwickelte Kollektion. Das Familienunternehmen sei der größte Hersteller von Stoff und Bekleidung des Landes mit 40 000 Beschäftigten allein in dieser Sparte, sagt Manager Shaikh Khalid Raihan. Er drückt Künast die Visitenkarte und eine Firmenbroschüre in die Hand. Da steht auch eine Marktanalyse drin.
Der weltweite Markt für Mode haben ein Volumen von 600 Milliarden Dollar und werde bis 2015 auf 800 Milliarden Dollar zulegen. In den nächsten Jahren will Beximco allein die Produktion von Bekleidung von 60 Millionen auf 145 Millionen Teile steigern. In der Broschüre stehen auch die Namen der Abnehmer: s.Oliver, Zara, JC Penny und viele andere. Viel Mode, viel Abfall: zehn bis 15 Prozent je nach Produkt. In einzelnen Fällen könne der Anteil bis zu 45 Prozent betragen, sagt Shaikh. Für die Kollektion mit Reet Aus werden die Reste verwendet. Ein Anfang.