Kolumne "Eigener Herd":Er läuft nicht immer rund

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(Foto: N/A)

Im Oktober kommt man am Kürbis nirgends vorbei. Auch wenn sein Ruf darunter leidet , dass es so viele schlechte Rezepte gibt. Doch wenn man ein paar Regeln beherzigt, muss er weder muffig noch langweilig schmecken.

Von Marten Rolff

Der Kolumnist Max Goldt hat den Geschmack von Kürbis vor sehr vielen Jahren einmal mit dem Geruch einer ungelüfteten Umkleidekabine verglichen. Das war auf eine sehr lustige Weise ignorant. Als Quelle der Erheiterung ist die Ignoranz ja stark in Verruf geraten, was vor allem dann schade ist, wenn man sie so elegant zu platzieren weiß wie Goldt. Aber natürlich war es auch ein wenig grob. Und angesichts Goldts damaliger Reichweite und Popularität dürfte es dem Kürbis nachhaltig geschadet haben. Schon deshalb, weil man zugeben muss, dass Goldt mit diesem Vergleich auch den Finger in eine Wunde gelegt hatte.

Schließlich werden bei kaum einem anderen Gemüse so oft die falschen Prioritäten gesetzt (ja, botanisch korrekt ist der Kürbis eine gigantische Beerenfrucht, aber weil sich das zu Recht keiner merken kann, geht auch Gemüse in Ordnung). So züchtet man den Kürbis für Leistungsschauen und Rekordversuche riesengroß, obwohl er dann oft nicht mehr schmeckt. Oder man höhlt ihn zur Fratze aus, um so auf einer Party Leute zu erschrecken und sie dazu zu bringen, mit billigen Süßigkeiten um sich zu werfen. Darüber hinaus ist die Zahl zweifelhafter Rezepte beim Kürbis tatsächlich ungewöhnlich hoch.

Kürbis mit Keks und Parmesan und andere kulinarische Verbrechen

Als besonderes kulinarisches Verbrechen darf ein italienisch inspirierter Auflauf gelten, für den Kürbiswürfel auf zerbröselte Amarettini-Kekse gebettet und dann mit einer fetten Schicht Parmesan überbacken werden. Diese Mischung aus süßlichem Mus, Bittermandelöl und schwitzig-verbranntem Käse-Umami kommt dem Aroma einer Umkleidekabine beachtlich nahe. Ein Freund präsentierte dieses Rezept einmal mit stolzer Begeisterung. Und wie jeder Küchennerd gefalle ich mir natürlich in der Illusion, bei Tisch vollkommen offen und unkompliziert zu sein. Doch beim Verzehr dieses Auflaufs war ich dann ganz froh, dass auch andere Gäste Mühe hatten, ihre Gesichtszüge so zu kontrollieren, wie es die Höflichkeit bei einer Essenseinladung eigentlich erfordern würde.

Dabei könnte die Kombination dieser Zutaten toll schmecken, wenn man sie richtig dosierte. Wenn man zum Beispiel äußerst sparsam mit den Amarettini umgeht, alles mit kreidigem Ricotta abfedert und/oder mit Salbei bereichert und Nudeln damit füllt. Überhaupt sind die Italiener bewundernswert versiert im Umgang mit dieser süßlichen, bräsigen Monsterfrucht. Wäre die Herbstferienplanung nicht gerade wieder traurig kompliziert, man würde eine Reise nach Mantua empfehlen. Eine sehenswerte Stadt in der Lombardei, die sogar eine eigene Kürbissorte hat - die delikate "Zucca Mantovana". Im Oktober dreht sich in Mantua alles um den Kürbis. Und egal ob Kürbis-Bier, -Ravioli, -Suppe, -Salat oder -Risotto - alles schmeckt. Ja, man glaubt es kaum, aber die Mantuaner wissen sich tatsächlich ganz ohne Fratzenlaternen mit dem Kürbis zu amüsieren.

Immer leicht macht er es einem allerdings nicht. Roh schmecken so gut wie alle Kürbissorten fad. Man darf deshalb mit Gewürzen und Marinaden nicht schüchtern sein (Schärfe, Salz, Knoblauch und Kreuzkümmel funktionieren gut!). Und auch rösten ist immer eine gute Idee. Zum Beispiel kurz in der Pfanne, als kleine Würfel mit Olivenöl, Thymian, fein gehacktem Knoblauch, Salz, Pfeffer und etwas Abrieb einer unbehandelten Zitrone (Anette Dieng & Ingela Persson, "Junges Gemüse"). Oder als Ofengemüse nach Yotam Ottolenghi, das eine so einfache wie echte Freude ist.

Säure verträgt Kürbis natürlich auch, aber sollte man dann lieber ein kleines Gegengewicht ins Rezept einbauen. In Suppen ist zum Beispiel die Kombination mit Apfel oder Orange beliebt, was aber bei nachlässigem Würzen schnell an pürierte Limonade erinnern kann. Etwas Chili(-öl) macht diese allzu runde Sache gleich aufregender.

Als Tatar zu überbackenen Ofenkartoffeln ist Kürbis richtig fein

Ein filigranes, etwas aufwendigeres, aber trotzdem nicht schwieriges Rezept kommt vom Wiener Sternekoch Paul Ivić ("Vegetarische Winterküche"), der süßsäuerliches Kürbistatar mit Kartoffeln und Bergkäse kombiniert. Zuerst vier große mehlig kochende Kartoffeln (gern mit Schale) mit Walnussöl bestreichen, salzen, pfeffern und je mit einem Zweig Zitronenthymian fest in Alufolie verpacken. Dann im Ofen je nach Größe 60-90 Minuten bei 180 Grad sehr weich garen. Für das Tatar 180 g Hokkaido-Kürbisfleisch in sehr feine Würfel schneiden. Die Haut von zwei unbehandelten Limetten abreiben, beiseitestellen, und die Früchte ohne weiße Schale filetieren, ebenfalls kleinschneiden und dabei allen Saft auffangen. Dann eine mittlere rote Zwiebel ebenfalls fein würfeln und in einem Topf mit 50 ml Apfelsaft, 2 EL Zucker und dem Limettensaft aufkochen. Den Zwiebelsud vom Herd nehmen und die Kürbiswürfel, Limettenschale, -filets sowie 10 g fein gehackte (entsalzte!) Kapern unterheben und alles mit einem Schuss milden Essig (etwa Apfelbalsamico), Salz und Pfeffer abschmecken. Am Ende die garen Kartoffeln halbieren und jede Hälfte im Ofen für 5 Minuten mit einer Scheibe Bergkäse überbacken. Die Kartoffeln mit dem Tatar, 40 g kurz in der Pfanne gerösteten Pinienkernen (Haselnüsse gehen auch gut) und eventuell etwas Kresse anrichten. So schön integriert wirkt die rustikale Riesenbeere plötzlich ausgesprochen fein.

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