Kate Moss wird 40:Unantastbar schön

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Kate Moss während eines Promotion-Auftrittes im Jahr 2012 (Hintergrund bearbeitet) (Foto: picture alliance / dpa)

Ein Gesicht wie eine leere Leinwand: Kate Moss war das Symbol eines Antilooks, spielte unschuldige Mädchen genauso wie die Schlampe im Netzstrumpf. Jetzt feiert sie ihren 40. Geburtstag. Doch auch das kann ihr nichts anhaben.

Eine Hommage von Nakissa Salavati

"Kate Moss smokes." Wer diese drei Worte googelt, hat Hunderte Bilder vor sich, die das Model mit Zigarette im Mundwinkel zeigen. Sie raucht darauf wirklich, nicht nur fürs Foto. Sie sieht gut aus dabei. Und sie ist älter geworden dadurch. Fältchen haben sich um Augen und Lippen gelegt. Auf manchen Fotos sieht sie sogar so alt aus, wie sie heute wird: 40 Jahre. Und trotzdem - nein, gerade deswegen ist Moss unglaublich schön.

40 Jahre, das ist in einer Industrie uralt, die Schönheit und Sexiness an Jugend und Faltenfreiheit knüpft. "Viel Wasser trinken, viel Schlaf, Pilates, keine Zigaretten, kein Alkohol", lauten die monoton wiedergekäuten Tipps junger Supermodels, wenn sie nach ihrer Schönheitsformel befragt werden. Moss hingegen trank immer, was es auf der Party eben gab, Zigaretten sind ihr kleinstes Laster, Ratschläge gibt sie keine und ausgeschlafen sieht sie eigentlich auch nie aus. Eher ziemlich abgefuckt.

Als Moss in den späten 1980er-Jahren entdeckt wird, räkelt sich Cindy Crawford gerade in goldenem Latex am Strand, Claudia Schiffer trägt Pony und pinke Kostüme. Es ist die Zeit der vollbusigen, gestählten 1,80-Meter-Frauen. Moss hingegen ist zehn Zentimeter kleiner, noch Mädchen, fast Frau. Mit 15 Jahren posiert sie für die britische Modefotografin Corinne Day in Birkenstocks und unförmiger Bluse. Sie lächelt, blinzelt in die Sonne, ihre Stirn kräuselt sich. Moss scheint spontan ins Bild gelaufen, sie entblößt ihren Körper, als sei ihr der Betrachter vertraut. Nichts daran erinnert an die starken Posen von Claudia und Cindy.

Das Modelabel Calvin Klein provoziert wenig später mit einer beinahe kränklich wirkenden Moss. Auf den Plakaten für das Männerparfum "Obsession" stehen ihre Beckenknochen hervor, die Haare hängen strähnig herab, ihr Blick ist verletzlich, lolitahaft, herausfordernd. Die Mode tauft diese Abkehr vom Ideal des Gesunden hin zu einer gebrochenen Schönheit "Heroin Chic". Moss wird zum Gesicht dieses Antilooks.

Doch das Model lässt sich nicht auf diesen oder andere Trends festlegen. Fotografen schwärmen, ihr Gesicht sei wie eine leere Leinwand - jeder könne darauf etwas anderes projizieren. Tatsächlich spielt Moss in ihrer jahrzehntelangen Modelkarriere das unschuldige Mädchen genauso glaubwürdig und unfassbar sexy wie die Schlampe im Netzstrumpf, die Diva mit Perlenohrringen oder die natürliche Schönheit.

Coole Leinwand

Kate-Moss-Bildband
:Kate, das Chamäleon

Sie ist die Antithese zu den hochgewachsenen Amazonen der Laufstege, ein Chamäleon, das jedem Fotografen gibt, was er in ihr sieht. Seit gut 25 Jahren gilt Kate Moss als eine der einflussreichsten Figuren in der Modebranche - nun wird das britische Supermodel 40.

Violetta Simon

Bei aller Wandlung sieht sie nie verkleidet aus. Egal, was sie trägt, sie vereinnahmt und belebt das Kleidungsstück. Wie macht Moss das? "Sie hat irgendwas, was man nicht beschreiben kann, etwas Unnachahmliches, das keine andere hat", sagte der Fotograf Peter Lindbergh einmal, "Kate ist einfach cool". Dieses gewisse Etwas ist es auch, warum ihr Anblick nie langweilt (auch nicht, wenn man "Kate Moss smokes" minutenlang nach unten scrollt).

Die Fähigkeit, sich zu wandeln und gleichzeitig sie selbst zu bleiben, macht Moss unabhängig. Skandale können ihr kaum etwas anhaben - im Gegenteil. Als Moss 2005 mit ihrem damaligen Freund und Babyshambles-Sänger Pete Doherty beim Kokainschnupfen erwischt wird und sie wochenlang als "Cocaine Kate" durch die Klatschpresse wandert, kündigen ihr zwar H&M und Chanel die Verträge - danach jedoch widmet ihr die französische Vogue unter dem Titel "Scandaleuse Beauté" eine fünfzigseitige Fotostrecke. Kate Moss sells.

Auch heute, nach 26 Jahren Karriere in der Branche, modelt Moss. Mit Kampagnen für den Kosmetikhersteller Rimmel, die Klamottenkette Topshop oder das Modehaus Versace befindet sie sich Forbes zufolge mit einem jährlichen Einkommen von 5,6 Millionen Dollar unter den Top Fünf der bestverdienenden Models. Ersetzen kann sie bis heute keine: Nicht Gisele Bündchen, die Ende der Neunziger das Sportlich-Hygienische wieder in die Mode zurückbrachte und Zigaretten höchstens heimlich rauchen würde. Nicht die junge Cara Delevigne, die sich zwar erfolgreich am Rotzgören-Image versucht, aber eben stets die Rotzgöre bleibt.

Privat feiert Moss ihren Geburtstag angeblich im Warmen, modisch gesehen im Playboy: Glatt retouchiert ziert sie die Jubiläumsausgabe des Hefts, mit Häschenohren und Stummelschwanz. Auf einem Foto posiert sie als Bunny auf allen Vieren. Das hat sie doch echt nicht nötig, denkt man da. Einerseits. Andererseits kann Moss nichts etwas anhaben. Nicht einmal ein Plüschpuschel.

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