Ladies & Gentlemen:Der Nippel-Winter

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(Foto: Skims, Imago/Avalon.red)

Obwohl ab Mitte November für die meisten Menschen eigentlich lange Unterhemden und dicke Pullover angesagt sind, geht die Mode dieses Jahr ungewohnt zeigefreudig in die kalte Jahreszeit.

Von Max Scharnigg und Julia Werner

Für sie: Falsche Brust raus

Kurz vor dem Doomscrolling-Burn-out ploppt auf Instagram plötzlich diese Erfindung ins Feed: der Nipple Bra der Marke Skims. Also ein BH mit aufgesetzten Nippeln, die sich dann unter dem hautengen T-Shirt abzeichnen sollen. Das Gehirn sendet Fehlermeldungen: Hä, die Jungs dürfen uns doch gar nicht mehr auf die Brüste starren, sollen sie jetzt aber doch? Und wenn sie es tun, kriegen sie dann keine Ohrfeige, weil sie ja nicht die echte Brustwarze anstarren? Allerdings ohne das zu wissen? Auf den zweiten Gedanken passt das Ding natürlich doch gut in Zeiten des Wahnsinns. Fakes scheinen ja wirklich beliebter zu sein sein als die Wahrheit, egal ob es um Nachrichten, Bilder oder pralle Lippen geht. Ist dieser BH also die Kapitulation vor all den Nipple-Shamern, weil man nicht zu seinen eigenen steht?

(Foto: Skims)

Moment! Zehn Prozent des Erlöses gehen laut Skims an eine Planetenrettungs-Charity, und Erfinderin Kim Kardashian bewirbt das neue It-Produkt mit schmissigen Klimawandel-Claims: "No matter how hot it is, you'll always look cold." Ziemlich gut, noch besser dieser hier: "Im Gegensatz zu den Eisbergen gehen die hier nirgendwo hin." Genau darum geht es: Brüste sind auch nichts anderes als rutschende Eisberge, und zwar nach unten. Ihre Gipfel bleiben dank Kim Kardashian von nun an auf der richtigen Höhe. Übrigens hat sie damit ohne Absicht viele Frauen sehr glücklich gemacht, nämlich all die, die ihre Brustwarzen an den Krebs verloren haben. Ganz davon abgesehen ist die tröstliche Nachricht in verzweifelten Zeiten wohl, dass die Leute trotz allem wenigstens noch Sex haben wollen.

Für ihn: Neckisch frieren

Über vieles wundert man sich als Stadtbewohner schon gar nicht mehr. Zum Beispiel gehören kurzbehoste Männer bis weit in den Spätherbst irgendwie mittlerweile dazu, gerade in der Nähe von Hochschulen. Vielleicht, denkt man angesichts dieser Erscheinungen, haben die unbeirrten Shorts-Träger einen Gym-Hintergrund, vielleicht ist auch Waschtag oder, was am wahrscheinlichsten ist: Vielleicht ist vielen mittlerweile einfach jede Art von alter Ordnung egal, auch Jahreszeiten. Na ja, jeder wie er will. Das gilt aber nicht unbedingt für Modelabels, die auf ihren Laufstegen immerhin so eine Art Vorbildfunktion haben. Als Dolce & Gabbana nun in der Herbst-Winter-Kollektion also die Models reihenweise mit nackter Brust in die Kälte schickte, durfte man schon mal fragen: Warum eigentlich? Und zumindest kurz die hämische Vermutung äußern, dass den Italienern für oben schlicht nichts Brauchbares eingefallen war oder die Kollektion nicht ganz fertig wurde.

(Foto: Imago/Avalon.red)

Das Modemarketing würde dahinter natürlich eine tiefere Bedeutung ausgraben: Irgendwo bei der globalen Fashion-Community ist schließlich immer Sommer, und der Welt steht ohnehin eine Heißzeit bevor, warum also noch groß mit Strick und Strumpf rummachen? Wahrscheinlich ist die Botschaft aber simpler, denn bei D&G gingen auch andere Kollektionen zuletzt deutlich in Richtung Unterwäsche only. Die Marke findet sich eben superhot, alles soll immer hot sein, also lass die Jungs mal schön nackt oder mit neckischem Brustlätzchen auflaufen. Motto: Im Berghain lässt sich auch gut überwintern.

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