Facebook als Einkaufsberater:"Likes" von der Stange

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Fans im Netz, Kunden im Geschäft: Beides zusammenzubringen, damit tun sich viele Firmen noch schwer. Eine Bekleidungskette in Brasilien wagt ein Experiment und zeigt die Facebook-Daumen für Rock und Bluse in Echtzeit auf dem Kleiderbügel an. Eine zukunftsweisende Idee?

Lena Jakat

Abertausende Menschen strömen Tag um Tag in die Fußgängerzonen, getrieben von der Suche nach dem perfekten Kleid, Hemd, T-Shirt, Strickjäckchen, Paar Schuhe. Spätestens in der Umkleidekabine offenbaren sich die fundamentalen Unterschiede: Mancher ist am liebsten mutterseelenallein, wenn er vor dem Spiegel mit dem Hosenknopf kämpft, andere können sich erst nach langwieriger Besprechung mit der besten Freundin entscheiden oder bauen auf die fachkundige Beratung durch Verkäufer. Und wieder andere können sich oft gar nicht entscheiden. Für diese Zielgruppe hat der Bekleidungskonzern C&A in Brasilien eine ganz besondere Kampagne entwickelt - und die Beratungskompetenz der Masse aus Facebook auf die Kleiderständer geholt.

Das gefällt mir: Welches Modell massentauglich ist, lässt sich im C&A-Flagshipstore in São Paulo nun an den Kleiderbügeln ablesen. (Foto: Facebook/C&A Brazil)

Zeichnete eine Social-Media-Strategie eine Firma noch vor wenigen Jahren als modern und zukunftsgewandt aus, gehört sie heute längst zum Standardprogramm. Die Klamottenkette geht nun einen Schritt weiter und holt die Facebook-Währung der "Likes" zurück in die analoge Welt: Auf den Unternehmensseiten können User die einzelnen Modelle der aktuellen Muttertags-Kollektion jeweils mit einem "Daumen hoch!" bedenken. Die Anzahl der Unterstützer-Klicks wird in Echtzeit auf den mit Displays versehenen Kleiderbügeln angezeigt, an denen die besagten Kleidungsstücke hängen.

Derzeit beschränkt sich das Projekt auf zehn ausgewählte Modelle. Zudem sind die Facebook-Bügel mit dem Daumenzähler ausschließlich im Flagshipstore des Unternehmens in São Paulo zu finden. Viele Firmen tun sich schwer damit, digitale und analoge Strategien zusammenzubringen. Da scheint die Idee aus Brasilien ein zukunftsweisendes Projekt zu sein.

Stilberatungen à la "Das könnte Ihnen auch gefallen" sind online längst vielerorts zu finden. Jetzt dürfen auch all jene, die noch immer die eineinhalb Quadratmeter Unkleidekabine hinter muffigen Vorhängen bevorzugen, von Empfehlungen aus den Weiten des Internets profitieren. Die Frage ist nur: Will man das?

Schließlich ist die Krux an Bekleidungsketten dieser Größe ja gerade, dass der neue Lieblingsrock zugleich das Lieblingskleidungsstück tausender anderer ist. Wenn man das nun schon vor der Kaufentscheidung unter die Nase gerieben bekommt, könnte das unter Umständen auch abschreckend wirken.

Und ob die Teile aus der Muttertagskollektion das Herz der beschenkten Mutter wirklich höher schlagen lassen, lässt sich weder an einem Kleiderbügel, noch an einem "Like-it"-Daumen ablesen. Sondern nur an ihrem Gesicht.

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