Essen wie im Dschungelcamp:Die Buffalo-Wurm-Prüfung

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Dschungelcamp-Platte, von links vorne: Buffalo-Wurm-Cookie, Mehlwürmer und Heuschrecken, hinten Hühnerfüße mit zwerlei Dip. (Foto: Veronica Laber)

Reich an ungesättigten Fettsäuren, einfach zuzubereiten, nussig im Geschmack: Eigentlich sind Heuschrecken und Würmer eine klimafreundliche Alternative zu Rind, Schwein und Huhn. Doch jenseits der Dschungelcamp-Bewohner ist der Verzehr von Insekten hierzulande ein Randphänomen. Ein Selbstversuch.

Von Oliver Klasen

Irgendjemand muss irgendwann auf die Idee gekommen sein, dem Getreideschimmelkäfer einen anderen Namen zu geben. Egal, wer das war - Gerüchten zufolge soll der neue Name aus den Niederlanden stammen -, er hat Alex Beslac, dem Küchenchef des Restaurants Mongos am Oberanger in München, einen guten Dienst erwiesen. Denn selbst wenn der Gast mutig ist und den "Insektenteller" wirklich bestellt hat: Würde er weiteressen, wenn er wüsste, dass er einen Getreideschimmelkäfer verspeist?

Getreideschimmelkäfer, das klingt nach Schädling, Küchenabfällen und Kammerjäger. Buffalo-Wurm dagegen, das klingt nach Mutprobe, Cowboy, Abenteuer, Survival-Training, irgendwie männlich. Und es klingt nach Dschungelcamp, jener Veranstaltung, bei der sich C- und D-Prominente derzeit im Fernsehen lächerlich machen und bei der angeblich 47 Prozent der Deutschen zumindest gelegentlich zusehen.

Dem Buffalo-Wurm dürfte es herzlich egal sein, ob das Model Larissa Marolt aus der Hängematte oder Ex-Viva-Moderator Mola Adebisi gleich ganz aus dem Camp geflogen ist. Er wird zufrieden sein, dass er es trotz seiner Körpergröße von acht bis zehn Millimetern zu so einem heroischen Namen gebracht hat.

Was ihm nun aber auch nichts mehr nützt, da er gemeinsam mit Dutzenden anderen Buffalo-Würmern in Tempuramehl getaucht und von Küchenchef Beslac in heißem Öl zu einer Art Cookie frittiert wird.

Küchenchef Alex Beslac benutzt Tempuramehl, um die winzigen Buffalo-Würmer zu einer Art Cookie zu formen. (Foto: Veronica Laber)

"Sind Sie mutig genug?" So wird das Gericht angepriesen, das das Mongos seit einigen Monaten auf der Karte hat. Für 6,90 Euro bekommt der Gast den besagten Buffalo-Wurm-Cookie, eine Schale mit frittierten Mehlwürmern und einen kleinen Haufen mit Heuschrecken. Dazu wird hausgemachtes, scharfes Barbeque-Dip gereicht.

Schwabbelige Hühnerfüße

Etwa fünf bis sechs Gäste pro Abend sind mutig genug und bestellen den Insektenteller. "Ein bisschen Neugier ist dabei, auch ein bisschen Mutprobe", sagt Erika Niemeyer, die Geschäftsführerin der Münchner Filiale. Manche hätten von Bekannten gehört, dass es im Mongos Insekten gibt und fragten gezielt danach.

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Jetzt, in Zeiten des Dschungelcamps, in denen der Insektenteller öfter verlangt wird, will auch Küchenchef Beslac von dem Trend profitieren und hat sich noch ein Spezialgericht einfallen lassen. Einen Teller mit Würmern und Heuschrecken, der zusätzlich mit zwei Hühnerfüßen garniert ist. Die werden kurz frittiert, etwa eine Stunde gargekocht und dann mit einem Dip aus schwarzen Bohnen und Chili bestrichen.

Genau diese Kombination steht jetzt auf dem Tisch, apart angerichtet auf einem rechteckigen Teller, zusätzlich in Szene gesetzt durch dezent-dunkles Licht. Jetzt kommt der Moment, in dem es ernst wird. Jetzt muss ich probieren. Die blasse, mit tiefroten Marinadenspritzern besprenkelte Haut der Hühnerfüße sieht schwabbelig aus. Also erst die Mehlwürmer, ist vielleicht einfacher.

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"Und?", fragt der Küchenchef.

"Äheemm, ja, gut. Was soll man sagen? Leicht nussig, vielleicht ein bisschen wie Erdnussflips."

Das Nussaroma zieht sich durch das Menu. Auch der Cookie mit den Buffalo-Würmern schmeckt danach. Alles harmoniert mit dem scharfem Dip. Und die anderen Gäste wissen ja nicht, dass die Mehlwürmer in der Pfanne beim Fritieren noch leicht gezuckt haben, weil das spritzende Öl sie aufgewirbelt hat. Fast so, als lebten sie noch, obwohl sie, wie der Koch eilig versichert, schockgefrostet angeliefert wurden.

Doch auch wenn Dschungelcamp-Bewohner vor der Kamera und - in etwas weniger aufgeregtem Ambiente - Restaurantgäste es vormachen, Insekten als Nahrungsmittel sind in Deutschland bisher eine Randerscheinung. Zwar gibt es vor allem in Großstädten immer mehr Lokale, die Mehlwurm-Omelette, Heuschrecken-Cracker oder auch gegrillten Skorpion anbieten. Doch hierzulande schaffen es nur wenige Menschen, ihren Ekel zu überwinden.

Leichtes Nussaroma: Insektenteller mit frittierten Mehlwürmern. (Foto: Veronica Laber)

In den Niederlanden ist man schon weiter. Wissenschaftler der Universität Wageningen propagieren seit Jahren, dass Insekten eine geeignete Alternative zu Rindern, Schweinen oder Hühnern sein könnten, welche den Speiseplan der westlichen Industrieländern dominieren. Mehlwürmer zum Beispiel enthalten reichlich ungesättigte Fettsäuren, Eisen und Kalzium. Sie verbrauchen wenig Platz, selbst wenn man miteinberechnet, dass für die Pflanzenteilchen, die sie fressen, Ackerfläche benötigt wird. Außerdem produzieren sie im Gegensatz zu Kühen kein klimaschädliches Methan. Und schließlich liefern sie, im Vergleich zu der Menge, die sie selbst verzehren, relativ viel Fleisch.

In der Kantine des Agrarministeriums in Den Haag wurden sogar testweise Pasteten serviert, in die Mehlwürmer eingebacken waren. Auch der Lieferant, von dem das Mongos seine Insekten bezieht, kommt aus den Niederlanden. Privatpersonen können dort genauso bestellen wie Restaurants. Die Insekten sind speziell für den menschlichen Verzehr gezüchtet ( hier ein paar Rezepte für alle, die es einmal ausprobieren wollen).

Zweiter Schritt jetzt: die Heuschrecken. Erstmal in die rote Soße tunken. Die Hand geht diesmal etwas langsamer zum Mund. Anfangs ist es befremdlich, dass man die Tierchen als Ganzes essen muss, inklusive Kopf. Auch hier wieder: das Nussaroma. Und die Chitin-Hülle, die ein bisschen stört, weil sie am Gaumen festklebt und sich nicht richtig herunterschlucken lässt. Trotzdem: Ist alles einfacher als gedacht. Weiß gar nicht, warum die sich so anstellen, in diesem australischen Dschungel.

Heuschreckenfreies Buffet

Die beiden Mongos-Gründer aus Nordrhein-Westfalen, die mittlerweile Restaurants in zehn deutschen Städten haben, reisen mindestens einmal pro Jahr nach Asien, um sich neue Rezeptideen zu holen. Eigentlich heißt ihr Konzept "Mongolian Barbecue". Angelehnt ist es an die Essgewohnheiten der "Nomaden, die oft monatelang in der Steppe unterwegs" waren und sich mit dem begnügen mussten, "was Flora und Fauna vor Ort im Angebot hatten", wie es auf der Homepage heißt.

In Zeiten des Dschungelcamps finden sich mehr mutige Esser. Deshalb hat das Mongos in München zusätzlich Hühnerfüße ins Programm genommen. (Foto: Veronica Laber)

Das Nahrungsangebot am Buffet ist dann doch ein bisschen üppiger als mutmaßlich in der mongolischen Steppe. Man wählt sich selbst Gemüse, Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte aus, die vor dem Augen des Gastes gegrillt werden. Je nach Saison gibt es Fleischsorten, die in Deutschland wenig verbreitet sind, wie Lama-, Krokodil- und Kamelfleisch.

Demnächst will die Münchner Filiale auch die Insekten zum Teil des All-you-can-eat-Angebots machen. "Aber für alle sichtbar ins Buffet stellen kann ich die Heuschrecken dann doch nicht", sagt Erika Niemeyer. "So weit sind wir noch nicht in Deutschland."

Kann sein, dass der europäisch beeinflusste Gaumen erst geschult werden muss. Kann auch sein, dass man erst 24 Stunden Dauerberieselung mit dem RTL-Dschungelcamp hinter sich gebracht haben muss. Jedenfalls sind die Hühnerfüße die schwierigste Prüfung an diesem Abend. Allein sie in die Hand zu nehmen, lässt einen kurz zusammenfahren. Es fühlt sich weich an, zu weich, irgendwie fast noch lebendig. Viel Essbares ist nicht dran. Nur die dünne Haut lässt sich abnagen, immerhin die Marinade ist sehr gelungen. Trotzdem: sehr archaisch. Zurück zur Natur, ein bisschen zu weit zurück. Ist wohl schon okay, dass die C- und D-Promis von RTL für derartige Überwindungen ein kleines Taschengeld bekommen.

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