Designer Philipp Plein in China:Der Trend geht zur Beleidigung

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Philipp Plein mit einem seiner Models auf dem Catwalk der Schauen von Mailand. Ob auch die Chinesen Gefallen an seiner Kollektion 2016 finden werden? (Foto: Getty Images)

"F.U.C.K. YOU CHINA": Chinas Neureiche lieben die Mode des deutschen Designers Philipp Plein. Doch schon vor Jahren hat sich der Münchner den Ärger der Nationalisten zugezogen. Und das Internet vergisst nicht.

Von Kai Strittmatter

Es soll Menschen geben, die haben noch nie von Philipp Plein gehört. Diese Menschen leben ganz offensichtlich nicht in China und lesen auch nicht die New York Times. Die Times veröffentlichte Anfang des Jahres eine Hymne auf den 37-jährigen Modedesigner, Tenor: eben noch unbekannt, jetzt allgegenwärtig.

Die Zeitung beschreibt den Stil des aus München stammenden Plein als Mischung aus "flashy" und "trashy" - Totenköpfe spielten lange eine große Rolle - und versucht sich an einer Erklärung von Pleins Erfolg vor allem in den Neureichen-Kreisen Russlands, Osteuropas und Asiens. Philipp Plein selbst sagt von sich, er wolle "den Spaß zurück in die Mode bringen", der Times-Autor verleiht ihm, und das ist eindeutig bewundernd gemeint, den Titel "fashion's most unapologetic maximalist". Und damit wären wir bei China.

Unapologetic. Es geht also um Leute, die es nicht so haben mit dem Entschuldigen. So eine verkorkste Entschuldigung kommt manchmal zurück wie ein Bumerang, in Asien nennen sie das Karma. Und wenn Völker ein so langes Gedächtnis haben wie China, dann kann das auch mal acht Jahre dauern, bis einen der Bumerang trifft.

"F.U.C.K. YOU CHINA" ließ Plein auf seine T-Shirts schreiben

Philipp Plein hatte 2007 schon einmal ein Techtelmechtel mit den Chinesen. Er hatte T-Shirts produzieren lassen, die für viel Aufregung sorgten, stammten sie doch aus seiner "fascinating & urban collection: kiss you China". Abgekürzt las sich das auf den Hemden so: F.U.C.K. YOU CHINA. Zuerst erklärte die Firma, die Kollektion sei ein "Dank an China, weil es uns die Möglichkeit gibt, einige Artikel zu wettbewerbsfähigen Preisen zu produzieren".

Als die Wogen der Empörung sich auftürmten, trat Philipp Plein persönlich auf und verteidigte die T-Shirts als "ironischen Protest" gegen die in China allgegenwärtige Markenpiraterie. Eine "Schnapsidee" nannte er sie im Nachhinein auch, und nein, um Himmels willen, natürlich sei er kein Rassist, und er wolle sich entschuldigen.

Dass er auf die T-Shirts auch ein grinsendes Chinesenmännlein hatte drucken lassen, Zitterbart und Mandschurenzopf inklusive, machte die Sache allerdings nicht besser. Seine Firma erhielt mehr als 1000 Hass-Mails am Tag aus China, er selbst Morddrohungen. Der Designer musste in der chinesischen Botschaft in Bern antanzen und dort einen formvollendeten Kotau vorführen, selbst dann jedoch legte sich die vor allem von nationalistischen Kreisen geschürte Aufregung um die "Demütigung Chinas" erst langsam. Irgendwann aber war Ruhe. Dachte man.

In den letzten Jahren dann stieg Philipp Plein auch in China groß ein. Zehn Standorte hat die Firma dort im Moment. Im August vergangenen Jahres legte sich die Firma ein Konto bei Weibo zu, Chinas Gegenstück zu Twitter, 30 000 Follower hat sie dort. Stars und Sternchen ließen sich in Anzügen und Kleidern von Philipp Plein sehen, den Schauspieler und Sänger Han Geng (46 Millionen Weibo-Fans) kleidete Philipp Plein ganz in Schwarz. "Wunderschön", hauchten Fans in den ersten Kommentaren unter den Fotos.

Mit einem Mal stand da aber auch: "Fuck you Philipp Plein". Warum Internetnutzer die alte Geschichte jetzt wieder ausgegraben haben, warum sich ausgerechnet in den letzten zwei Wochen eine neue Flut von Beschimpfungen über Plein und seine Firma ergoss, ist schwer zu sagen. Bis zum Jahresende will Philipp Plein in China vier weitere Läden eröffnen. Im Netz nahmen sie die Expansionspläne zum Anlass, Plein erneut zur Zielscheibe zu machen. Jedenfalls sah sich die Firma bald genötigt, die Kommentarfunktion ihrer Weibo-Seite zu schließen. Auf Weibo-Gruppen wie "Verpiss dich aus China, Philipp Plein" schimpfen sie fröhlich weiter. Auch Staatsmedien wie die China Daily stiegen ein und erinnerten an die vermeintlich "rassistische Vergangenheit" Pleins.

Irgendwie scheint ein Fluch an Pleins Entschuldigungen zu kleben

Ende vergangener Woche sah sich der Designer, acht Jahre später, zu einer erneuten Entschuldigung genötigt. "Ich habe tiefen Respekt vor der Kultur und den Menschen Chinas", heißt es in der Erklärung Pleins. Er bekräftigte noch einmal, es habe sich damals um einen "ironischen Kommentar" zur Markenpiraterie gehandelt.

Aber irgendwie klebt ein Fluch an Pleins Entschuldigungen. Vielleicht war es die philosophische Überhöhung des einstigen Missgriffs, die vielen Nutzern erneut aufstieß: "In der Modeindustrie erschaffen Marken oft Produkte, die die Menschen zu einem neuen Nachdenken über die Welt anregen sollen", schrieb der Designer. "Wir bei Philipp Plein tun das im Geiste des Rock'n Roll und mit einer Prise Humor." Vielleicht war es die Chuzpe, mit der er seine Liebe für das Land ausgerechnet mit seiner Geschäftstüchtigkeit zu untermauern sucht: "Ich glaube an China, und ich beweise das, indem ich mit meinem Geschäft dort expandiere." Rock'n'-Roll-Trampel mit schlechtem Humor auf der Suche nach Profit: nicht der ideale Gegenüber in einem Versöhnungsprozess.

Vielleicht ist es aber auch die Hysterie, in der sich ein Teil der national Gedemütigten im chinesischen Netz nun eingerichtet hat. Die chinesische Version der Pleinschen Entschuldigung ist von Plein mit ein paar Kringeln unterschrieben, die mit etwas Fantasie eine Karikatur zeigen, vielleicht einen Hund an der Leine, vielleicht ein Männchen, das sich in den Staub wirft. In den Augen von Weibo-Nutzer "Diguaxionglaoliu" ist das erneut eine arglistige Verunglimpfung Chinas. Eindeutig, schreibt er, sehe man hier einen Chinesen "mit Zopf, der auf die Knie fällt", "wie boshaft!"

15 000 Mal wurde die vermeintliche Enthüllung bis Dienstag weitergesendet, 3000 Mal wüst kommentiert. Philipp Plein, so schrieb die Pekinger Global Times am Montag, werde gerade eine "Lektion" erteilt. Es ist wohl die: Manchmal kann man einfach nichts mehr richtig machen.

© SZ vom 24.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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