Concorde:Jetset in Überschallgeschwindigkeit

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Queen Elizabeth 1977 auf einem Flug in die Karibik. (Foto: dpa)

Vor fast 50 Jahren hob die "Concorde" zum ersten Mal ab. Selbst für Stars und Spitzenpolitiker war die Reise zwischen Europa und den USA etwas Besonderes. Eine Sittengeschichte des Überschallfliegers.

Von Fabrice Braun

Wer 12 000 Dollar für einen Flug ausgibt, der darf schon ein bisschen mehr erwarten als bei Ryanair. In der Concorde zahlte man so viel, um in nur dreieinhalb Stunden von London oder Paris nach New York zu rauschen. Aber viele Passagiere kauften das teure Ticket natürlich auch, um zum Jetset zu gehören, der seinen Namen nie so verdient hatte wie an Bord des Überschallflugzeugs.

In der Zeit, die es braucht, um ein Champagnerglas zu füllen, flog der Jet 16 Kilometer weit

Schließlich zeigte sich Mick Jagger hier gerne mit seinen neuen Geliebten, und Queen Elizabeth feierte in der Concorde schon mal bei Mach 2, der doppelten Schallgeschwindigkeit, ihren Geburtstag. Rupert Murdoch und George Soros setzten sich in den Ledersitzen zusammen, um in 17 000 Meter Höhe ihre Milliardengeschäfte zu besprechen, und Paul McCartney stimmte gerne mal spontan mit anderen Passagieren ein paar Beatles-Songs an. Harvey Weinstein ließ zwar die Stewardessen in Ruhe, soviel man jedenfalls bisher weiß, rauchte aber heimlich auf dem Bordklo. Andy Warhol liebte das stromlinienförmige Besteck an Bord - das selbstverständlich Raymond Loewy, der Erfinder der Stromlinienform, entworfen hatte -, und zwar so sehr, dass er es einfach mitgehen ließ und andere dazu aufrief, es ihm gleichzutun.

27 Jahre lang, von 1976 bis 2003, war die Concorde das natürliche Habitat der Reichen und Superreichen, der Mächtigen und Supermächtigen, die von Europa in die USA oder umgekehrt wollten. Selbst für Supermodels, die regelmäßig mit dem Jet zu den Modenschauen reisten, war der Flug etwas Besonderes. "Es war wie eine Art letztes Aufbäumen der goldenen Ära des Reisens. Man hat sich dafür immer besser angezogen als sonst, weil man nie wusste, wem man begegnen würde", erinnert sich Cindy Crawford in einem Interview für das Buch "Supersonic - The Design and Lifestyle of Concorde", das gerade im Prestel-Verlag erschienen ist.

In dem liebevoll gestalteten Bildband zelebriert der amerikanische Grafiker Lawrence Azerrad mit Hunderten Fotos und Faksimiles aus seinem Privatarchiv die Geschichte dieses ungewöhnlichen Flugzeugs. Wie viele andere war er schon als Kind fasziniert von dem Flieger der Superlative: Die Concorde erreichte bis zu 18 000 Meter Höhe, doppelt so viel wie normale Linienflugzeuge, und war mit einer Spitzengeschwindigkeit von mehr als 2100 Kilometern pro Stunde das schnellste Passagierflugzeug der Geschichte. In der Zeit, die es braucht, um ein Champagnerglas zu füllen, flog die Concorde bis zu 16 Kilometer weit. Durch die irrsinnige Geschwindigkeit erhitzte sich der Rumpf so sehr, dass die Kabine während des Flugs 18 bis 25 Zentimeter länger wurde.

Schon beim Start war die Wucht des Antriebs zu spüren. "Mit der Concorde zu fliegen, war etwas völlig anderes - dieser fantastische, berauschende Moment des Abhebens, diese enorme Kraftexplosion, und für einen Moment fühlte es sich an, als habe man seinen Magen im Terminal zurückgelassen", erinnert sich der englische Designer Terence Conran, der Ende der Neunzigerjahre für British Airways das Interieur der Kabine modernisierte.

Wenn es einen Preis gegeben hätte für die unwahrscheinlichste Mischung aus Brutalität und Eleganz, dann hätte ihn die Concorde auch gewonnen. Weißer Vogel, Oiseau blanc, nannten die Franzosen sie liebevoll wegen ihrer charakteristischen Silhouette mit der spitzen Nase, die sich für die Landung absenken ließ. Doch der schöne Jet war zugleich eine Höllenmaschine: Fast 26 000 Liter Kraftstoff flossen pro Stunde durch die enormen Triebwerke, die umgerechnet 64 000 PS leisteten. Die Concorde war so laut, dass sie die USA nicht wie ursprünglich geplant überfliegen durfte. In vielen Ländern bekam sie nicht einmal eine Landeerlaubnis, weil der infernalische Lärm den Anwohnern nicht zuzumuten war.

Streichholzschachtel mit Concorde von British Airways (1970). (Foto: Prestel)

Ihr in jeder Hinsicht verschwenderisches Konzept, das französische und britische Luftfahrtunternehmen zusammen entwickelt hatten, stammte aus den frühen Sechzigerjahren, als Umweltschutz noch kaum jemanden interessierte. So war die Concorde nicht nur ein Flugzeug, sondern auch eine Zeitmaschine. Sie wirkte, als sei sie den Science-Fiction-Erzählungen der Wirtschaftswunderzeit entsprungen, als die Möglichkeiten noch unbegrenzt schienen und Technik noch Ausdruck eines Glückseligkeit verheißenden Fortschrittes war.

Der neue Wunderflieger sollte nicht nur Länder rasend schnell verbinden, sondern gleich die ganze Menschheit in eine bessere Zukunft katapultieren: "Flight into the future", hieß eine Werbebroschüre, die in dem Bildband abgedruckt ist. Das Buch dokumentiert auch die Werbung aus den Hochzeiten der Überschallbegeisterung und zeigt Devotionalien mit dem Concorde-Logo, zu denen auch Flachmänner, Streichholzbriefchen, Brettspiele und natürlich Champagnerkübel gehörten.

Noch vor dem Desaster von Paris mit 113 Toten war Ernüchterung eingekehrt

Doch der Vollgas-Enthusiasmus wich mit der Zeit der Ernüchterung. Wer in ihren späten Jahren mit der Concorde reiste, der flog eher zurück in die Zukunft - mit einem Flugzeug, das schon fast 30 Jahre im Dienst war und technisch ziemlich veraltet. Dass Modedesigner wie Christian Lacroix die Speisekarte gestalteten und der Innenraum mehrmals überarbeitet wurde, konnte nur noch oberflächlich darüber hinwegtäuschen, dass die Maschine längst ein fliegender Anachronismus war. Offensichtlich wurde die veraltete Konstruktion im Juli 2000, als beim Start einer Concorde in Paris ein Reifen zerfetzt wurde und das Flugzeug in ein nahes Hotel stürzte. Bei dem Unfall starben 113 Menschen. Die Concorde flog zwar nach einer längeren Pause noch zwei Jahre, bis sie 2003 endgültig außer Dienst gestellt wurde. Doch um ihren Nimbus war es geschehen.

Briefumschlag der britischen Post zum ersten Jungfernflug. (Foto: Prestel)

Wirtschaftlich rentiert hatte sich das Überschallflugzeug nie. Schon als es 1969, vor fast 50 Jahren, zum ersten Testflug abhob, war absehbar, dass es viel teurer werden würde als geplant. Wegen der hohen Kosten stornierten fast alle Fluggesellschaften die reservierten Modelle bald wieder, nur Air France und British Airways mussten wegen des nationalen Prestiges zusammen 14 Concordes kaufen. Die Queen und der französische Präsident flogen damit dann gerne auf Staatsbesuch, um zumindest symbolisch noch die Größe zu repräsentieren, die ihre Länder doch längst verloren hatten. So wurde das Überschallflugzeug mit der Zeit zum Symbol für die rücksichtslose Ressourcenverschwendung einer im wahrsten Sinne abgehobenen Elite, die wie der Modedesigner Marc Jacobs völlig selbstverständlich mit dem Jet zwischen ihrer Arbeit in New York und Paris pendelte, während auf Umweltgipfeln schon längst vor den zerstörerischen Folgen des Flugverkehrs gewarnt wurde.

Mit dem Ende der Concorde schien auch das Ende des Überschallzeitalters gekommen zu sein. Doch heute arbeiten unter anderem Airbus und die Nasa wieder an neuen Jets, die mehrere Tausend Kilometer pro Stunde schnell sein sollen. Aber das wahre geistige Erbe der Concorde haben die Größenwahnsinnigen aus dem Silicon Valley angetreten: So plant Elon Musk eine Rakete, die jeden Ort auf der Erde in nur einer Stunde erreichen soll. Manche Prominente machen sich angeblich schon ernste Sorgen, ob das nicht übertrieben ist: Wie soll man bei der Hektik nur in Ruhe Champagner trinken?

© SZ vom 06.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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