Ladies & Gentlemen:Wachs in der Sonne

Lesezeit: 2 min

(Foto: David M. Benett/Getty Images)

Barbourjacken sind das klassische Promi-Outfit beim Glastonbury-Festival. Aber weil es dort diesmal richtig heiß war, kamen einige Selbstdarsteller mächtig ins Schwitzen.

Von Max Scharnigg und Julia Werner

Für sie: Schwitzen für den Kunden

Musikfestival-Style als interessantes Thema ist eigentlich verbrannt, seit das Coachella-Festival durch Sponsoring von allerlei Lifestyle-Gedöns-Firmen zu einem karnevalesken Hupfdohlenevent verkommen ist. Nur Glastonbury war bisher immer noch lustig, weil die Briten bekanntlich mehr von Musik und Style verstehen als der Rest der Welt. Legendär die junge Kate Moss in Shorts und Gummistiefeln, oder Alexa Chung in einer alten Barbour-Jacke. Die lässige Mode war natürlich der Tatsache geschuldet, dass Glastonbury nicht für Hochsommer-Vibes bekannt ist, sondern eher für Regen und Schlamm, England eben. Augenzeugen vor Ort und vor der Live-Übertragung der BBC aber berichten, dass in diesem Jahr etwas Unvorhergesehenes passierte: Die Sonne brannte auf die traditionell UV-empfindlichen Briten wie sonst nur auf Ibiza. Diese Tatsache lieferte uns den Beweis, dass auch Glastonbury längst Opfer der Seuche des Product Placements geworden ist. Warum sonst sollten sich die Schauspielerinnen Lilly James und Gemma Chan bei hochsommerlichen Temperaturen Öljacken anziehen? Die verdienten nun zum ersten Mal ihren Namen, James schwitzte offensichtlich so sehr, dass sie sich ihre Barbourjacke nur noch scheinbar lässig über die Schultern hängen ließ, darunter trug sie Negligé. Chan, hier zu sehen im gelabelten Partnerlook mit ihrem Boyfriend, zog ihre vertraglichen Verpflichtungen hingegen mit Pokerface durch: kniehohe Kautschuk-Wellies mit fotogener Barbour-Schrift und die dazu passende Barbour-Jacke über dem, was sie wohl gerne solo getragen hätte. Will jetzt noch irgendjemand mit einem Funken Coolness-Anspruch eine solche Jacke? Nach dieser wirklich öden Marketing-Aktion? Wahrscheinlich leider schon.

Für ihn: Schweiß lass nach

Großbritannien ist bekanntlich das Heimatland des Gentlemans, zu dessen vielen Tugenden es gehört, eben nicht modisch auffällig (das wäre der Dandy) gekleidet zu sein, sondern immer mühelos genau dem Anlass entsprechend zu erscheinen. In diesem Sinne greifen der britische Mann und auch viele Auswärtige reflexartig zur Barbourjacke, sobald ein Ausflug aufs Land angesagt ist. In etwa acht Monaten im Jahr ist das auch richtig und wichtig, denn je deutlicher man den Wachsjacken ansieht, dass sie oft im Einsatz waren, desto weniger wirken sie wie eine Verkleidung. Fabrikneue Barbourjacken sind wie neue Brooks-Fahrradsättel - unbequem und ein bisschen peinlich. Wer auf sich hält, lässt sie erst mal ein paar Jahre vom Gärtner eintragen. Auch bei einem legendär schlammigen Festival wie Glastonbury ist die Schutzjacke also grundsätzlich angemessen, aber dieses Jahr herrschten stellenweise hochsommerliche Temperaturen und jenseits der 25 Grad verbieten sich Wachsjacken von selbst. Sie wurden ja lange vor dem Begriff atmungsaktiv erfunden, unter der Wachsschicht ist es wie unter einer Käseglocke, manchmal hat man sogar den Eindruck, die Jacken würden selbst schwitzen. Wenn man dann - wie hier Schauspieler Dominic Cooper (u.a. "Mamma Mia!" & diverse Marvel-Produktionen) - nur ein T-Shirt drunter hat, kann man als Beobachter fast körperlich die Schweißperlen spüren, die an den nackten Armen abgehen. Ringsum tobten sich die anderen Festivalbesucher halb nackt aus, warum dieses krampfige Festhalten am Schlechtwetter-Look, inklusive robuster Bergstiefel? Vermutlich wegen Instagram, der Käseglocke unter den sozialen Medien.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Mode
:Die ewige, sehr durstige Jacke

Juristen, Jäger, höhere Töchter: Die Barbour-Jacke gehört zu den Klischee-Kleidungsstücken. Dabei hat sie über die Grenzen ihrer nordenglischen Heimat hinaus Modegeschichte geschrieben.

Von Max Scharnigg

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: