Haben & Sein:Gutes von gestern

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Piep, piep, piep! (Foto: Casio)

Die Mode ist sentimental und bringt gute alte Styles ans Licht: Casio-Uhren, Samba-Turnschuhe und die fast vergessene Farbenpracht der Bauhaus-Architektur.

Von Anne Goebel, Max Scharnigg und Silke Wichert

Ur-Digital

Wer in den 80er- und 90er-Jahren als junger Mensch Teil der Konsummoderne sein wollte, trug eine Digitaluhr von Casio. Die Uhren konnten alarmistisch piepen und die Zeit stoppen und waren mit ihrem technoiden Japanstyle gewissermaßen die Vorzeichen des digitalen Zeitalters. Höhepunkt des Sortiments war die Casio mit eingebautem Taschenrechner, die sich die größten Nerds von Mitte der 1980er-Jahre an zu Weihnachten wünschten - und dann die ganze Klasse neidisch machten, wenn die Mathe-Klausur anstand. Das funktionierte zumindest so lange, wie dabei noch keine richtigen Taschenrechner erlaubt waren. Der kleine Rechencomputer am Arm kommt jetzt zurück ins Casio-Programm, der allgemeinen Retro-Begeisterung sei Dank. Diese neue CA-500 ist erfreulich unverändert, nur die Gehäusefarben in drei glänzenden Metallic-Looks sind vielleicht ein Zugeständnis ans neue Stilbewusstsein und machen das Geek-Gadget von einst zu einem Hipster-Accessoire. Auch klar: Auf heutige Schüler wird die Neuauflage des Klassikers vermutlich keinen großen Reiz mehr ausüben.

Bauhaus bunt

Fast noch schöner als Mondrian: Entwurf des spanischen Architekturstudios Casa Josephine, aus dem Buch "Bauhaus Style". (Foto: Belen Imaz)

Das Bauhaus war bunt und eben nicht nur nüchtern minimalistisch - seit vor vier Jahren das 100-jährige Bestehen der großen deutschen Gestaltungsschule ebenso groß gefeiert wurde, hat sich diese Erkenntnis eigentlich zunehmend durchgesetzt. Trotzdem ist es immer wieder schön, das auch bildhaft vor sich zu sehen, wie in dem neuen Buch aus dem Assouline-Verlag. Bauhaus Style zeigt schon auf dem Cover sattes Rot und Goldbuchstaben, die nichts mit kühler Strenge zu tun haben. Mag sein, dass Walter Gropius mit dieser Wahl nicht so ganz einverstanden gewesen wäre, aber wenn man sich andererseits das Innere des "Meisterhauses" von Paul Klee und Wassily Kandinsky in Dessau ansieht: tiefstes Ozeanblau, Knallgelb, dazu pastelliges Rosa, nicht zu reden von Anni Albers' wunderbar lebhaft gemusterten Stoffen. In dem Bildband erklärt Mateo Kries - der Kunsthistoriker ist Direktor des Vitra Designmuseums -, warum der funktionale Bauhaus-Stil und seine verästelten Seitenlinien bis heute Designer der unterschiedlichsten Branchen inspiriert: Möbelgestalter, Architekten, Modeschöpfer. Und ausführlich vor Augen geführt bekommt man das beim Durchblättern natürlich auch, zum Beispiel anhand des eleganten Interieurs einer Agentur in Madrid (im Bild). Entworfen von dem spanischen Architekturstudio Casa Josephine - und eindeutig angelehnt an den Bauhaus-Künstler Piet Mondrian (Bauhaus Style, Text von Mateo Kries, engl. Ausgabe. Verlag Assouline, 105 Euro, assouline.com).

Kostenlose Trikots für Amateure

Mit Trikot kickt es sich nochmal besser. (Foto: Lyle & Scott)

Was macht eine Fußballmannschaft aus? Teamgeist, vielleicht noch ihr Können und natürlich: das gemeinsame Trikot. Die großen Klubs bekommen von ihren Ausrüstern jede Saison gleich mehrere Designs, die Fans dann für 80 Euro aufwärts nachkaufen können. Viele kleinere Vereine oder Amateure haben dagegen nicht einmal ein richtiges eigenes Trikot, weil das Geld dafür fehlt oder sie niemanden haben, der sich um Farben und Wappen kümmert. Die schottische Marke Lyle & Scott hat deshalb jetzt die Aktion "Kits for Clubs" gestartet, mit dem sie den "Grassroots Football" unterstützen wollen. Es soll mal nicht um die Megastars gehen, sondern um die Bolzplatz- und Straßenkicker, die den Fußball in seinen Anfängen einmal groß gemacht haben und ihn heute noch genauso lieben und leben. Jeder Verein oder Hobby-Truppe kann sich auf der Website des Labels bewerben und bekommt dann auf sie zugeschnittene Trikots mit Nummern und Logo (und wenn es noch kein Logo gibt, wird auch dabei geholfen). Zur Auswahl stehen verschiedene von Lyle & Scott entworfene Designs, von schottischem Argyle-Muster über schlicht schwarz bis knallbunt. Weil man mit einheitlichem Leibchen wahrscheinlich nicht gleich besser spielt, aber sofort ein bisschen mehr zusammengehört ( lyleandscott.com).

Frühe Streifen

Urform deutscher Turnschuh-Kultur: der Samba. (Foto: Adidas)

Und noch ein Wiedergänger aus der guten alten Zeit: Man hätte ja vermutet, dass Adidas schon alle seine Retro-Modelle gewinnbringend aufpoliert und tiefergelegt hat, jetzt rückt mit dem Modell Samba aber nochmal ein echtes Urgestein und ein Dauerbrenner in den Fashion-Fokus. 1949 zum ersten Mal produziert, als Fußballschuh für harte Böden, erfreute sich der schlichte, flache Turnschuh mit den drei Streifen jahrzehntelang großer Beliebtheit in Turnhallen, später auch auf Musikbühnen - Indiebands trugen das Schuhwerk am liebsten mit Originalpatina und bis zur endgültigen Durchwetzung. Er war immer ein Sneaker für Menschen, die eigentlich nicht viel auf Sneaker-Kult geben. Das ändert sich jetzt offenbar, denn das schlichte Modell ist endlich auch im Mainstream-Fashion angekommen: Hailey Bieber, Bella Hadid und Kendall Jenner wurden mit Sambas gesehen, wahrscheinlich dauert es nicht lang, bis eine zeitgeistige Kooperation den alten Turnschuh remixt und Sambas auf Monate ausverkauft sind. Also die alten lieber mal pfleglich behandeln!

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