Zweitligist Karlsruher SC:Umschalten auf Trotz

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Wilder Ritt: Bjarne Thoelke (r.) und der Karlsruher SC nehmen in Tirol die Bundesliga ins Visier. (Foto: Helge Prang/GES-Sportfoto)
  • Auch in der Saisonvorbereitung beschäftigt den Karlsruher SC noch der unglücklich verpasste Bundesliga-Aufstieg im Relegationsspiel gegen den HSV.
  • Die Fehlentscheidung von Schiedsrichter Gräfe verfolgte Trainer Kauczinski bis in den Urlaub.
  • Mit einem neuen 4:4:2-System versucht der KSC, den Aufstieg in dieser Saison zu realisieren.

Von Christoph Ruf

Karlsruher SC? Da hat sogar die Frau am Hoteltresen in Scheffau am Wilden Kaiser die Bilder vom 1. Juni im Kopf: "Mein Mann hat gar nicht mehr aufgehört zu schreien, als der Schiedsrichter die verpfiffen hat", erzählt sie. Tags zuvor hatte der Tross des Fußball-Zweitligisten, der hier im schönen Tirol im Trainingslager ist, auch am Rande des Testspiels gegen Rubin Kasan erfahren, dass sich die tragischen Begleitumstände des Relegationsspiels gegen den Hamburgers SV bis über die Landesgrenzen herumgesprochen haben. Der Stadionsprecher begrüßte den KSC als "das Team, das wegen einem Schiedsrichterpfiff nicht aufgestiegen ist". Sogar russische Gegenspieler sollen den Karlsruhern kondoliert haben.

Nun wissen sie beim KSC freilich auch, dass das eine verkürzte Sicht der Ereignisse ist. Denn natürlich hätten sie beim Playoff-Hinspiel in Hamburg (1:1) auch ein Tor mehr schießen können anstatt gleich zwei Mal die Latte zu malträtieren. Und natürlich hatten sie im Rückspiel auch nach dem Pfiff von Manuel Gräfe, der dem HSV in letzter Minute das 1:1 ermöglicht hatte, in der Verlängerung noch Zeit, um nachzulegen. Aber das Gefühl wird sie wohl so schnell nicht verlassen, dass es eine Fehlleistung des Berliner Referees war, die sie wenige Sekunden vor Abpfiff doch noch von der ersten Liga fernhielt.

Markus Kauczinski war damals einer der ersten, der die Fassung wiedererlangte. Dass der Karlsruher Trainer unmittelbar nach Schlusspfiff ("kann keine Vergrößerung der Körperfläche erkennen") ruhig und sachlich Gräfes Handspiel-Fauxpas analysierte, hat viele erstaunt. Er selbst - "so abgeklärt bin gar nicht" - hat sich ganz anders in Erinnerung: "Direkt nach dem Spiel wollte Herr Gräfe mit mir reden. Ich habe ihn stehen lassen, auch aus Selbstschutz. Und vor der Kamera rumzuschimpfen, wirkt gespielt und bringt sowieso nichts", erzählt Kauczinski.

Stattdessen hat er noch ein paar Worte an die Mannschaft gerichtet und ist mit seiner Frau in den Urlaub gefahren. Doch der stand zunächst unter keinem guten Stern: "Was mich nicht losgelassen hat, war dieses Gefühl von Ungerechtigkeit, das Gefühl, dass man betrogen worden ist."

Kauczinski ist ein Trainer, der an die Gestaltbarkeit der Dinge glaubt. Er ist überzeugt, dass man beim Fußball vieles selbst in der Hand hat, durch Trainingssteuerung und Menschenführung Spieler und Teams besser machen kann: "Wenn man nicht den Glauben hätte, dass man fehlendes Geld kompensieren kann, müsste man beim KSC aufhören", sagt er.

Doch nach diesem Pfiff, der eigentlich ein Abpfiff für den Aufstieg war, gab es nichts mehr zu korrigieren, die Saison war vorbei - einen Macher wie Kauczinski muss das fast in den Wahnsinn treiben. Mit den Fernsehgeldern aus der ersten Liga hätte sich der KSC auch dann sanieren können, wenn er sofort wieder abgestiegen wäre. Seit ein paar Jahren gehen sie schließlich nicht mehr so fahrlässig mit Geld um wie in der Vergangenheit.

Sie hätten Reinhold Yabo, der nun nach Salzburg gewechselt ist, möglicherweise halten können - so wie sie es jetzt gerade bei Rouwen Hennings probieren. Der Torschützenkönig der Vorsaison (17 Tore in 27 Spielen) ist vertraglich gebunden, möchte aber genauso weg wie Philipp Max, der von Augsburg umgarnt wird. Auch Hennings wäre in der ersten Liga wohl geblieben.

"Das Besondere war einfach die Tragweite des Ganzen", sagt Kauczinski, "die Tragweite dieser Fehlentscheidung. Normalerweise sagt man, falsche Entscheidungen gleichen sich in der Summe aus. Das wird bei uns jetzt eher nicht passieren."

Dennoch war die Stimmung im Tiroler Trainingslager nicht so schlecht. Die Karlsruher werden einen neuen Anlauf starten mit dieser Mannschaft, die beim Ligastart am übernächsten Wochenende in Fürth in weiten Teilen so aussehen wird wie die Elf, die in Hamburg stark gespielt hatte. Sie werden auf ein 4-4-2 umstellen, Kauczinskis Lieblings-System, das er in der vergangenen Saison nur deshalb nicht spielen konnte, weil neben Hennings kein weiterer guter Stürmer im Kader war.

Drei neue Stürmer fürs Lieblingssystem

Nun hat der KSC gleich drei Neue dazugeholt: Pascal Köpke, Vadim Manzon und Erwin Hoffer. Und falls Hennings und Max gehen, wird genug Geld da sein, um noch ein oder zwei jener Spieler zu verpflichten, die Sportdirektor Jens Todt schon lange auf der Liste hat. Und sie werden versuchen, ganz viel Trotz zu zeigen. 300 neue Mitglieder sind seit dem 1. Juni dazugekommen, 7700 Dauerkarten wurden bereits verkauft (Vorjahr: 6200).

Auch Kauczinski findet, Trotz könne leistungssteigernd wirken: "Wir haben im Vorjahr zu Hause zwei, drei mal zu oft unentschieden gespielt. Mit etwas mehr Konsequenz hätten wir da sicher die Punkte holen können, die uns auf Platz zwei gebracht hätten." Eine Relegation wollen sie sich jedenfalls nicht mehr antun.

© SZ vom 15.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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