Zweite Mannschaft in der Regionalliga:Bayern München kann auch Krise

Lesezeit: 3 min

Erik ten Hag (hinten, mit Kevin Friesenbichler) kann sich stundenlang in die Details der Geometrie auf dem Rasen vertiefen. (Foto: Robert Haas)

Manche Spieler müssen sich überwinden, zum Training zu kommen, Trainer Erik ten Hag greift nicht ein: Während die Bayern-Profis die Meisterschaft feiern, geht es beim FC Bayern II chaotisch zu.

Von Ralf Tögel und Benedikt Warmbrunn

Das mit der Glatze war eine wunderbare Gemeinsamkeit. Drei markante Männer, drei Denkerköpfe, drei Strategen. Pep Guardiola, Matthias Sammer, Erik ten Hag. Sie sollten die Zukunft des FC Bayern denken, der eine als Trainer der Profis, der andere als Sportvorstand, der dritte als Trainer der zweiten Mannschaft.

Guardiola und Sammer dürften in dieser Woche sehr angenehme Gedanken gehabt haben, als auch rechnerisch deutscher Meister. Ganz anders ten Hag. Er muss eine Zukunft des FC Bayern II denken, die zurzeit äußert ungewiss ist.

Die Mannschaft empfängt an diesem Freitag (19 Uhr) den FC Eintracht Bamberg, sie empfängt als Tabellenführer der Regionalliga Bayern. Doch es ist keine komfortable Situation. Der FC Bayern II hat in diesem Jahr erst ein Spiel gewonnen. "Als wir in der Vorrunde zehn Punkte Vorsprung hatten, haben wir uns zu sicher gefühlt", sagt Michael Tarnat, der Sportliche Leiter der Nachwuchsabteilung, "wir haben gedacht, es geht von alleine."

In der Winterpause, im Trainingslager in der Türkei, haben ten Hag und Tarnat daher mit jedem einzelnen Spieler gesprochen, es ging um zwei Punkte. Erstens um das Umschaltspiel nach einem Ballverlust. "Wir müssen viel, viel schneller spielen", sagt Tarnat drei Partien später. Zweitens um die Stimmung im Team. Auch dieses Problem ist nicht gelöst.

Saisonbilanz des FC Bayern
:Top of the Peps

Super, super, super - oder nur super? Bayern-Trainer Guardiola hat eine Mannschaft der Superlative geformt. Manuel Neuer gibt den Tiki-Taka-Torwart, Thiago den Charakterbüffel und Robben und Ribéry beweisen sich als Seitenstreifen-Artisten - der Kader in der Saison-Einzelkritik.

Von Christof Kneer

Wer sich im Umfeld der Mannschaft umhört, erfährt von chaotischen Zuständen, von Spielern, die sich überwinden müssen, zum Training zu fahren. Von zwei Lagern, die Probleme miteinander haben. Und mittendrin steht der Trainer. Schaut zu. Und greift nicht ein.

Erik ten Hag, 44, ist ein klassischer niederländischer Fußballtrainer. Er denkt das Spiel in Systemen, kann sich stundenlang vertiefen in die Details der Geometrie auf dem Rasen. Wer muss wann wo stehen, damit der Ball schnell zirkuliert und schließlich im Tor landet. Darum geht es ihm. Er denkt Fußball in Positionen, nicht in Personen. Ganz besonders denkt er Fußball nicht in Hierarchien. Trainer, Mannschaft, Ball, das ist seine Hierarchie.

Zu Beginn der Saison, als das Team 13 von 14 Spielen gewann, funktionierte diese theoretische Herangehensweise. Inzwischen zeigt sich jedoch, dass die Mannschaft nicht nur einen Taktiker benötigt. Sondern auch einen Pädagogen.

Als ten Hags Vorgänger Mehmet Scholl 2012 schlecht in die Saison gestartet war, ordnete er Zweikampftraining an. Um zu demonstrieren, wie er durchgreift, lud er auch Journalisten ein. Den jungen Spielern sagte Scholl: Erobert den Ball. Den anderen sagte er: Vergiss den Ball, geh' auf den Körper der jüngeren. Er lässt nichts durchgehen, das war Scholls Botschaft.

Unter ten Hags flacher Hierarchie gibt es dagegen zwei Lager: die Gruppe der talentierteren Spieler, die oft großspurig auftreten, die meisten sind jahrelang allein mit ihrem Können vorangekommen. Und die Gruppe der weniger talentierten Spieler, die viel arbeiten müssen, weil sie wissen, dass sie es allein mit ihrem Talent nicht schaffen werden. Die Gruppen haben untereinander keinen Kontakt, manchmal verpetzen sie sich beim Trainer. "Das sind Nebenkriegsschauplätze", sagt Tarnat. Im Trainingslager hätten ihm alle Spieler bestätigt, dass die Probleme ausgeräumt seien. Dass die Mannschaft gespalten sei, sagt Tarnat, sei "dummes Geschwätz".

Ten Hag verstärkt diese Spaltung anscheinend, indem er vor allem auf das eine Lager vertraut. Auf die Spieler, die gut mit dem Ball umgehen können. Die jedoch teilweise leidenschaftslos spielen und an ihre eigene Zukunft denken. Die sehen sie nicht beim FC Bayern II. Echter Zusammenhalt ist in den Spielen für Außenstehende kaum zu erkennen.

Ten Hag hat versucht, die Mannschaft so auszurichten wie die Profis des FC Bayern, viel Ballbesitz, viel Zirkulation, und dann im richtigen Augenblick in die Lücken stoßen. Doch dem FC Bayern II fehlt dafür das Tempo. Die Spieler rücken teilweise nicht nach, der Ball wechselt zu langsam die Seiten, die Gegner können sich problemlos sortieren.

Deutscher Meister FC Bayern
:Diszipliniert, sogar beim Jubeln

Die Spieler des FC Bayern verschwinden nach einer Polonaise schnell in der Kabine, auch die Feier in einer Berliner Bar endet früh. Der gemäßigte Jubel über die gewonnene Meisterschaft mag arrogant wirken, doch darin zeigt sich das Bewundernswerte am Meisterjahrgang 2014.

Von Andreas Glas

Diese fehlende Dynamik verschärft Ten Hag offenbar mit seinen Übungen. Oft lässt er zwei Stunden lang trainieren, macht aber immer wieder zehnminütige Pausen, um die Taktik zu erklären. So spielt die Mannschaft auch: Sie hat den Ball, sie lässt ihn laufen, und doch ist alles zu statisch. "Wir müssen den Ball mehr nach vorne spielen, nicht nur in die Breite", fordert Tarnat.

Unter Scholl hatte das Team den Ball manchmal einfach nach vorne geschlagen, im Zweifel zum Gegner. Aber sie hat ihn dann auch oft wieder erobert, besaß ihn in einer gefährlichen Spielfeldzone. Und der Gegner war unsortiert. Je länger die Saison dauerte, umso mehr war auf dem Platz ein Gefüge zu erkennen.

In dieser Rückrunde bleiben dagegen Leistungsträger der vergangenen Saison wie Alessandro Schöpf oder Rico Strieder deutlich hinter ihrem Potenzial. Beim Tabellenführer spielen überwiegend Spielern, denen es an Selbstvertrauen fehlt.

Trotz der Ergebnis-Krise, sagt Tarnat, sei er zuversichtlich, das "Minimal-Ziel" zu erreichen, also die Tabellenführung zu verteidigen. Und dann am besten in die dritte Liga aufzusteigen. Dass nicht alle Spieler miteinander auskommen, will Tarnat nicht überbewerten. Er erinnert an das Jahr 2001, er spielte für die Profis des FC Bayern. "Auch wir waren nicht alle miteinander befreundet." Dennoch endete die Saison mit dem Maximal-Ziel. Dem Champions-League-Titel.

© SZ vom 28.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: