Zweite Bundesliga:1860 siegt bei St. Pauli: "Jetzt leben wir wieder"

Lesezeit: 3 min

Schwere Auswärtsaufgabe gemeistert: 1860 siegt 2:0 beim FC St. Pauli. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Der abstiegsbedrohte TSV 1860 München gewinnt 2:0 beim FC St. Pauli.
  • Während die Konkurrenzn verliert, klettern die Löwen in der Tabelle.
  • Hier geht es zur Tabelle der 2. Fußball-Bundesliga.

Von Thomas Hahn, Hamburg

Ein mausgrauer Himmel lag über dem Stadion am Millerntor. Es war kalt in Hamburg. Und das Spiel, welches der Kiezklub FC St. Pauli gegen seine Gäste aus München zeigte, war auch nicht dazu geeignet, die Herzen zu erwärmen. Eigentlich war es sogar ein ziemlich langweiliger Kick, der sich vor den Augen der 29500 Zuschauer abspielte. Aber den Fußballern des TSV 1860 war das egal, denn sie führten.

Und als Schiedsrichter Knut Kircher dieser umkämpften, aber nicht sehr unterhaltsamen Partie nach etwas mehr als 90 Minuten ein Ende setzte, waren sie voll der Freude über einen wichtigen 2:0 (1:0)-Erfolg, welcher der Mannschaft viel Luft im Abstiegskampf verschafft und der den jungen Trainer Daniel Bierofka zu einem hohen Lob auf den Kampfgeist seiner Spieler veranlasste. "Ich bin stolz darauf, wie sie alle gefightet haben", sagte Bierofka, "und wie sie sich in jeden Ball geschmissen haben."

Der Trainer des FC St. Pauli, Ewald Lienen, hatte es natürlich vorher schon gewusst, dass auch ein weißblauer Abstiegskandidat eine Gefahr sein kann in der Schlussphase dieser Saison. Dass Lienen einen Gegner unterschätzt, kommt bei ihm nicht vor, eher schon übertreibt er ein bisschen. Und seinen früheren Verein 1860 baute er in seiner Vor-Spieltag-Rhetorik zu einem brandgefährlichen Überfall-Kommando auf. "Bis an die Zähne bewaffnet" erwartete Lienen die Münchner am Millerntor, was besonders beim erfahrenen Trainer selbst ein sehr ungutes Gefühl hervorrufen musste - seit seiner Spieler-Karriere in der Bundesliga ist Lienen als bekennender Pazifist bekannt.

1860 versteht: Es gibt hier eine Chance

Glücklicherweise täuschte sich Lienen. Die Sechziger traten in handelsüblicher Sportausrüstung an: keine Waffen, allenfalls etwas längere Stollen für besseren Stand auf regennassem Grund. Die Löwen waren sogar so höflich, den Hamburgern früh das Feld zu überlassen. Aber kämpferisch aufgelegt und einsatzbereit waren sie tatsächlich. 1860-Trainer Daniel Bierofka hatte sein Team genauso aufgestellt wie beim 1:0-Heimerfolg gegen Eintracht Braunschweig vor einer Woche. Und es war ziemlich klar, welchen Plan Bierofka verfolgte: Hinten sollte kein Durchkommen sein und schnelles Konterspiel die Gastgeber in Verlegenheit bringen.

Wahrscheinlich war Bierofka selbst davon überrascht, dass diese Strategie schon früh einen zählbaren Erfolg abwarf. St. Paulis Enis Alushi leistete sich einen Fehlpass, der den Löwen Daylon Claasen in Ballbesitz brachte, und dieser nahm die Einladung umstandslos an. Kurzes Dribbling, strammer Schuss - 0:1. "Tolles Tor", lobte Lienen bitter. Acht Minuten war das Spiel erst alt, 1860 führte, der Tabellen-Vierte war verwundet, und die Münchner verstanden: Es gibt hier eine Chance.

Allerdings nahmen die Hamburger die Räume gern, die sie durch die Münchner Defensiv-Taktik bekamen. Sie bestimmten das Spiel und hatten Chancen. Vor allem Distanzversuche des früheren 1860-Kollegen Sebastian Maier brachten die Löwen in Gefahr. Später setzte St. Paulis Kapitän und Abwehrrecke Sören Gonther den Ball per Kopf knapp über das Tor.

Die Münchner richteten sich allmählich ein in ihrer Rolle als Außenseiter, der keine Schönheitspreise braucht. St. Pauli zog ein umständliches, wenig wirkungsvolles Offensivspiel auf und entfachte noch am meisten Aufregung, als eine Hereingabe Daniel Buballas gegen die Hand des Münchners Gary Kagelmacher prallte. Kein Elfmeter, zu Recht.

Im anderen Strafraum zeigte Kagelmacher einen akrobatischen Seitfallzieher, der St. Paulis Torwart Robin Himmelmann zwar keine Schwierigkeiten bereitete, aber zeigte, dass die Löwen auch ausbrechen konnten aus ihrer Abwehrhaltung. Die Hamburger bemühten sich um so etwas wie eine Schlussoffensive. Aber es blieb bei vergeblichen Versuchen. Richtig gefährlich wurden sie nicht mehr. Maximilian Wittek humpelte vom Platz: Verdacht auf schwere Knieverletzung, die Münchner sorgten sich. Aber der Kampf ging weiter, und bald herrschte heller Jubel bei 1860. Ein letzter Konter brachte das 2:0 durch Levent Aycicek (88.).

Ein dröges Match verwandelte sich in ein Glücksgefühl in Weiß und Blau, und auch der Blick auf die Tabelle wirkte wieder freundlicher. Platz 14, Nichtabstiegsplatz, auch weil die direkte Konkurrenz (Düsseldorf, Frankfurt und der nächste Gegner, Paderborn, das neue Schlusslicht) verlor. "Schöne Momentaufnahme" fand Sportchef Oliver Kreuzer, ohne sich zu sicher zu fühlen. Und Bierofka sagte: "Vor zwei Wochen waren wir tot, jetzt leben wir wieder."

© SZ vom 30.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

2. Fußball-Bundesliga
:Ein Original namens Streich

Die Fußballfreunde dürfen sich nach dem Erstligaaufstieg des SC Freiburg auf einen Trainer freuen, der sich in seiner Schrulligkeit wohltuend abhebt von den meisten seiner Kollegen.

Von Christoph Ruf

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: