Zweite Bundesliga:Fast schon zu viel des Guten

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Blick Richtung Bundesliga: Sebastian Ernst erzielt für die SpVgg Greuther Fürth gegen Eintracht Braunschweig (in Schwarz Felix Kroos) erst das 1:0 - und kann nach dem 3:0 weiter auf den Aufstieg hoffen. (Foto: Wolfgang Zink /Imago)

Für die SpVgg Greuther Fürth rückt der Aufstieg immer näher. Nach dem 3:0 gegen Braunschweig haben die Franken eine hervorragende Ausgangsposition. Auch, weil Trainer Stefan Leitl das spielerische Grundprinzip des Vereins nachgeschärft hat.

Von Christoph Ruf

"Allmächd, wir sind stolz auf euch", rief der Fürther Stadionsprecher nach dem 3:0 gegen Eintracht Braunschweig ins Mikrophon. Übertrieben euphorisch wirkte das nicht. Wie könnte das eine Anrufung des Allmächtigen auch sein, wenn in den 90 Minuten zuvor von der Tribüne immer wieder ein andächtiges "schön" zu hören war, wenn mal wieder eine Fürther Kombination gekonnt zu Ende gespielt wurde - und der Aufstieg in die Bundesliga immer näher rückt. "Es ist nach wie vor ein Traum und den leben wir, wir leben den von Spiel zu Spiel", sagte Trainer Stefan Leitl nach dem fünften Auftritt seiner Mannschaft ohne Niederlage.

Über ein 6:0 hätte sich am Ende dieser einseitigen Fußballpartie jedenfalls niemand beschweren dürfen, die harmlosen Braunschweiger schon gar nicht. Es ist ja, wie es ist in dieser Zweitliga-Saison, die gerade auf die Zielgerade einbiegt: Den vier Mannschaften am unteren Ende des Klassements (Würzburg, Sandhausen, Osnabrück und eben Braunschweig) tritt man mit der Feststellung nicht zu nahe, dass sie nicht zu Unrecht am Tabellenende stehen. Die qualitativen Unterschiede untereinander sind minimal, die zum Tabellen-Mittelfeld hingegen schon.

Der derzeitige Tabellenzweite Fürth hingegen gehört - ähnlich wie der VfL Bochum, der seit Jahren zu den spielstärksten Mannschaften der Liga zählt - zu den Teams, die den Weg zum gegnerischen Tor strikt und erfolgreich mit fußballerischen Mitteln bestreiten. Leitl hat dieses trainerübergreifend gültige Fürther Grundprinzip seit Februar 2019 noch mal nachgeschärft. Sein Team war in den Rückrundenspielen (mit Ausnahme von Kiel und Bochum vielleicht) spielerisch jeweils drückend überlegen. Und gegen Kontrahenten aus der unteren Tabellenhälfte wirken Fürther Partien zuweilen, als betreibe die Mannschaft in grün-weiß eine andere Sportart als der Gegner.

Ernst trifft per Fallrückzieher, Hrgota zeigt eine für Liga zweiaußergewöhnliche Ballmitnahmer

Schon zur Halbzeit stand es am Dienstag dann auch 3:0, bereits der erste Treffer der Fürther Ästheten durch Sebastian Ernst erfolgte stilecht per Fallrückzieher in der 9. Minute. Und nach dem zweiten, einem schnöden, von Branimir Hrgota verwandelten Foulelfmeter (19. Minute), gab es noch ein drittes sehr sehenswertes Tor zu bestaunen. Für die zweite Liga außergewöhnlich war die Ballmitnahme von Hrgota, der den Ball im Vollsprint nicht ganz perfekt serviert bekam, ihn aber trotzdem mit einer flüssigen Bewegung mitnahm und auf Havard Nielsen legte. Dass der diesen dann auch noch gegen die Laufrichtung des guten Braunschweiger Keepers Jasmin Fejzic versenkte (33.), war dann fast zu viel des Guten. "Bei uns in der Kabine ist es wichtig, dass wir ans nächste Spiel denken", sagte Hrgota danach mahnend: "Es ist sehr eng, und wir haben noch viele Spiele."

Wenn der Braunschweiger Trainer Daniel Meyer später fand, dass sein Team "chancenlos" war, traf das jedenfalls ebenso zu wie die Details seines Befundes: "Es gab einen Qualitätsunterschied, den wir anerkennen müssen." Sowohl das "technische Niveau" als auch die "Passschnelligkeit" seien "extrem hoch" gewesen: "Wir haben das Ergebnis in Grenzen gehalten, mehr war heute nicht möglich."

"Auch von uns kam das Kommando, ein bisschen ruhiger zu machen", sagt Fürths Trainer Leitl

Wobei selbst das nur gelang, weil Fürth im zweiten Durchgang seine Anstrengungen stark zurückfuhr und den ein oder anderen Sprint zurückstellte, der am kommenden Sonntag vielleicht mehr Erfolg verspricht. Dann geht es am Millerntor-Stadion gegen den FC St. Pauli. Und damit gegen das einzige Team, das in der Rückrundentabelle noch vor den Franken steht. "Auch von uns kam das Kommando, ein bisschen ruhiger zu machen", gab Trainer Leitl zu, "weil wir am Sonntag schon wieder spielen."

Innenverteidiger Paul Jäckel, der nach einer knappen Stunde leicht humpelnd das Feld verließ, wird am Sonntag auch wieder mittun können. Er wurde bereits im Hinblick auf das Gastspiel bei St. Pauli ausgewechselt - eine Partie, die auch am Mikrofon der Stadionsprecherin interessant werden könnte. In Hamburgs Szeneviertel haben sie nämlich gleich zwei Äquivalente für "Allmächd": Längst bevor beides über den Umweg des Hiphop zum bundesweiten Allgemeingut auf Schulhöfen wurde, leitete "Digger" oder "Alder" am Millerntor emotionale Aussagen ein.

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