Tennis:Herzergreifendes Bruderduell in Washington

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Erfolgreiche Tennisbrüder: Alexander Zverev (links) und Mischa Zverev. (Foto: AP)
  • Beim Tennisturnier in Washington besiegt Alexander Zverev im Achtelfinale seinen Bruder Mischa in zwei Sätzen.
  • "Als wir zurückliefen und uns das Publikum zugejubelt hat, hatte ich fast Tränen in meinen Augen", erzählt Mischa nach dem Match ergriffen.
  • Sie hoffen, dass sich mal in einem Finale gegenüberstehen werden.

Von Matthias Schmid

Es waren Bilder, die die Amerikaner so lieben. Deshalb erhoben sich die Zuschauer im Rock Creek Park Tennis Center von Washington D.C. in der Nacht auf Freitag auch fast alle von ihren Sitzen, als der letzte Ball gespielt war und sich die beiden Brüder unten auf dem Platz lächelnd in den Armen lagen. Sie huldigten Alexander und Mischa Zverev mit stehenden Ovationen, manche auf der Tribüne weinten vor Rührung.

Es kommt nicht allzu häufig vor auf der professionellen Tennistour, dass zwei Brüder gegeneinander spielen, eigentlich sind solche Spiele seit John und Patrick McEnroe so rar wie Regentage in der Sahara. "Battle of the Brothers" hatte die Spielerorganisation ATP deshalb das Duell im Achtelfinale auch ein bisschen zu pathetisch betitelt. "Kampf der Brüder". Aber wer konnte es den Machern schon verdenken, herzergreifende Geschichten lassen sich halt gut verkaufen, erst recht in den USA, wo sie nach rührseligen Stücken geradezu lechzen.

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Aber auch für die beiden Protagonisten selbst, das gaben sie später zu, war es kein gewöhnliches Match. "Es fühlte sich sehr speziell an", bekannte der 30-jährige Mischa Zverev. Der neun Jahre ältere von beiden ist ein eloquenter Kerl, der häufig die passenden Worte findet, um Situationen angemessen zu beschreiben. Die Besonderheiten begannen schon vor der Partie, nach dem Münzwurf, als sie sich noch für ein gemeinsames Foto vor den Fotografen einfanden. "Als wir zurückliefen und uns das Publikum zugejubelt hat, hatte ich fast Tränen in meinen Augen", erzählte Mischa Zverev dem Tennis Channel. "Ich habe mich in diesem Moment gefragt, was wohl unsere Eltern gerade denken."

Das wäre spannend zu erfahren gewesen. Aber ihr Vater Alexander senior, ein ehemaliger sowjetischer Daviscupspieler, saß - wie immer - stoisch und schweigend auf der Tribüne und verfolgte die Begegnung aus sicherer Entfernung. Er sah wie am Ende der jüngere, Alexander, das Match mit 6:3 und 7:5 gewann und nun im Viertelfinale auf Kei Nishikori trifft. Er ist der begabtere Spieler von beiden, das "Next Big Thing" im Welttennis, wie die Amerikaner sagen.

Das hatte Mischa schon vor Jahren betont, da war sein Bruder nicht mal 14 Jahre alt. Aber ahnte bereits damals, dass er alles mitbringt, um später mal auf der Tour reüssieren zu können. Acht Titel hat Alexander mittlerweile gewonnen und sich auf Platz drei in der Weltrangliste vorgespielt. Ihm wird zugetraut, dass er auch mal ein Grand-Slam-Turnier gewinnen und sich damit einreihen kann zwischen Stefanie Graf, Boris Becker, Michael Stich und Angelique Kerber. Auch gegen Mischa konnte der Laie erkennen, dass er wuchtiger schlägt als sein Bruder, dass er technisch besser und variabler ist und mehr Ballgefühl hat.

Den Punkt im schönsten Ballwechsel musste er aber seinem Bruder überlassen. Alexander, der von allen nur Sascha gerufen wird, hatte Mischa von einer Ecke in die andere gescheucht, von links nach rechts und von rechts nach links, um dann selbst ans Netz vorzurücken, um den Ballwechsel mit einem Volleystopp zu beenden. Mischa antizipierte aber den Schlag seines Bruders gekonnt, er erlief den Ball noch, als dieser gerade das zweite Mal den Boden berühren wollte, und spielte ihn mit einem extremen Winkel kurz cross an seinem Bruder vor. Ein wunderbarer Punktgewinn.

Sascha, der häufig noch zu Wutausbrüchen neigt, war entzückt, er lächelte anerkennend. Hinterher sagte er ergriffen: "Wer kann schon von sich behaupten, gegen seinen Bruder gespielt zu haben bei einem der größten Turniere der Welt?" Er hofft, dass das nicht das letzte Aufeinandertreffen zwischen ihnen war. 539 Matches mussten sie beide spielen, bis sie endlich eine gemeinsame Verabredung in einem offiziellen Match auf der Tour hatten. "Ich hoffe, dass wir eines Tages ein Finale bestreiten oder so etwas", fügte Alexander Zverev hinzu.

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In einem Endspiel standen sie schon einmal, aber sie spielten nicht gegeneinander, sondern miteinander. Im Doppel. Sie holten im vergangenen Jahr im französischen Montpellier den Titel. Der Gedanke, dass sie sich in Zukunft tatsächlich in einem Einzelfinale gegenüberstehen ist nicht abwegig. Mischa, in der Weltrangliste auf Rang 42 gelistet, spielt zurzeit das Tennis seines Lebens. So gut, dass er vor Wimbledon das Vorbereitungsturnier in Eastbourne gewann - es war sein erster Titel im Einzel auf der ATP-Tour überhaupt.

Nach Jahren voller Verletzungen und Selbstzweifel waren es die Übungseinheiten mit seinem Bruder, die Mischa über die Sinnkrise hinweghalfen und ihn als Tennisspieler besser machten, er hebt sich wohltuend aus der Masse der gleichförmigen, hart schlagenden Spieler ab, indem er einen furchtlosen Serve-and-Volley-Stil pflegt, er rennt bei jeder Gelegenheit vor ans Netz. Saschas Wunsch könnte sich also bald erfüllen. Und er hat ja strenggenommen noch etwas gutzumachen. In der Bilanz führt sein Bruder mit 2:1. Sie begegneten sich schon zweimal bei Profiturnieren, allerdings auf der Challenger- und der Future-Ebene in der Qualifikation, die die ATP nicht offiziell als Matches anerkennt.

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