Alexander Zverev:Machtlos gegen Berrettinis Aufschlagkunst

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Zum Verzweifeln: Alexander Zverev spielte nicht schlecht gegen Matteo Berrettini - unterlag aber trotzdem glatt in drei Sätzen. (Foto: Patrick Smith/Getty)

Alexander Zverev muss sich wenig vorwerfen lassen, trotzdem verliert er in der dritten Runde gegen den Italiener und seinen Katapult-Serve. Wimbledon bleibt für den Deutschen das Turnier mit seiner schlechtesten Bilanz.

Von Barbara Klimke, London

Als der zweite Satz dieses Drittrundenmatches in Wimbledon beginnen sollte, sprang Alexander Zverev ungeduldig von seinem Stuhl auf und marschierte entschlossen auf den Platz. Sein Gegner, Matteo Berrettini, 27, blieb noch ein wenig sitzen und nahm genussvoll einen Schluck aus seiner Getränkeflasche. Dann stand er auf. Und hüpfte betont locker, das Racket in der Hand, Richtung Grundlinie. Er lag bereits 6:3 in Führung. Und diesen Vorsprung gab der Italiener nicht mehr aus der Hand.

Alexander Zverev, 26, hat beim Rasenklassiker in London am Samstagabend den Einzug ins Achtelfinale verpasst. Er versuchte alles, spielte mutig, konzentriert, konstant und musste sich dennoch der Übermacht des Römers beugen, mit 3:6, 6:7 (4), 6:7 (5). Das Wimbledon-Turnier, bei dem er noch nie die Runde der besten Acht erreichte, bleibt der Grand-Slam-Wettbewerb mit seiner schlechtesten Bilanz. "Es war ein sehr ordentliches Match von mir. Aber in den wenigen entscheidenden Punkten hat er einfach besser gespielt", lautete Zverevs erstes Fazit nach dem Spiel.

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Von Barbara Klimke

Zverev und Berrettini kennen einander gut genug, hatten sich bis zum Samstag fünfmal duelliert, und erst wenige Tagen vor Wettkampfbeginn verabredeten sie ein Trainingsmatch: Danach hatte Zverev eine sehr klare Vorstellung von dem, was auf ihn zufliegen würde in der dritten Runde im All England Club: Katapultaufschläge mit Spitzengeschwindigkeiten von rund 215 km/h sowie ein Slice, den der Römer knapp "drei Zentimeter übers Netz" zischen lässt, wie Zverev berichtete. Berrettinis Rasenkünste schätzte Zverev vorab tatsächlich weit höher ein als etwa die Fähigkeiten von Carlos Alcaraz, dem spanischen Ranglistenersten.

Anders als Zverev hatte Berrettini auch 2021 bereits das Finale der "The Championships" genannten Veranstaltung in London erreicht, allerdings damals gegen Dauersieger Novak Djokovic verloren. Und es gab weitere Gründe, weshalb der Römer sich als eine Art verhinderter Kronprinz an der Church Road sehen durfte: Er hatte im Vorjahr zwei Rasentitel in den Wochen vor Wimbledon gewonnen, erst in Stuttgart, dann im Londoner Queen's Club - und konnte in Wimbledon dann zur seinem Leidwesen wegen einer Corona-Infektion nicht antreten. In diesem Jahr quälte er sich lange mit einer Bauchmuskelverletzung, aber pünktlich zum Turnierstart war die Malaise ausgeheilt.

Berrettini ließ nur eine einzige Breakchance zu

Wenn der Italiener am Samstag gegen Zverev überhaupt eine Schwäche offenbarte, dann im ersten Spiel, bei den ersten nervösen Ballwechseln der Partie: Er drosch einen Ball unkontrolliert ins Netz, leistet sich danach einen Doppelfehler, und schon hatte sich Zverev bei 30:40 einen Breakball erspielt. Es war eine seltene Gelegenheit: Berrettini hatte bis dahin im gesamten Turnierverlauf noch nicht eines seiner Aufschlagspiele verloren. Er wehrte auch diese Gefahr ab - mit einem Ass. Und eine weitere Breakchance ließ der Maestro des Katapult-Serve in den zweieinhalb Stunden Spieldauer nicht mehr zu. In seiner Analyse befand Zverev später, dass er sich "keinen großen Vorwurf machen", müsse: "Er hat einfach zu gut aufgeschlagen, was soll ich da machen? Das ist eben Rasen-Tennis."

Den ersten Durchgang verlor Zverev bei eigenem Aufschlag im siebten Spiel, als ihm erst ein Fehler in einer langen Rallye unterlief und er beim nächsten Punkt den Ball mit Effet knapp neben die Seitenlinie zirkelte.

Stand bereits im Wimbledon-Finale und verlor dort gegen Novak Djokovic: Matteo Berrettini. (Foto: Victoria Jones/dpa)

Abgesehen davon gab es nicht viel, was sich Olympiasieger Zverev hätte vorwerfen können in diesem hochklassigen Schlagabtausch zweier Grand-Slam-Finalisten; er selbst hatte 2020 im Endspiel der US Open gestanden. Denn die Quote seiner ersten Aufschläge lag fast durchgehend bei 85 Prozent; er servierte konstant, wagte Netzangriffe, probierte es mit der Serve-and-Volley-Variante, verteilte die Bälle präzise an den Linien. Und so gestaltete sich der zweite Durchgang offen bis zum 4:4, 30:30, als sich erneut der große Spielverderber dieser ersten Wimbledon-Woche einschlich: als der Regen kam.

Die Plane wurde über Court Number One gezogen, das Dach der zweitgrößten Arena auf der Anlage geschlossen. Aber es dauerte 47 Minuten, bis die Oberschiedsrichterin von Wimbledon, Denise Parnelle, die Grasnarbe nach einer Fachdebatte mit den Akteuren für trocken erklärte und das Spielfeld wieder freigab. Zverev gewann den Punkt - verlor aber wenig später den Tiebreak etwas unglücklich mit 4:7.

Berrettini musste wegen des Regens fünf Tage nacheinander spielen

Auch der dritte Satz wurde erst im Tiebreak entschieden. Ein Mittel gegen die Aufschläge Berrettinis fand Zverev bis zum Ende nicht, obwohl er sogar per Becker-Rolle nach jedem Ball auf dem Rasen hechtete. Berrettini beendete das Duell mit dem fünfzehnten Ass; Zverev war auf zwölf gekommen.

Dass er wegen des Inselregens zu Turnierbeginn sein drittes Match nacheinander spielen musste, war keine Erklärung für die Niederlage. Rivale Berrettini hatte sogar fünf Tage lang nacheinander auf dem Platz gestanden, seine Auftaktpartie zog sich über drei Tage, ehe er am Freitagabend in der zweiten Runde den Australier Alex de Minaur schlug. "Es ist irgendwas Besonderes hier, das mich gewinnen lässt", sagte er. Berrettini trifft nun auf Alcaraz, Zverev tritt vor dem Achtelfinale die Reise nach Hause an.

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