Würzburger Basketballer Livingston:42 Punkte, aber der Dank geht ans Team

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"Auch wenn ich viele Punkte gemacht habe, war das heute keine One-Man-Show": Würzburgs Otis Livingston II gewinnt das Duell gegen sein Tübinger Pendant Jhivvan Jackson. (Foto: Nicolas Wörn/Eibner/Imago)

Das gab's seit über 20 Jahren nicht mehr: Beim 107:101-Erfolg in Tübingen bricht Otis Livingston II von den Würzburg Baskets beinahe einen ewigen Bundesliga-Rekord - doch der Amerikaner könnte den Klub im Sommer schon wieder verlassen.

Von Sebastian Winter

42 Punkte leuchteten auf der Anzeigetafel für Otis Livingston II, es war der Wert, der den spannenden Abend in der Tübinger Paul-Horn-Arena überstrahlte. Der Spielmacher hatte seine Würzburger Basketballer gegen die unermüdlich kämpfenden Tigers aus der schwäbischen Studentenstadt mit seinen Punkten im Spiel gehalten, 15 seiner 22 Versuche aus dem Feld landeten im Korb. Als in der regulären Spielzeit nur noch 33 Sekunden auf der Uhr standen, verwandelte er zwei Freiwürfe zum 87:87-Ausgleich. 36 Sekunden vor Ende der Verlängerung flutschte dann sein Dreier zum 101:99 durch die Reuse. Vier weitere Freiwurftreffer von Livingston ließen Tübingen endgültig zusammensacken, Würzburg gewann 107:101.

Livingston, Trikotnummer 0, durfte nach dem Erfolg statistische Meilensteine für sich reklamieren: Die 42 Punkte sind sein persönlicher Bestwert und bisheriger Saisonrekord in der Bundesliga. Mehr noch: Es ist der höchste Punktewert eines einzelnen Spielers in der BBL seit 21 Jahren.

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Der 26-jährige US-Amerikaner aus Rockford, Illinois, hatte also allen Grund, sich ein wenig übers Würzburger Ensemble zu erheben, als er zur Analyse gebeten wurde. Doch der Einzelkönner sagte Erstaunliches: "Unsere größte Stärke ist die Teamchemie, die wir seit dem ersten Tag haben. Auch wenn ich viele Punkte gemacht habe, war das heute keine One-Man-Show, sondern ein Sieg der ganzen Mannschaft." Der Rekordmann Livingston geißelte sich gar noch selbst: "Ich habe in der ersten Halbzeit unglaublich schlecht verteidigt, und die Jungs mussten meine Fehler ausbügeln."

In der Tat hatten auch Owen Klassen, Collin Welp und Isaiah Washington, der mit einem Double-Double aus 13 Punkten und zwölf Rebounds überzeugte, einen großen Anteil am überaus knappen Sieg. Dieser führt zu einer weiteren leuchtenden Zahl: Es war der siebte in Serie für die Unterfranken, die damit einen neuen Vereinsrekord aufstellten. Hinter dem FC Bayern München bekleiden sie nun Platz vier in der Bundesliga. Das eigentliche Ziel, den Klassenverbleib, können sie nur noch in der Theorie verfehlen. Die Frage ist derzeit eher, ob sich Würzburg direkt fürs Playoff-Viertelfinale qualifiziert. Sechser müssten die Baskets dafür nach der Rückrunde zumindest werden - ein realistisches Ziel.

"Wir spielen Basketball, es ist nicht Golf, Boxen oder Tennis": Livingston sang am Montag ein Loblied auf den Teamspirit der Würzburger. (Foto: Nicolas Wörn/Eibner/Imago)

Für den Aufschwung des Klubs, der lange im Mittelfeld dümpelte und 2022 auch noch seinen Namens- und Hauptsponsor s.Oliver verlor, macht Geschäftsführer Steffen Liebler vor allem Trainer Sasa Filipovski verantwortlich - sowie Sportdirektor und Kaderplaner Kresimir Loncar, der auch Livingston im vergangenen Sommer vom Absteiger Bayreuth nach Würzburg lotste. "Sasa macht eine außergewöhnlich lange Vorbereitung, mehr als zwei Monate waren es vor dieser Saison. Außerdem hat er unser Guard-lastiges Spiel, bei dem es viel um Eins-gegen-eins-Duelle und weniger um Assists geht, variabler gemacht", sagt Liebler.

Loncar hat zugleich viele Teamplayer in den Kader geholt, wie Livingston, der vor dem Training oft noch Extra-Schichten zur Verbesserung seiner Reaktionsfähigkeit macht - und der am Montag nach dem Erfolg in Tübingen das Loblied auf seine Mannschaft fortführte: "Wir spielen Basketball, es ist nicht Golf, Boxen oder Tennis. Jeder Spieler hat seine Rolle und seine Aufgabe im Team, und jeder hat seinen Beitrag geleistet."

Würzburg, wo sich vor exakt 25 Jahren Dirk Nowitzki nach dem Erstliga-Aufstieg seiner DJK-Basketballer nach Amerika in die NBA aufmachte, muss allerdings fürchten, auch Livingston bald wieder zu verlieren, falls er weiterspielt wie bisher in dieser Saison. Er hat nur einen Ein-Jahres-Vertrag unterschrieben und könnte im Sommer wechseln. Geschäftsführer Liebler wünscht sich kaum etwas sehnlicher als mehr Langfristigkeit bei der Planung, aber dafür müsste ein neuer Hauptsponsor her. Bis dahin muss es für Würzburg reichen, den Moment zu genießen, wobei ein weiterer Blick in die Zahlen hilft: Sieben Siege in Serie sind bislang keiner anderen Mannschaft in dieser Bundesligasaison gelungen.

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