World Series im Baseball:Die fatale Auswechslung des Werfers Zack Greinke

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Pitcher Zack Greinke ließ nur einen Run der Nats zu - trotzdem wurde er ausgewechselt. (Foto: USA TODAY Sports)
  • Zum ersten Mal in der Geschichte gewinnen die Washington Nationals die US-Meisterschaft im Baseball.
  • Im entscheidenden siebten Spiel der Serie wechselt der Trainer der Houston Astros seinen starken Werfer bei einer 2:1-Führung aus.
  • Am Ende steht es 6:2 für die Nationals.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Und dann gab AJ Hinch seinem Werfer Zack Greinke einen Klaps auf den Hintern - die unter Sportlern allgemein anerkannte Geste, dass der Trainer mit einem sehr zufrieden ist. Im Baseball bedeutet sie auch, dass die Partie für einen Pitcher nun vorbei ist und der Ball an einen frischen Wurfarm übergeben wird. Der Coach der Houston Astros, die in der entscheidenden siebten Partie der Finalserie um die Meisterschaft zu diesem Zeitpunkt mit 2:1 führten, wechselte Will Harris ein, und dieser Tausch dürfte als eine der fatalsten Entscheidungen in die Geschichte des Sports eingehen: Gerade mal zwei Würfe später stand es 3:2 für die Washington Nationals, die am Ende mit 6:2 gewannen.

Es gibt nun viel zu erzählen nach dieser Partie - zum Beispiel, dass die Nationals, vor 50 Jahren als Montreal Expos gegründet und vor 15 Jahren nach Washington gekommen, zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte den Titel gewonnen haben. Oder dass es in einer der drei großen nordamerikanischen Ligen mit Finalserie (Baseball, Eishockey, Basketball - im Football gibt es das Endspiel "Super Bowl") zum ersten Mal keinen einzigen Heimsieg gegeben hat. Oder dass Nationals-Werfer Max Scherzer 72 Stunden, nachdem er noch nicht einmal seinen Arm hatte heben können, 103 Mal den Ball vom Wurfhügel zum Schlagmal gejagt hat.

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So hatten Trumps Anhänger im Wahlkampf gegen Hillary Clinton skandiert. Dass der US-Präsident den symbolischen ersten Ball nicht werfen wollte, hatte hingegen mit seiner Eitelkeit zu tun.

Die größte, die bedeutsamste Geschichte indes ist dieser Klaps auf den Hintern.

Greinke hatte diese Partie dominiert und die Schlagmänner der Nationals sechs Spielabschnitte lang derart ausgespielt, dass die sich nicht mal mehr ärgerten, sondern bereits verzweifelten - das unter Sportlern allgemein anerkannte Zeichen der Kapitulation. Er hatte bis zum Beginn des siebten Abschnitts nur einen Treffer zugelassen, und er hatte dafür gerade mal 67 Würfe gebraucht. Zum Vergleich: Scherzer, geheilt durch eine Kortison-Spritze, hatte in lediglich fünf Innings sieben Treffer zugelassen und 36 Würfe mehr geworfen.

Greinke war ausgeruht, er hatte fünf Tage lang pausiert - er hätte weiterwerfen können, auch wenn er zu Beginn des siebten Abschnitts einen Homerun von Anthony Rendon zugelassen und Juan Soto ohne Treffer aufs erste Laufmal geschickt hatte. Das war keine Überraschung, Rendon und Soto sind zwei der besten Schlagmänner derzeit, das musste noch kein Hinweis auf Müdigkeit sein. Hinch sah es aber so. "Er hat länger geworfen, als wir von ihm erwartet haben - und länger als bei jeder Partie im Oktober", sagte Hinch nach dem Spiel: "Ich wollte ihn lieber zu früh als zu spät auswechseln."

Nun, er wechselte ihn genau zum richtigen Zeitpunkt aus - für den Gegner.

"Es ist eine Entscheidung, mit der ich leben muss"

Die Auswechslung ist die eine Seite der Geschichte, die andere: der Ersatzmann. Im Bullpen saß Gerrit Cole, der im fünften Spiel eine wahnwitzige Leistung gezeigt hatte und trotz kurzer Pause bereit und ausgeruht genug war, ein paar Abschnitte zu helfen. Er wärmte sich im fünften Inning auf, wurde jedoch nicht eingewechselt. Hinch entschied sich stattdessen für Will Harris, der schon einen Tag davor bei der sechsten Partie einen Homerun zugelassen hatte: "Es ist eine Entscheidung, mit der ich leben muss."

Es hat in der Geschichte des Sports schon einige fragwürdige Entscheidungen von Trainern gegeben, diese reiht sich ein zwischen dem "Miracle on Ice" bei den Olympischen Spielen 1980 (der sowjetische Eishockey-Trainer Wiktor Tichonow holte Wladislaw Tretjak, zu diesem Zeitpunkt der beste Torwart der Welt, beim Stand von 2:2 im Halbfinale gegen die USA vom Eis), dem DFB-Pokal-Halbfinale 2012 (Mike Büskens, Trainer von Greuther Fürth, wechselte Ersatztorwart Jasmin Fejzic fürs Elfmeterschießen ein - der kassierte gegen Ende der Verlängerung gegen Borussia Dortmund den entscheidenden Treffer, weil der Ball von seinem Rücken ins Tor kullerte) und dem 49. Super Bowl im Jahr 2015 (Seattle-Trainer Pete Carroll gab den Ball kurz vor Schluss nicht Laufspieler Marshawn Lynch, er lies werfen; New England fing den Ball ab und gewann).

Nun also: Harris warf, und Howie Kendrick prügelte den Ball auf die Tribüne. "Ich glaube, dass es ein guter Wurf war", sagte Harris danach: "Aber es war ein meisterhafter Schlag von einem Typen, der nun Meister ist." Von diesem Schock erholten sich die Astros, die vor zwei Jahren die entscheidende siebte Partie der Finalserie bei den Los Angeles Dodgers gewonnen hatten, nicht mehr - die Nationals-Pitcher Patrick Corbin und Daniel Hudson warfen die Partie sicher nach Hause. Werfer Stephen Strasburg, der bei dieser Partie nicht zum Einsatz kam, wurde wegen seiner grandiosen Leistungen in den Spielen zwei und sechs zum wertvollsten Spieler der Serie gewählt.

Die Nationals - Mitte der regulären Saison abgeschlagen, gerade so in die Playoffs gerutscht und in den Playoffs bei fünf Partien, bei denen das Scheitern drohte, jeweils in Rückstand - nahmen das Geschenk von Hinch dankbar an. Kendrick hatte Anfang Oktober schon die Division Series gegen die Dodgers mit einem Homerun entschieden, nun traf er erneut und wurde im Alter von 36 Jahren zum ersten Mal Meister. Als er nach seinem Homerun die Bases umrundet hatte, wartete Kollege Soto auf ihn - und gab ihm einen Klaps auf den Hintern.

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