World Series im Baseball:Wie Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle

MLB: World Series-Houston Astros at Washington Nationals

Überragender Mann: Werfer Gerrit Cole von den Houston Astros.

(Foto: USA TODAY Sports)
  • Mit einem kleinen Kunstwerk bringt Werfer Gerrit Cole seine Houston Astros in der Finalserie um die amerikanische Baseball-Meisterschaft nach vorne.
  • Cole gestattete den Gegnern gerade mal drei Treffer und einen Punkt. Er warf neun Gegenspieler aus.
  • Die Astros führen nach drei Siegen hintereinander in der Best-of-seven-Serie nun mit 3:2.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Max Scherzer wusste bereits am Sonntagmorgen, nachdem er aus dem Bett geplumpst war, dass dies kein besonders guter Tag werden würde. "Ich habe mich mit dem linken Arm nach oben gezogen, mit dem rechten ging überhaupt nichts", sagte der Baseballprofi der Washington Nationals über die schlimmen Krämpfe in Hals und Rücken, die einen Einsatz in der fünften Finalpartie gegen die Houston Astros verhinderten. Er habe sogleich, mit der linken Hand übrigens, eine Textnachricht an den Kollegen Joe Ross geschickt, er solle sich auf einen Einsatz vorbereiten.

Es kam also nicht zum zweiten Duell zwischen Scherzer und Gerrit Cole, zwei der besten Werfer in der nordamerikanischen Baseballliga MLB, und das ist einer der Gründe, warum die Astros die fünfte Partie dieser Endspielserie 7:1 gewannen: Die Schlagmänner knallten Ross und später Tanner Rainey und Daniel Hudson die Bälle um die Ohren, Cole dagegen präsentierte ein sportliches Kunstwerk. Er gestattete den Gegnern gerade mal drei Treffer und einen Punkt. Er warf neun Gegenspieler aus, insgesamt hat er in diesen Playoffs bereits 47 dieser sogenannten Strikeouts geschafft, so viele wie bislang nur Cliff Lee für die Texas Rangers im Jahr 2010.

Die Astros führen nach drei Siegen hintereinander in der Best-of-seven-Serie nun mit 3:2, sie können das vierte Team in der Geschichte werden, das zu Beginn der World Series beide Heimspiele verliert und doch noch den Titel gewinnt: Den Kansas City Royals gelang das 1985, den New York Mets 1986 und den New York Yankees 1996. Die sechste Partie findet am Dienstag statt, es soll dabei zum nicht minder spannenden und hochklassigen Duell zwischen Houstons Werfer Justin Verlander und Stephen Strasburg kommen.

Die Nationals-Fans bestaunen schockiert, was Cole anstellt

Baseball entfaltet seinen wahren Zauber, wenn sich ein Werfer, der sogenannte Pitcher, "in the zone" befindet. Das Schwere wirkt dann plötzlich sehr leicht: Pitcher müssen den Ball ja aus 18 Metern Entfernung in einer bestimmten Zone (der Strike Zone) unterbringen, ohne dass der Schlagmann ihn trifft. Und Cole gelang das am Sonntag meisterhaft. "Es war ein Kunstwerk, ein Gemälde", sagte der Teamkollege Yuli Gurriel danach über Cole, der sich noch nicht einmal von zwei Frauen in den vorderen Reihen ablenken ließ, die ihm ihre blanken Brüste zeigten - als hätte sich Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle von irgendwem ablenken lassen.

Wer verstehen will, wie grandios Cole geworfen hat, dem sei das Duell gegen Washingtons Schlagmann Ryan Zimmerman im zweiten Spielabschnitt an Herz gelegt. Es stand 0:2, die Nationals hatten zwei Läufer auf die Bases gebracht, ein Homerun hätte die Partie komplett gedreht, und Zimmerman ist in seinem 15. Profijahr noch immer bekannt dafür, in wichtigen Momenten besonders gut zu treffen. Die Leute im Stadion standen allesamt auf in Erwartung eines großen Moments. Der US-Präsident Donald Trump war einer davon, er wollte, dass dieses nur ein paar Kilometer vom Weißen Haus entfernte Stadion tobte, weil er das dann sicherlich auf sich selbst hätte beziehen können .

Die Nationals-Fans jedoch bestaunten schockiert, wie Cole sein komplettes Repertoire zeigte: einen Slider, der für den Schlagmann so aussieht wie ein schneller Ball, jedoch seitlich nach unten wegbricht. Danach den schnellen Ball mit einer Geschwindigkeit von 160 km/h, der innerhalb von 0,375 Sekunden von der Hand des Werfers beim Schlagmal ankommt. Und dann den sogenannten Knuckle Curve - einen hundsgemeinen Flatterball mit Drall nach unten, bei dem die Schlagmänner so aussehen, als würden sie mit ihrem Knüppel eine Fliege jagen. Zimmermann schwang derart weit daneben, als hätte er tatsächlich eine Fliege treffen wollen, danach blickte er ungläubig zu Cole und zuckte mit den Mundwinkeln, als wolle er sagen: "Puh, wer soll so ein krummes Ding denn treffen?"

Und Scherzer? Der bekam eine Cortisonspritze

Der Vertrag von Cole, 29, läuft nach dieser Saison aus, und es heißt, dass der neue Kontrakt - bei welchem Klub auch immer - sämtliche Rekorde brechen könnte. Den für Werfer hält übrigens Max Scherzer, die Nationals bezahlen ihm in dieser Saison 35,9 Millionen Dollar und insgesamt 210 Millionen Dollar über sieben Jahre verteilt. Das führt direkt zum weiteren Verlauf der Serie: Pitcher müssen sich nach Spielen mehrere Tage lang ausruhen; wer wie Cole am Sonntag 110 Würfe absolviert, der braucht im Grunde fünf Tage Pause.

Bei der sechsten Partie wird es wie erwähnt das Duell zwischen Strasburg und Verlander geben (das erste im zweiten Spiel der Serie gewann Strasburg), eine mögliche siebte Partie fände nur einen Tag später statt. Cole hätte dann nur zwei Tage Pause gehabt. Und Scherzer? Der bekam eine Cortisonspritze, die innerhalb von 48 Stunden wirken soll. "Ich hoffe, dass die Ärzte richtigliegen und für Spiel sieben was möglich sein wird", sagte er. Sollte die Finalserie in die siebte Partie gehen, würde es überraschen, wenn Cole und Scherzer nicht irgendwann, und wenn auch nur kurz, auf dem Wurfmal stehen und ihr Duell nachholen.

Zur SZ-Startseite

Baseball in Washington
:Wenn die Superhelden werfen, macht es "fupp"

Erstmals in der Vereinsgeschichte spielen die Washington Nationals um den Sieg in der Baseball World Series. Ihr großer Vorteil: Die vier Werfer sind unberechenbar.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: