Wolfsburg siegt in Istanbul:Alles auf die 84

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Misimovic, Gentner, Dzeko: Das überraschend souveräne 3:0 in Istanbul verschafft dem deutschen Meister VfL Wolfsburg sehr gute Aussichten aufs Weiterkommen.

Die Kabinenansprache gehört immer noch zu den Geheimnissen des Fußballs, ebenso wie die Videositzung. Die stellt man sich so vor, dass die Fußballprofis brav aufgereiht in einer Art Klassenraum sitzen und ergriffen den Worten des Fußballlehrers lauschen, der ihnen erklärt, dass die Raute des Gegners - zum Beispiel - ein bisschen nach links hängt. Es könnte aber sein, dass die Sitzung vor der Champions-League-Partie des VfL Wolfsburg bei Besiktas Istanbul etwas kürzer ausgefallen ist. Wer sich die erste Viertelstunde des Spiels betrachtete, musste davon ausgehen, dass sich die Taktikempfehlung von Trainer Armin Veh auf folgenden Satz beschränkte: Schießt oder flankt einfach Richtung Torwart! Dieser Torwart, Hakan Arikan, trug zum besseren Verständnis gleich die schicke Nummer 84 auf dem Rücken, sodass jeder begriff, dass es sich nur um den Ersatzmann für Nationalkeeper Rüstü Recber handelte.

Tor zum vorentscheidenden 0:2: Wolfsburgs Christian Gentner. (Foto: Foto: dpa)

In der Anfangsviertelstunde leistete sich Arikan tatsächlich ein paar lustige Aussetzer, aber zu seiner Ehrenrettung sei gesagt, dass den Führungstreffer von Zvjezdan Misimovic kein Keeper der Welt gehalten hätte: Der stramme 25-m-Schuss zum 1:0 (14.) stellte früh die Weichen Richtung Sieg. Mit 3:0 bezwang der deutsche Meister am Ende verdient den Tabellenletzten - ein besonders wertvoller Sieg, da das Parallelspiels zwischen ZSKA Moskau und Manchester United unentschieden endete. Den dritten Gruppenrang und damit die Qualifikation für die Europa League haben die Wolfsburger schon sicher.

Chancen für ganze Spiele

Womöglich hatte Trainer Veh vor dem Spiel ja noch einen zweiten Satz gesagt, nämlich: Holt hier in Istanbul die Punkte, die wir zum Weiterkommen brauchen! Das Restprogramm sieht Spiele in Moskau und gegen Manchester vor, was nicht zwingend die volle Ausbeute garantiert. Die Schüler hatten ihrem Fußballlehrer gut zugehört; sie rannten von Beginn an munter nach vorne, und vom unsicheren Keeper profitierten sie doppelt: Ihm gelang es rasch und mühelos, seine Abwehrspieler mit seiner Verunsicherung anzustecken. Gentner (8., Schrägschuss), Misimovic (10., Einzelaktion) und Abwehrchef Costa (11., Flugkopfball) hatten Chancen, die an normalen Tagen für ganze Spiele reichen können.

Bei den Türken war kurzfristig der ehemalige Schalker Fabian Ernst (Magenverstimmung) ausgefallen, weshalb Besiktas anfangs vollauf mit Sortierungsarbeiten beschäftigt war. Dabei ging einiges durcheinander, was wunderschön vor dem 0:1 zu erkennen war, als Michael Fink, der zweite ehemalige Bundesligaprofi in Diensten von Besiktas, ein bisschen allzu sehr auf Raumdeckung umschaltete. Der einstige Frankfurter begleitete Misimovic in so höflichem Abstand, dass der das als Einladung zum Fernschuss verstehen musste. Es dauerte eine Weile, ehe die Türken zeigten, dass sie sich auch in der vorderen Hälfte des Spielfeldes auskennen. Die Wolfsburger spielten nun, als hätte ihnen der Lehrer Veh auch den Satz "Lasst's nach der Führung locker angehen" mitgegeben (was er bestimmt nicht hatte); so kam es, dass Serdar Özkan von rechts in Richtung Diego Benaglios Strafraum einbog (34.) und nur knapp drüberschoss.

Dzekos Schuss unhaltbar

Es war eine Szene, die die Richtung für die zweite Halbzeit vorgab. Die Wolfsburger dürften sich geärgert haben, dass sie sich nicht frühzeitig ums zweite Tor gekümmert hatten, denn nun riskierte Besiktas mehr. Der Brasilianer Tabata machte den Deutschen arg zu schaffen, was zu zwei mittelgroßen Chancen führte (55., 67.). Es war nun schwer herauszufinden, ob die Wolfsburger sich nicht befreien konnten oder ob sie gar nicht wollten, weil sie auf die Harmlosigkeit der ersatzgeschwächten Türken vertrauten - Letzteres wäre fahrlässig gewesen, wie Finks Schuss bewies (77.), der knapp vorbeistrich. Oder hatte Veh in der Videositzung etwa gesagt: "Setzt einen entscheidenden Konter"? Den setzten sie, als Dzeko per Alleinlauf zunächst am Torwart mit der Nr. 84 scheiterte, was der Torwart aber zum Anlass nahm, dem Ball Richtung Strafraumgrenze hinterherzurennen. Dort kam der Ball zu Gentner, der locker einschoss (80.). Dzeko schloss später einen weiteren Konter zum 3:0 (87.) ab, und dieses Tor war: unhaltbar.

© SZ vom 04.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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