Overath tritt beim 1. FC Köln zurück:"Vielen, vielen Dank - und maat et jot"

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Völlig unerwartet tritt Wolfgang Overath als Präsident des 1. FC Köln zurück und hinterlässt ratlose Gesichter. Zwar sieht Overath den Verein gerüstet für die Zukunft - gekränkt spricht er jedoch von "bösartiger Kritik" gegen seine Person. Zwei Funktionäre werden den Klub zunächst kommissarisch führen.

Daniel Theweleit, Köln

Irgendwann am späten Sonntagnachmittag schlug Wolfgang Overath die Hände vors Gesicht, er rieb seine Wangen, blickte nach oben, ganz so, als würde er erst nach und nach realisieren, was er da gerade angerichtet hatte. Der Präsident des 1. FC Köln hatte auf der jährlichen Mitgliederversammlung früh das Wort ergriffen - und am Ende einer bewegten Rede ziemlich überraschend seinen Rücktritt erklärt.

Überraschender Rücktritt: Wolfgang Overath. (Foto: dapd)

"Vielen, vielen Dank - und maat et joot", rief Overath, seine Vorstandskollegen Friedrich Neukirch und Jürgen Glowacz folgen ihm. Es war ein Rücktritt mit Geschichte.

Spätestens seit der Mitgliederversammlung von 2010 war das Verhältnis zwischen dem Präsidenten und vielen aktiven Mitgliedern schwer zerrüttet. Das hat den stolzen Weltmeister von 1974 offensichtlich tief verletzt. Voller Bitterkeit klagte Overath über seine Widersacher, die - so der Subtext der Rede - die Verantwortung tragen für diesen Rücktritt.

Von einer "nie konstruktiven, sondern bösartigen Kritik", sprach der gestürzte Ehrenamtler, so muss er den Gegenwind empfunden haben. Dabei haben Oppositionsgruppen wie "fc:reloaded" zwar emotional motivierte und sehr kontrovers diskutierte, aber durchaus inhaltlich orientierte Vorschläge vorgetragen.

Es war eine typische Overath-Rede: emotional, nur widerwillig bereit, Kritik an der eigenen Arbeit zu akzeptieren, geprägt von gekränktem Stolz. Schon nach wenigen Sätzen begannen viele Leute im Plenum verärgert zu pfeifen. Als Overath klagte, er sei in seiner Amtszeit "in einer Art und Weise verunglimpft und beleidigt" worden, wie er es "noch nie erlebt" habe, und dann auch noch meinte, dass der Widerstand nur von einer "kleinen Gruppe" ausgegangen sei, tobten viele der Versammlungsbesucher vor Wut.

Schon vor einem Jahr, als die Mitglieder sich weigerten, das Präsidium zu entlasten, habe er über einen Rückzug nachgedacht, berichtete Overath, doch er wollte den damaligen Tabellenletzten, "nicht im Stich lassen". Nun sei der Klub "gut aufgestellt für die Zukunft, deswegen haben wir uns entschlossen, als Präsidium (...) zurückzutreten", sagte der einstige Weltklassespieler. Die Mitglieder schrien auf, es war eine Mischung aus Bestürzung und Begeisterung. Einige jubelten, als habe Lukas Podolski gerade ein Tor gegenMönchengladbach geschossen, andere schüttelten entsetzt den Kopf.

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Denn natürlich waren längst nicht alle erfreut über diesen Rücktritt. Spätestens als die Mitglieder das Wort ergriffen, wurde deutlich, dass FC ein tief gespaltener Verein ist. So wurde Stefan Müller-Römer, der Sprecher von "fc:reloaded", wütend ausgepfiffen, Sicherheitskräfte mussten eingreifen, weil streitende Mitglieder im Saal handgreiflich wurden.

Für die Overath-Freunde ist Müller-Römer der Königsmörder. Und die Redner, die Overath nachtrauerten, wurden vom anderen Teil der Mitglieder ausgebuht. Die Kultur der Debatte war geprägt von wilden Emotionen und einer erschütternden Respektlosigkeit.

Dabei lässt sich über Overaths Bilanz kaum streiten. In den siebeneinhalb Jahren unter dem gebürtigen Siegburger ist der Klub abgestiegen, erst im zweiten Jahr wieder aufgestiegen und dann mit Mühe und gewaltigem finanziellem Aufwand drei Spieljahre in Serie nicht erneut in die zweite Liga abgerutscht. Der Schuldenstand hat sich mehr als verdreifacht, auf rund 30 Millionen Euro. Stale Solbakken ist der achte Trainer der Overath-Jahre, zur Ruhe kam der Verein nie. Stark war Overath vor allem als Netzwerker, er hat Sponsoren und Investoren für den Klub gewonnen.

Ein neues Präsidium wird nun laut Paragraph 20, Absatz 3 der Klubsatzung "in einer unverzüglich einzuberufenden Mitgliederversammlung" gewählt. Zunächst führen Werner Wolf als neuer Verwaltungsrats-Vorsitzender und dessen Stellvertreter Josef Sanktjohanser den Verein kommissarisch. Beide wurden am Sonntagabend bei der konstituierenden Sitzung des Gremiums gewählt.

© SZ vom 14.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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