Natürlich wird die Kasan-Arena auch diesmal wieder blitzen und funkeln. An diesem Mittwoch wendet sich zum vorerst letzten Mal der Blick der Fußballwelt auf die Hauptstadt Tatarstans und ihr Vorzeige-Stadion, wenn Portugal im Halbfinale des Confed Cups auf Chile trifft. Dann gibt es auch wieder viel Aufmerksamkeit für die Besonderheiten des Bauwerks, für die geschwungene Dachkonstruktion oder für die nach offiziellen Angaben exakt 3622 Quadratmeter große Leuchtfassade. Nicht ganz so viel Aufmerksamkeit hingegen erhält der Parkplatz nördlich der Arena, direkt auf der anderen Seite des sechsspurigen Prospekts Jamaschewa, der etwa 1000 Automobilen Platz bietet. Dabei verdient der auch einen intensiveren Blick.
In elf russischen Städten steigt nächstes Jahr die Fußball-WM, und wer sich dort umhört, vernimmt nicht nur die großen Themen wie die immensen Kosten, mutmaßliche Bereicherung oder den unwürdigen Umgang mit Arbeitskräften. Sondern auch viele kleine Beispiele dafür, was mit Interessen und Rechten der Bürger passiert, wenn eine Fußball-WM ansteht. In Kasan betrifft das etwa jenes Gebiet im Norden der Arena, wo kürzlich noch keine Stellplätze waren, sondern viele Bäume.
Iskander Jasawejew sitzt ein paar Kilometer von der Arena entfernt in einem kleinen Café nahe der Uliza Baumana. Das ist Kasans zentrale Fußgängerzone, von der absehbar ist, dass dort während der WM eine Art Fanmeile entsteht. Jasawejew ist Soziologe und in einer Gruppe von Umweltschützern und Bürgerrechtlern aktiv, die sich gegen die neue Müllverbrennungsanlage oder die zunehmende Verschmutzung der Wolga engagieren. Der Parkplatz, der mal ein Wäldchen war, ist für ihn "ein Beispiel, wie unverantwortlich die Mächtigen mit den Bürgern umgehen", sagt er: "Da gab es so viele fragwürdige Vorgänge."
Seit vier Jahren steht die Arena, fertiggestellt zur Universiade 2013. Doch im Herbst rollte noch mal schweres Gerät heran. Eingerahmt von größeren Straßen und dem Kasanka-Fluss befindet sich nördlich der Arena seit Jahrzehnten ein größeres Waldstück. Doch ein paar Hektar davon sollten auf einmal gefällt werden. Ohne richtige Ausschreibung, ohne klare Information der Anwohner.
Die Argumentation der Verantwortlichen von Stadt und Stadion war einfach: Gemäß der Forderungen des Weltverbandes Fifa brauche es aus Sicherheitsgründen noch eine Fläche für Parkplätze. Außerdem sei das Stückchen Wald ohnehin nicht umfangreich genutzt worden. Die Umweltaktivisten hingegen verwiesen auf die ökologische Bedeutung, die ein Gutachten herausarbeitet, auf den schützenswerten Tier- und Baumbestand und die Naherholungsmöglichkeit für die Anwohner. In Kasan gebe es ohnehin zu wenige Grünflächen. Und zudem kursierte der Verdacht, dass der Parkplatz nur der erste Schritt der Mächtigen war - und bald auch Bäume des verbliebenen Waldstückes fallen sollen, um luxuriösen Unterkünften zu weichen, schön gelegen am Kasanka-Ufer.