WM-Vergabe an Russland:Wie Russland Aktivisten ruhig stellt

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Zu jeder Tageszeit ein beliebtes Fotomotiv: die Arena von Kasan. Nur gegen die Abholzung eines nahen Wäldchens sollte man besser nicht protestieren. (Foto: John Sibley/Reuters)
  • Weil der Fußball-Weltverband Fifa in Russland nach mehr Parkplätzen verlangt, verschwindet ein Waldstück. Umweltaktivisten werden während der Confed-Cup-Auslosung festgesetzt.
  • Bürgerinteressen zählen nicht, wenn eine Weltmeisterschaft ansteht.
  • Und die Fifa? Die sieht sich nicht weiter in der Verantwortung.

Von Johannes Aumüller, Kasan

Natürlich wird die Kasan-Arena auch diesmal wieder blitzen und funkeln. An diesem Mittwoch wendet sich zum vorerst letzten Mal der Blick der Fußballwelt auf die Hauptstadt Tatarstans und ihr Vorzeige-Stadion, wenn Portugal im Halbfinale des Confed Cups auf Chile trifft. Dann gibt es auch wieder viel Aufmerksamkeit für die Besonderheiten des Bauwerks, für die geschwungene Dachkonstruktion oder für die nach offiziellen Angaben exakt 3622 Quadratmeter große Leuchtfassade. Nicht ganz so viel Aufmerksamkeit hingegen erhält der Parkplatz nördlich der Arena, direkt auf der anderen Seite des sechsspurigen Prospekts Jamaschewa, der etwa 1000 Automobilen Platz bietet. Dabei verdient der auch einen intensiveren Blick.

In elf russischen Städten steigt nächstes Jahr die Fußball-WM, und wer sich dort umhört, vernimmt nicht nur die großen Themen wie die immensen Kosten, mutmaßliche Bereicherung oder den unwürdigen Umgang mit Arbeitskräften. Sondern auch viele kleine Beispiele dafür, was mit Interessen und Rechten der Bürger passiert, wenn eine Fußball-WM ansteht. In Kasan betrifft das etwa jenes Gebiet im Norden der Arena, wo kürzlich noch keine Stellplätze waren, sondern viele Bäume.

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Iskander Jasawejew sitzt ein paar Kilometer von der Arena entfernt in einem kleinen Café nahe der Uliza Baumana. Das ist Kasans zentrale Fußgängerzone, von der absehbar ist, dass dort während der WM eine Art Fanmeile entsteht. Jasawejew ist Soziologe und in einer Gruppe von Umweltschützern und Bürgerrechtlern aktiv, die sich gegen die neue Müllverbrennungsanlage oder die zunehmende Verschmutzung der Wolga engagieren. Der Parkplatz, der mal ein Wäldchen war, ist für ihn "ein Beispiel, wie unverantwortlich die Mächtigen mit den Bürgern umgehen", sagt er: "Da gab es so viele fragwürdige Vorgänge."

Seit vier Jahren steht die Arena, fertiggestellt zur Universiade 2013. Doch im Herbst rollte noch mal schweres Gerät heran. Eingerahmt von größeren Straßen und dem Kasanka-Fluss befindet sich nördlich der Arena seit Jahrzehnten ein größeres Waldstück. Doch ein paar Hektar davon sollten auf einmal gefällt werden. Ohne richtige Ausschreibung, ohne klare Information der Anwohner.

Die Argumentation der Verantwortlichen von Stadt und Stadion war einfach: Gemäß der Forderungen des Weltverbandes Fifa brauche es aus Sicherheitsgründen noch eine Fläche für Parkplätze. Außerdem sei das Stückchen Wald ohnehin nicht umfangreich genutzt worden. Die Umweltaktivisten hingegen verwiesen auf die ökologische Bedeutung, die ein Gutachten herausarbeitet, auf den schützenswerten Tier- und Baumbestand und die Naherholungsmöglichkeit für die Anwohner. In Kasan gebe es ohnehin zu wenige Grünflächen. Und zudem kursierte der Verdacht, dass der Parkplatz nur der erste Schritt der Mächtigen war - und bald auch Bäume des verbliebenen Waldstückes fallen sollen, um luxuriösen Unterkünften zu weichen, schön gelegen am Kasanka-Ufer.

Solche Geschichten gibt es oft beim Bau größerer Projekte. Aber es geht nicht nur um den inhaltlichen Konflikt, sondern auch um das Verhalten der Mächtigen gegenüber den Aktivisten. Als die Arbeiten losgingen, versuchten es die Protestler mit improvisiertem Widerstand und stellten sich mit ihren Autos in den Weg. Aber das ging nicht lange gut, erstens war die Gruppe zu klein, zweitens kam bald die Polizei.

Doch dann sahen sie eine Möglichkeit für neuen Protest. Ende November fand in Kasan die Auslosung für die Confed-Cup-Gruppen statt, selbst Fifa-Chef Gianni Infantino reiste an. Proteste einzelner Personen sind in Russland auch ohne Anmeldung möglich. Und so verabredeten sieben Aktivisten, dass immer einer von ihnen mit einem großen Plakat in der Nähe des Auslosungsortes stehen sollte. Sie wiesen sogar in sozialen Netzwerken darauf hin, und das war wohl ein Fehler. Am Tag der Auslosung kamen sechs der sieben Aktivisten nicht in die Nähe der Veranstaltung, sondern auf die Wache. Alle waren sie von der Polizei festgesetzt worden - mit teils skurrilen Argumenten. Drei Stunden mussten sie dort bleiben, so wie es die gesetzlichen Vorschriften gerade noch erlauben, dann durften sie wieder gehen. Aber da war die Zeremonie schon vorbei.

Die Fifa sieht sich nicht weiter in der Verantwortung

Auch vor Gericht haben es Jasafejew und seine Mitstreiter noch versucht. Weil es keine richtige Ausschreibung gegeben hatte. Und weil das Gelände erst kurz vor Baubeginn so umgewandelt worden war, dass es überhaupt versiegelt werden durfte. Auch da hatten sie keine Chance.

So ist die Geschichte ein Lehrbeispiel für das, wie die Mächtigen einer Stadt vorgehen, wenn ein großes Fußballturnier ansteht. Die Regierungen Kasans und Tatarstand sind der Meinung, dass alles richtig gemacht worden sei. Die Fifa schrieb den Aktivisten, dass sie Bedenken bezüglich des Projektes mitbekommen und an die Politik weitergeleitet habe. Ansonsten sieht sie sich nicht weiter in der Verantwortung.

Kurz vorm Confed Cup wurde der Parkplatz fertiggestellt. Und die Pointe erlebten die Aktivisten beim ersten Spiel zwischen Mexiko und Portugal: Weil aufgrund der erhöhten Sicherheitsbedingungen viele Straßen in Stadionnähe abgesperrt waren, standen auf dem Parkplatz nahezu keine Fahrzeuge.

© SZ vom 28.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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