WM-Test gegen Bosnien:Wirbel mit Abstrichen

Lesezeit: 3 min

Nach schleppendem Beginn überzeugt die deutsche Nationalelf im letzten Test vor der WM und bezwingt Bosnien-Herzegowina 3:1. Vor allem die eingewechselten Cacau, Müller und Marin sammeln Pluspunkte.

Frankfurt (SZ) - Die Zeit lief herunter, alles war gut gegangen, und nun musste der deutsche Fußball-Bundestrainer Joachim Löw eine Sorge haben, die mit dem Ergebnis dieses letzten Testspiels vor der WM in Südafrika gegen Bosnien-Herzegowina gar nichts mehr zu tun hatte. Es stand 3:1 (0:1), es würde dabei bleiben. Aber das Spiel lief noch, und mit laufenden Spielen hat Löw in jüngster Zeit so seine Erfahrungen gemacht. Aber diesmal verletzte sich niemand mehr, und so konnte der Bundestrainer nach 90 abwechslungsreichen Minuten in Frankfurt zufrieden notieren, dass seine junge Mannschaft mit wenigen Abstrichen in einer Verfassung ist, die ihr ein paar ordentliche WM-Auftritte ermöglichen konnte. Löw lobte sein Team für dessen Moral nach dem frühen Rückstand und erklärte: "Wir haben eine gute Mannschaft, eine gute Stimmung. Wir können ein gutes Turnier spielen."

Fußball: Stimmen zum Bosnien-Spiel
:"Vielleicht kommen wir in eine Welle"

Bundestrainer Löw vermisst beim 3:1 gegen Bosnien die Feinabstimmung, Schweinsteiger hofft auf die Euphorie und Cacau macht Brasilianer stolz. Stimmen zum finalen WM-Test der Nationalelf.

Es ist eine philosophische Frage, ob man den Ernstfall überhaupt proben kann. Eine Probe zeichnet sich schließlich gerade dadurch aus, dass sie eben kein Ernstfall ist und deswegen nicht die gleiche Herausforderung bietet wie eine Partie, in der es wirklich um die Wurst geht. Insofern haben die Experten ausdauernd streiten können darüber, ob es sich bei diesem Spiel gegen Bosnien tatsächlich um einen aussagekräftigen Test handelte oder doch wieder nur um einen Zeitvertreib, der wenig Rückschlüsse zulässt auf die WM-Form der Mannschaft. Über dem Spiel konnte nicht jene Spannung und jene nervöse Erwartung liegen, die am 13.Juni beim WM-Auftakt der Deutschen gegen Australien die Konzentration der Spieler schärfen wird. Und das alte Theatergesetz, wonach einer verpatzten Generalprobe eine umso bessere Premiere folgt, halten Berufsoptimisten ohnehin immer für den Notfall parat.

Allerdings ist dieser Test so kurz vor der Abreise nach Südafrika am Sonntag tatsächlich ein bisschen wichtiger gewesen als die übrigen Freundschaftsvergleiche, mit denen der Deutsche Fußball-Bund regelmäßig wertvolle Fernsehzeit vernichtet. Schon allein wegen der vielen persönlichen Krisen, welche der Bundestrainer Joachim Löw aus der Bundesliga-Saison geerbt hat: Besonders die Offensivleute Miroslav Klose und Lukas Podolski konnten Taten gut gebrauchen, die ihr Selbstwertgefühl aufmöbelten nach mageren Zeiten im Verein. Der Stuttgarter Sami Khedira und der Münchner Bastian Schweinsteiger brauchten den Wettbewerb, um ihre Aufgabe als Doppelachse im defensiven Mittelfeld einzustudieren. Auch die Viererkette mit Per Mertesacker, Holger Badstuber, Philipp Lahm und Arne Friedrich hatte so noch nie zusammen gespielt. Die Männer suchten Sicherheit gegen einen Gegner, der für sein feines Spiel bekannt ist, und so irritierte zumindest die erste Hälfte des Spiels dann doch ein bisschen.

Einerseits konnte es Löw durchaus gefallen, wie sich sein Team anstellte, die bosnische Abwehr nach dem Rückstand schon vor der Pause immer wieder in Bedrängnis brachte und wie Podolski mit einem strammen Schuss die Latte erzittern ließ (9.). Andererseits wirkte die Mannschaft zu Beginn fahrig, ging allzu schlampig mit ihren Einschussgelegenheiten um. Und dann war da ja auch noch dieser Schönheitsfehler: jenes 0:1 nämlich, das der Wolfsburger Bundesliga-Torschützenkönig Edin Dzeko in der 15. Minute erzielt hatte. Die deutsche Abwehr wirkte dabei nicht sehr zupackend, und Kapitän Lahm assistierte, indem er Dzeko den Ball beim Klärungsversuch vor die Brust schoss und das Spielgerät von dort mehr ins Tor fiel, als dass es gezielt einschlug. "Unglücklich" nannte Lahm den Gegentreffer und tadelte eine "Aneinanderkettung von Fehlern", die er ausbaden musste.

Nach der Pause allerdings wirkte das Team plötzlich selbstsicherer, was möglicherweise auch mit den Wechseln zu tun hatte, die Löw vornahm: Cacau kam für den blassen Klose, Thomas Müller für den ebenso blassen Piotr Trochowski, und schon ging es vorwärts. Es wurde laut in Frankfurt: Cacau wähnte sich elfmeterwürdig gefoult, Müller mischte Bosniens Abwehrverbund auf, Özil traf die Latte, und Lahm nutzte die neue Bewegung im deutschen Sturm zu einem Alleingang, zu dem die Bosnier allerdings auch höflich Spalier standen. Sein Schuss prallte ebenfalls an die Latte, aber von dort hinter die Linie - 1:1 (50.).

Die Generalprobe nahm aus Sicht der Deutschen nun doch die Züge eines guten Spiels an, was jene wiederum beunruhigen musste, die in guten Generalproben ein schlechtes Omen für die bevorstehende Premiere sehen. Aber das Zusammenspiel zwischen Khedira und Schweinsteiger funktionierte, einer wie der junge Bayern-Verteidiger Badstuber hatte gute Szenen, die fremdelnden Klose und Trochowski waren schnell vergessen im Wirbel, den Cacau und Müller veranstalteten. Und dann stellten sich auch die weiteren Tore ein: Marko Marin, eingewechselt für Podolski, kurvte in den Strafraum und stürzte über Jahics Bein, Schweinsteiger verwandelte den Elfmeter - 2:1 (73.). Müller kurvte in den Strafraum und stürzte über Spahics Bein, Schweinsteiger verwandelte den Elfmeter - 3:1 (77.). Es gab noch ein paar Turbulenzen, weil Spahic dem quirligen Marin eine Sonderbehandlung (Tritt, Ohrfeige) zukommen ließ, die Schiedsrichter Rizzoli zu einem dritten Elfmeterpfiff und zu einer roten Karte hätte inspirieren können. Aber das war nicht mehr wichtig. Am Ende sahen die Deutschen doch aus wie eine starke Mannschaft.

© SZ vom 04.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

DFB - Bosnien
:Die neuen Chefs treffen

Badstuber überraschend in der Startelf, Abwehrprobleme mit Dzeko, ein kritisch blickender Bundestrainer. Dann kommt die Wende mit Lahms Traumschuss und zwei Elfmetern. Das 3:1 gegen Bosnien in Bildern.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: