WM-Spiel um Platz drei:Wertvoller als Gladiölchen

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Arjen Robben: Wenig Lust aufs kleine Finale (Foto: AP)

Die Spiele um Platz drei haben einen schlechten Ruf, obwohl sie oft höchst unterhaltsam sind. Nun klagen die Holländer vehement - zu Unrecht.

Ein Kommentar von Boris Herrmann

In der jüngsten Euphorie rund um die Ziffern 7 und 1 ist fast ein wenig untergegangen, dass Fußballdeutschland gerade einen schweren Rückschlag zu beklagen hat: Erstmals seit 2002 verpasst die DFB-Auswahl das Spiel um Platz drei. Bekanntlich schätzen die Deutschen dieses Sportereignis wie kaum eine andere Fußballnation. Nicht von Ungefähr haben sie ihm den romantischen Namen "Das kleine Finale" gegeben. Sie nahmen nicht nur regelmäßig daran teil, sie haben es auch am häufigsten gewonnen: 1934, 1970, 2006, 2010.

Diesmal muss Deutschland, der Rekord-WM-Dritte, aber tatenlos zuschauen, wenn Brasilien und die Niederlande am Samstag um den klitzekleinen Weltmeister-Titel spielen. Gewiss, die deutsche Trauer hält sich angesichts der Zugangsberechtigung zum großen Finale in Grenzen. Im Übrigen ist es noch nicht einmal sicher, ob das Spiel um Platz drei überhaupt stattfindet. Was man zuletzt von den Niederländern hörte, klang nicht so, als ob sie mitmachen wollten.

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"Der dritte Platz kann mir gestohlen bleiben", sagte Arjen Robben. Und sein Trainer Louis van Gaal sagt (nach eigenen Angaben) ja schon seit zehn Jahren: "Man sollte dieses Spiel abschaffen." Es widerspricht nämlich seinem Verständnis von Sport. Das Sportverständnis van Gaals ist ein komplexes Thema, das eine gesonderte Erörterung erforderte.

Trost nur für Brasilianer

Was das hier vorliegende Spiel um Platz drei betrifft, so spricht man im Niederländischen vom troostfinale. Aber Troost kann es wohl tatsächlich nur noch den Brasilianern spenden. Die glauben offenbar fest an Buße und Erlösung nach dem Sündenfall des Halbfinales. Louis van Gaal hat dagegen oft genug betont, dass es in seinem Welt- und Sportverständnis nur Gladiolen oder Tod gibt. Gladiölchen sind nicht so seine Sache.

Grundsätzlich lässt sich kaum bestreiten, dass diese kleinen Endspiele fast immer höchst unterhaltsam waren und durchaus schon für große Momente gesorgt haben. Das schnellste Tor der WM-Geschichte wurde beispielsweise im Spiel um Platz drei des Jahres 2002 erzielt, zehn Sekunden brauchte der Türke Hakan Sükür.

Den beliebtesten Oliver Kahn der WM-Geschichte gab es 2006 zu bestaunen, nachdem er zuvor artig den Mentaltrainer von Jens Lehmann gemimt hatte. Die Schweden wurden 1994 wie Weltmeister gefeiert, als sie als WM-Dritte aus den USA zurückkehrten - genau so erging es den Polen 1974 und 1982, den Kroaten 1998 sowie den Türken 2002. Wenn Robben und van Gaal nun aber trotzdem keine Lust haben, dann sind das aus Sicht van Gaals allemal zwei hinreichende Gründe, um dieses sinnlose Spiel endlich abzuschaffen.

© SZ vom 11.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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