WM 2006:DFB-Affäre: Acht Razzien, vier Beschuldigte

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Was geschah mit den Millionen, die vom Konto von Franz Beckenbauer nach Katar flossen? Diese Punkte interessieren die Schweizer Bundesanwaltschaft besonders.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, München

Es war ein länderübergreifender Großeinsatz. Mehr als 50 Beamte waren im Einsatz, als am Donnerstag die strafrechtlichen Ermittlungen rund um die einst als deutsches Sommermärchen gefeierte Fußball-WM 2006 die nächste Eskalationsstufe erreichten. An insgesamt acht Orten in Österreich und der Schweiz kam es auf Anordnung der Berner Bundesanwaltschaft (BA) zu Razzien. Deutsche Behörden waren in die Koordination eingebunden, in Deutschland kam es laut BA aber zu keinen Durchsuchungen.

Die Razzien betrafen auch die einst mächtigsten deutschen Fußballfunktionäre: Franz Beckenbauer und Fedor Radmann. Beckenbauers Anwälte teilten mit, ihr Mandant habe die Ermittlungen unterstützt und an der Durchsuchung konstruktiv mitgewirkt. Radmann war am Donnerstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

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Die Vergabe der WM 2006 hat nun doch juristische Folgen für die Mitglieder des Organisationskomitees. Schweizer Behörden gehen gegen Beckenbauer, Radmann, Niersbach und Horst R. Schmidt vor - ihnen wirft man unter anderem Geldwäsche vor.

Die jüngsten Razzien stehen im Kontext eines Verfahrens, das die BA schon seit 6. November 2015 führt, wie sie nun bestätigte. Insgesamt führen die Bundesanwälte bereits gut ein Dutzend eigenständiger Strafverfahren in diversen Fußball-Komplexen, darunter gegen Ex-Fifa-Präsident Sepp Blatter und Ex-Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke. Bei manchen dieser Verfahren, hieß es, gebe es "Überlappungen".

Warum flossen zehn Millionen Franken nach Katar?

Im Fokus der aktuellen Vorgänge steht jene berüchtigte Zahlung des DFB über 6,7 Millionen Euro im April 2005 an den Fußball-Weltverband Fifa, die laut Verwendungszweck als Beitrag für eine Gala des Fifa-Kulturprogrammes deklariert wurde, tatsächlich aber via Fifa an den früheren Adidas-Boss Robert Louis-Dreyfus floss. Die Ermittlungen richten sich gegen die damalige Spitze des WM-Organisationskomitees: OK-Chef Franz Beckenbauer, die Vize Horst R. Schmidt und Theo Zwanziger sowie Wolfgang Niersbach. Es geht unter anderem um den Verdacht auf Betrug, Geldwäsche und Veruntreuung.

Radmann ist in diesem Verfahren nicht Beschuldigter, weil er 2005 nicht mehr im OK saß - allerdings in einem anderen Verfahren des Fußballkomplexes, wie die BA bestätigte. Es fällt auf, dass die Schweizer die WM-Gala und die Zahlung von April 2005 im Fokus führen. Just dieser Sachverhalt schien in der bis heute mysteriösen Affäre ja eindeutig geklärt zu sein. Die windigen Geldbewegungen rund um die WM begannen laut Report der Kanzlei Freshfields, die im Herbst 2015 nach Ruchbarwerden der Affäre vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) eingesetzt wurde und im März 2016 einen Abschlussbericht präsentierte, im Frühjahr 2002.

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Zwischen dem 12. Mai und dem 8. Juli 2002 flossen demnach von einem gemeinsamen Konto Beckenbauers und seines damaligen Managers Robert Schwan in vier Tranchen sechs Millionen Franken auf ein Anwaltskonto in Sarnen in der Schweiz. Von dort ging das Geld weiter an die Firma Kemco in Katar, hinter der der frühere, in allerlei Affären verwickelte Fifa-Spitzenfunktionär Mohammed Bin Hammam stand. Im August 2002 überwies Louis-Dreyfus zehn Millionen Franken an die Kanzlei: sechs davon gingen an Beckenbauer zurück (Manager Schwan war verstorben), die restlichen vier auch an Bin Hammams Kemco. Angeblich gab es dafür einen Schuldschein von Beckenbauer.

Nicht geklärt wird im Report, was in Katar mit dem Geld geschah. Die Verantwortlichen des WM-OK um Chef Beckenbauer behaupteten, die zehn Millionen Franken seien die erforderliche Provision gewesen, um von der Fifa-Finanzkommission einen WM-Organisationszuschuss von 170 Millionen Euro zu erhalten. Nach Lage der Dinge gibt es nur zwei Erklärungsmodelle. Entweder diente das Geld dazu, im Nachhinein Fifa-Vorständler für ihr Votum bei der knappen Vergabe der WM 2006 nach Deutschland (12:11 im letzten Wahlgang gegen Südafrika) zu bezahlen. Oder die Zahlung ist im Kontext mit einer schwarzen Kasse für die im Mai 2002 erfolgte Wiederwahl des damaligen Fifa-Präsidenten Sepp Blatter zu sehen. Der Geldwäsche-Verdacht der Schweizer deutet nun darauf hin, dass sie auch wissen wollen, wo genau die Millionen landeten, die an die Baufirma in Katar überwiesen worden waren.

Im April 2005 jedenfalls wollte Louis-Dreyfus sein Geld zurück. Die deutschen WM-Verantwortlichen ersannen die Legende, 6,7 Millionen Euro (zehn Millionen Franken) als Beitrag zu einer WM-Gala an die Fifa zu überweisen. Konkret handelte es sich um eine von Künstler André Heller für angeblich 25 Millionen Euro Budget konzipierte Eröffnungsfeier, die Anfang 2006 abgesagt wurde: Angeblich, weil sie den Rasen im Berliner Olympiastadion so sehr beschädigt hätte, dass das Eröffnungsspiel dort gefährdet gewesen wäre.

Der DFB gilt als Geschädigter

Vielleicht dient den Schweizern der Vorgang als Einstiegsluke für weitere Aspekte der Affäre. In jedem Fall wollen sie nun ganz genau wissen, wie das mit der Gala damals ablief. Beckenbauer & Co. stünden im Verdacht, "dass der Betrag nicht wie angegeben der Mitfinanzierung der Galaveranstaltung diente, sondern der Tilgung einer Schuld, die nicht durch den DFB geschuldet war", heißt es aus Bern. Das beschuldigte Quartett könnte die übrigen Kollegen im damaligen WM-Präsidialausschuss durch "Vorspiegelung und Unterdrückung von Tatsachen arglistig irregeführt haben, um sie zu einem Verhalten zu bestimmen, welches den DFB am Vermögen schädigte". Der DFB gilt hier also als Geschädigter.

Zwanziger und Schmidt sagten, sie wüssten von nichts. Ähnlich äußerte sich Niersbach, der im November als DFB-Boss zurücktrat und jüngst wegen seines Verhaltens nach Aufkommen der Affäre 2015 durch die Fifa-Ethiker für ein Jahr gesperrt wurde.

© SZ vom 02.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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