WM 2010: Argentinien:Maradonas Luxus

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Messi, Tévez, Milito, Higuaín, Agüero: Argentinien hat das beste Offensivaufgebot der WM. Trainer Diego Maradona ist deshalb erstklassig gelaunt und hinterlässt ein paar kryptische Maradona-Sätze.

Peter Burghardt

Argentiniens Ersatzbank ist in jedem Fall eine Attraktion, das haben in dieser Form nur wenige WM-Teilnehmer zu bieten. Am Montag im Stadion Monumental von Buenos Aires saßen da neben dem Trainer Diego Maradona am Ende unter anderem Lionel Messi, Carlos Tévez, Diego Milito und Gonzalo Higuaín, vier der treffsichersten, umschwärmtesten und teuersten Stürmer der Welt.

Gut gelaunt: Diego Maradona beim 5:0 seiner Argentinier gegen Kanada. (Foto: afp)

Sie sahen dabei zu, wie die Kollegen den kinderleichten 5:0-Sieg gegen Kanada beendeten, im letzten Testspiel vor der Reise nach Südafrika. Tévez hatte das vierte Tor beigesteuert, Maradonas Schwiegersohn Sergio Agüero ließ das fünfte folgen. Milito, der Held von Inter Mailand und menschgewordene Albtraum des FC Bayern, erholte sich in einer Reihe mit Martín Demichelis, gegen den er noch am Samstag im Finale der Champions League gespielt hatte. Real Madrids Higuaín durfte nach 67 Minuten aufhören, Messi machte wegen Wehwehchen am rechten Bein gar nicht mit.

Es war nur ein protokollarischer Akt zum 200. Geburtstag der Nation, die sich 1810 von den Spaniern zu trennen begonnen hatte. 45000 Menschen pilgerten in die Arena der Weltmeisterschaft von 1978, wo die Auswahl die meisten ihrer mühevollen Qualifikationsspiele bestritt und Hausherr River Plate seine gewöhnlich erfolglosen Heimspiele veranstaltet.

Ungefähr jeder dritte Zuschauer trug das himmelblauweiß gestreifte Trikot, auch auf den Straßen ging es patriotisch zu. Die entscheidende Prüfung vor dem Turnier fand bereits vor einigen Wochen gegen Deutschland statt, damals gewann eine mäßig aufregende Elf durch Higuaíns Treffer 1:0 in München. Jetzt verabschiedete sich die Belegschaft von ihrem Publikum. Am Freitag geht es nach Pretoria, vom Rio de la Plata über den Südatlantik. Maradona glaubt, dass seine Albiceleste noch besser ist als die von 1986, die er mit der Nummer 10 zum Titel getrickst hatte.

Engpass in der Mitte

Die Kanadier sind dafür kein Maßstab. Zwischendurch fragten sich die Tribünengäste, warum ausgerechnet ein fußballerisches Entwicklungsland zur Jubiläumsfeier geladen worden war. Torwart Sergio Romero von Louis van Gaals vormaligem Klub AZ Alkmaar brauchte kein einziges Mal den Ball zu fangen, die Abwehrspieler wurden weniger geprüft als in jedem Trainingsspiel.

Außer Bayerns Demichelis blieb auch Inters Walter Samuel sitzen, der andere Manndecker, bloß der eher hölzerne Außenverteidiger Gabriel Heinze und der quirlige Kollege Jonás Gutiérrez nahmen an der Bewegungsübung teil. Man ahnte allenfalls, dass Maradonas Nachfolgern in der Mitte des Spielplatzes kreative Engpässe drohen könnten: Regisseur ist Juán Sebastián Verón aus La Plata, als Linksaußen trickst und trifft Ángel di Maria von Benfica Lissabon, und rechts schoss Maxi Rodríguez sogar zwei Tore.

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Veróns Ersatz heißt Javier Pastore und spielt in Palermo, den Abfangjäger gibt Kapitän Javier Mascherano vom FC Liverpool. Ansonsten hat Maradona da wenig Alternativen, Inters vielseitig verwendbaren Anführer Javier Zanetti lässt er überraschend daheim. Und wen stellt der gute Diego im Angriff auf?

Dort drängen sich europäische Torschützenkönige, ein sagenhafter Luxus. Nach aktuellem Stand stürmen Messi, Tévez und Higuaín, kürzlich geübt im Training. Milito wäre demnach Ersatz, was sich nach dessen Madrider Gala jedoch niemand mehr vorstellen kann. "Ich will eine großartige WM spielen", gab der Europapokalsieger im Heimatland bekannt, "ich fühle mich gereift und erlebe den besten Moment meiner Karriere."

Bis zuletzt hatte Maradona gezweifelt, ob er nicht lieber Ezequiel Lavezzi aus Neapel mitnehmen sollte - "Milito hat mir recht gegeben". Tévez wiederum rast wie aufgezogen über den Rasen. Ihn liebt Maradona, Tévez ist einer wie er, ihn lieben auch die Anhänger. Und sie verehren auch den ungelenken, aber zielsicheren Blonden Martin Palermo, der ihnen beim 1:0 gegen Peru die WM-Qualifikation gerettet hatte und als einziger den abgestürzten Verein Boca Juniors vertritt. Beide sind bei vielen Fans noch populärer als Lionel Messi, um den sich trotzdem alles dreht.

Beim Üben bekam er kürzlich einen Schlag aufs Knie, die Republik hielt kurz den Atem an, auch schmerzen die rechten Adduktoren ein wenig. "Mir geht's gut, mir geht's gut", beruhigte das Wunderkind.

"Ich kann mit ihm bei so einer Partie nichts riskieren", erläuterte Maradona. Er trägt einen grau durchsetzten Vollbart, seit ihm vor ein paar Wochen sein Hund ins Gesicht gebissen hat, er sieht gut aus. Diego Maradona war erstklassig gelaunt und hinterließ ein paar kryptische Maradona-Sätze: "Ich habe nie an der Mannschaft gezweifelt, auch in den hässlichsten Momenten wusste ich, dass wir eine solche Gegenwart haben würden." - "Es ist gut, so viele Spieler zu haben, weil dann niemand schlafen kann." - "Wenn ich mit diesen Leuten nicht angreife, dann wäre das eine Sünde." - "Ich probiere bis Pretoria."

Alles weitere wird man sehen, zunächst gegen Nigeria, Südkorea, Griechenland. Wie üblich kann mit Maradona und Messi alles Mögliche passieren.

© SZ vom 26.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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