WM 2010: Südafrika vor dem Aus:Das jähe Ende der großen Party

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Südafrikas 0:3 gegen Uruguay entsetzt die Fans des Gastgebers. Nur noch ein kleines Wunder kann Bafana Bafana im Turnier halten. Trainer und Spieler kommentieren das drohende Aus sehr unterschiedlich.

Thomas Hummel, Pretoria

Carlos Alberto Parreira schien in Gedanken bereits weit weg zu sein. Mit jeder Frage hingen seine Augenwinkel noch ein wenig tiefer, seine Zunge fuhr hektisch zwischen den Lippen umher, mit dem rechten Zeigefinger bohrte er in seiner Wange. Parreira zog sich während der Pressekonferenz im Loftus-Versfeld-Stadion auf einen anderen Planeten zurück, die reale Welt war an diesem Abend einfach zu ungemütlich.

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Nur einmal flackerte die gewohnte Energie des 67-Jährigen auf, plötzlich redete er im gewohnten Tempo, reihte Satz an Satz. "Das war der schlechteste Schiedsrichter des Turniers. Wir sind sehr verärgert, er hat immer gegen mein Team entschieden. Und dann verließ er den Platz noch mit einem breiten Grinsen. Er hat es nicht verdient, hier zu sein." Bumm! Da blieb kein Raum für Versöhnung.

Die südafrikanische Mannschaft, der Gastgeber dieser WM, verließ am Mittwochabend das Turnier. Theoretisch gibt es zwar noch Hoffnung, egal, wie das andere Spiel der Gruppe A zwischen Frankreich und Mexiko am Donnerstagabend ausgeht. Doch nach dem 0:3 gegen Uruguay glaubte in Pretoria ernsthaft niemand mehr daran, dass die so euphorisch unterstützte Bafana Bafana noch den Weg ins Achtelfinale findet. Dafür saß der Schrecken über die Hilflosigkeit der Mannschaft während der 90 Minuten zu tief.

Ein allzu durchschaubarer Akt

Und so wirkte Trainer Parreiras Kritik an Schiedsrichter Massimo Busacca wie ein Scheingefecht, um das so unangenehme Rampenlicht von dem eigenen Versagen hin zu einem vermeintlich Schuldigen zu lenken. Doch bald schon sah er selbst ein, dass dies ein allzu durchschaubarer Akt war. Er ging dazu über, den Gegner zu preisen: "Uruguay hat sehr erfahrene Spieler. Sie können mit dem Ball umgehen und haben die Situation sehr gut kontrolliert." Eigenschaften eben, die seine Mannschaft nicht hat.

So wird der Traum von einer sportlich erfreulichen Heim-WM wohl ein Traum bleiben. Mit Parreira war Bafana Bafana zuletzt 13 Mal in Serie ungeschlagen geblieben, inklusive dem Eröffnungsspiel gegen Mexiko (1:1). Gegen Uruguay, so glaubte das ganze Land, würden die Jungs mit einem Sieg die Nation mit Glück und Stolz beseelen.

Immerhin fiel das Spiel auf den Youth Day, 34 Jahre nach dem Schüleraufstand von Soweto gegen die rassistische Apartheid-Politik. Und so versammelten sich die Menschen trotz bitterer Kälte im ganzen Land vor einem Braai, der südafrikanischen Variante des Grillfestes, bei dem nur Holz als Befeuerungsmaterial zum Einsatz kommen darf, und bereiteten sich auf das größte Fest vor, das Südafrika je gefeiert hat.

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Doch spätestens nach 24 Minuten war das Feuer in der südafrikanischen Mannschaft erloschen. Uruguays Diego Forlán durfte sich 25 Meter vor dem Tor seelenruhig den Ball zurechtlegen, sein Schuss fiel leicht abgefälscht genau unter die Torlatte zum 1:0 für den Gast. Damit hatten die Südafrikaner nicht gerechnet. "Die Dinge liefen fürchterlich schlecht für uns", klagte Mittelfeldmann Siphiwe Tshabalala nach dem Spiel.

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In der Folge war es fast tragisch anzusehen, dass sie überhaupt keine Antwort auf diesen Rückstand hatten. Und vielleicht wäre Trainer Parreira noch mehr in sich gekehrt, hätte er später die Frage beantworten müssen, ob er mit seinen Spielern vorher einmal die Möglichkeit eines frühen Rückstands besprochen hatte. Es schien, als gab es für diesen Fall schlicht keinen Plan.

Uruguay schob sich phasenweise minutenlang den Ball hin und her, die Südafrikaner sahen von der Ferne aus irritiert zu. Am Ende zeigte die Statistik drei Torschüsse der Gastgeber, doch keiner blieb irgendjemandem in Erinnerung. Ein frustrierender, chancenloser Abend hatte seinen quälenden Lauf genommen. Als dann Torwart Itumeleng Khune nach seinem Foul an Luis Suárez die rote Karte sah und Forlán den Elfmeter zum 2:0 verwandelte, begaben sich die zuvor so empathischen Fans im Stadion bereits zehn Minuten vor Schluss auf ihren traurigen Nachhauseweg. Das 0:3 von Álvaro Pereira in der Nachspielzeit bekamen viele schon gar nicht mehr mit.

"Wir müssen uns nicht schämen"

Im ganzen Land steckten die Menschen die Köpfe tief in den Kragen, um sich gegen die Kälte und gegen das schauerliche Gefühl zu schützen, dass die WM-Party um Bafana Bafana nun fast schon am Ende ist. Mittelfeldspieler Steven Pienaar sagte: "Es ist ein Desaster für uns und für die Nation, wenn wir in der Vorrunde ausscheiden." Südafrika wäre der erste WM-Gastgeber, dem dies widerfährt. Doch nur ein Fußballwunder wird das am kommenden Dienstag in Bloemfontein gegen Frankreich noch verhindern können.

Die Südafrikaner erklärten zwar pflichtbewusst, dass in diesem Spiel noch alles möglich sei. Doch sie wirkten so überzeugt wie ein Mann, der bereits bis zum Kehlkopf im Treibsand verschwunden ist und mitten in der Wüste darauf hofft, dass zufällig jemand vorbeikommt und ihn rauszieht.

Deshalb ging Trainer Parreira auch gleich zur Rechtfertigung über. "Es ist eine große Enttäuschung, wenn wir nicht die zweite Runde erreichen", sagte er. Aber in dieser Gruppe könne das passieren, es sei die schwerste bei dieser WM. Dann sendete er ein Signal an seine Spieler und die ganze bedrückte Nation: "Wir müssen uns nicht schämen."

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