An diesem Dienstag wird das letzte große Rätsel des Weltfußballs gelüftet, und es gibt wohl kaum jemanden, der dessen Enthüllung mit größerer Aufmerksamkeit folgen dürfte als ein 62-jähriger Geschenkartikelhersteller aus Lupsingen bei Basel in der Schweiz. Wenn das geheimniskrämerische Team aus Nordkorea gegen Brasilien zum ersten Mal seit 44 Jahren wieder ein WM-Spiel bestreitet, wird sich die einzige Wundertüte dieser Weltmeisterschaft öffnen und Karl Messerli hoffen, dass dieser eine echte Sensation entspringt. Denn vor zwei Jahren hat er sich die Transferrechte für die nordkoreanischen Spieler gesichert, und damit eine dieser seltsamen Geschichten geschrieben, wie es sie wohl nur beim Handel mit Fußballspielern gibt.
Ein bisschen Offenheit: Nordkoreas Jong Tae Se, geboren in Japan und dort bei Kawasaki Frontale aktiv, erfüllt Pressepflichten.
(Foto: afp)"Einfach nur Business machen"
Im Reich von Kim Jong-Il lässt Messerli bereits seit 15 Jahren Plüschtiere produzieren. Das Material dazu importiert er aus China, zusammengenäht wird in Pjöngjang; die Qualität ist gut, die Löhne sind verschwinden gering. "Da tut sich was, es gibt Kräfte, die einfach nur Business machen wollen", sagt er begeistert.
Und weil das im Fußball stets erst recht gilt, überzeugte der Geschäftsmann die Funktionäre des nordkoreanischen Fußballverbandes davon, den Export ihrer besten Spieler in Gang zu bringen. Dabei half es sehr, dass Messerli die Glaubwürdigkeit eines ehemaligen Fußballprofis mitbrachte. In den sechziger und siebziger Jahren spielte er als Mittelstürmer beim FC Basel und in St. Gallen, bei Grasshopper Zürich und in Luzern.
Außerdem sollte es nicht nur ums Business allein gehen: "Ich habe auf sie eingeredet, dass man sich im Fußball nur entwickelt, wenn man sich mit anderen misst." Kein Land ist so abgeriegelt wie Nordkorea, und bislang gilt das auch für den Fußball. "Die haben eine Topausbildung, aber sie betreiben Inzucht, wenn man so will", sagt Messerli. Stürmer Jong Tae Se, "Der rote Rooney", und An Yong Hak spielen nur deshalb in Japan, weil sie dort geboren und aufgewachsen sind. Außerdem steht noch Kapitän Hong Jong Jo beim russischen Erstligisten FK Rostow unter Vertrag.
Weil alle Fußballklubs ständig auf der Suche nach exotischen Schnäppchen sind, ist die Nachfrage nach den Spielern aus dem totalitären Staat sofort geweckt gewesen, als durchsickerte, dass die Nordkoreaner zumindest im Fußball ihre Austeritätspolitik aufgeben wollen. Schon die Vorbereitung auf die WM, als die Nordkoreaner ein Trainingslager in der Schweiz bezogen und einige Testländerspiele bestritten, hatte die ersten Schnäppchenjäger angelockt. "Seitdem werden die Spieler von den Scouts engmaschig beobachtet", sagt Messerli.
Auch ein Bundesligist und ein Klub aus der englischen Premier League gehören angeblich zu den Interessenten. Im Angebot sind die Spieler einer Mannschaft, die "naiv und unberechenbar" ist, wie Messerli behauptet. Vor allem sind es aber knallharte, gedrillte Kicker, die den Trainingsumfang bei Felix Magath nur mit einem Achselzucken quittieren würden. Daheim in Pjöngjang absolvieren sie an fünf Tagen in der Woche jeweils am Vor- und am Nachmittag Übungseinheiten von zwei Stunden Dauer.