WM 2010: Niederlande:Glückskinder und Flaumträger

Seit dem WM-Finale 1974 gilt Holland als der große Rivale des deutschen Fußballs. Nach den Auftritten in Südafrika kommt man nicht umhin, die Elf sympathisch zu finden. Eine Vorstellung der Elftal.

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Seit dem WM-Finale 1974 gilt Holland als der große Rivale des deutschen Fußballs. Nach den Auftritten in Südafrika kommt man nicht umhin, die Elf sympathisch zu finden. Eine Vorstellung der Elftal. Wesley Sneijder Glückskinder sind manchmal unerträglich. Nehmen wir nur Wesley Sneijder. Drei Titel hat er 2010 bereits gewonnen: mit Inter Mailand erst die italienische Meisterschaft und den nationalen Pokal, dann auch noch die Champions League, 2:0 im Finale gegen Bayern München. Das ist ziemlich viel für einen Fußballer, dazu gehört natürlich jede Menge Können, aber auch ein bisschen Glück. Irgendwie passt es zu Sneijder, dass er bei der WM einfach so weitermacht. Ausgerechnet ihm (Körpergröße 1,70 Meter) fiel im Viertelfinale gegen Brasilien der entscheidende Ball zum 2:1 auf den Kopf. Ein Kopfballtor! Durch Sneijder! Schon klar! Ein paar Minuten zuvor hatte er bereits die Flanke in den Strafraum geschickt, die Brasiliens Melo unglücklich zum 1:1 ins eigene Tor lenkte. Gut gelaufen, oder? Nicht gut genug - befand Sneijder: Er beschwerte sich, dass Melo den Ball nicht richtig berührt hätte und eigentlich ihm, dem Flankengeber, der Treffer zustünde. Die Fifa beratschlagte und sprach schließlich Sneijder nachträglich das Tor zu. Es läuft ja! Wie soll das weitergehen? Weltmeister Niederlande, durch ein Tor von Sneijder, vierter Titel der Saison? Das wäre dann wahrlich unerträglich. Oder auch einfach nur unfassbar gut.

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Robin van Persie Der Mittelstürmer, der eigentlich gar kein Mittelstürmer ist. Kommt beim FC Arsenal vom rechten Flügel, von wo aus er gerne nach innen zieht und mit dem starken linken Fuß auf die Kugel drischt. Doch diese Position ist bei den Niederlanden von Arjen Robben besetzt, also muss van Persie in die Mitte. Lange war nicht sicher, ob der 26-Jährige überhaupt in Südafrika antreten kann, im November streckte ihn bei einem Testspiel gegen Italien eine Grätsche von Innenverteidiger Chiellini nieder, wegen einer schweren Knöchelverletzung fiel van Persie monatelang aus. Nun sollte er bei der WM die Tore machen für die Elftal, doch bislang gelang ihm noch kein einziges. Wurde bislang in jedem WM-Spiel ausgewechselt, im Achtelfinale gegen die Slowakei zeigte er sich dabei wenig erfreut und eine niederländische Lippenleserin verriet, dass er Trainer van Marwijk zugeraunt habe: "Nimm doch den Snijder raus."

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Arjen Robben Dass man diese Elf aus Holland dermaßen sympathisch findet, liegt zu einem großen Teil am Dribbler des FC Bayern. Arjen Robben war laut Uli Hoeneß ein Risikotransfer, galt der 26-Jährige doch als extrem verletzungsanfällig. In der vergangenen Saison schoss er für den FC Bayern 16 Tore in der Bundesliga, drei im DFB-Pokal und vier in der Champions League - und bewarb sich ganz nebenbei mit ungefähr zehn Treffern für das "Tor des Jahres". Hin und wieder verhält sich Robben wie ein Kleinkind im Sandkasten - vor allem dann, wenn seine Trainer seine Spielzeit verkürzen wollen. Benimmt sich dann wie Robin van Persie. Machte sich bei dieser WM noch beliebter, als er auf die Frage nach dem Rivalen sagte: "Es ist nicht unser Ziel, vor Deutschland zu landen. Es ist unser Ziel, Weltmeister zu werden." Der Schlingel wusste zwar, dass die eine Sache die andere bedingt, dass es sich so aber viel schöner anhört.

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Dirk Kuyt Überraschend gesetzt ist bei van Marwijk der Liverpooler Offensivmann Dirk Kuyt, den viele Experten vor der WM als Streichkandidaten gesehen hatten. "Dirk arbeitet viel nach hinten uns ist damit extrem wichtig für das Team", lobte der Bondscoach seinen Lieblingsspieler. Der 29-Jährige dankt es bisher mit starken Leistungen, bereitete gegen die Slowakei unter anderem das entscheidende zweite Tor mustergültig vor. Für das bevorstehende Halbfinale hat der Stürmer eine klare Parole ausgegeben: "Die Partie jetzt gegen Uruguay werden wir so spielen, als wäre sie die letzte Partie unseres Lebens."

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Mark van Bommel Mark van Bommel gibt sein Bestes, um seinen Schwiegervater Bert van Marwijk nicht zu enttäuschen. Der Mittelfeldspieler, der seit 2009 die Kapitänsbinde des FC Bayern München trägt, übernimmt auch im Nationalkader eine Führungsrolle. Van Bommel steht für schnörkellosen Ergebnisfußball, der 33-Jährige ist niemand, der sich von den ästhetischen Erwartungen der Fans unter Druck setzen zu lassen. Auch wenn er sich in der Öffentlichkeit entspannt und ehrlich gibt, bleibt er auf dem Platz ein Stück weit der Rumpelfußabller, als der er sich einst einen Namen machte. Gemeinsam mit Nigel de Jong sorgt van Bommel im Mittelfeld dafür, dass der Offensive vorne Raum zum Zaubern bleibt - wie zuletzt im Achtelfinale gegen Brasilien. Für den aggressive leader, dem Louis van Gaal beim FC Bayern zum Comeback verhalf, ist es erst der zweite Auftritt in Orange. Nach der EM 2006 erklärte er seinen Rücktritt aus der Elftal - die Chemie zwischen ihm und dem damaligen Nationaltrainer Marco van Basten habe nicht gestimmt. Für van Marwijk dagegen ist van Bommel sein "verlängerter Arm" auf dem Spielfeld. Als solcher weiß van Bommel auch die Mannschaftsleistung hervorzuheben: "Das ist die beste Oranje-Mannschaft, in der ich je gespielt habe", sagt er über seine Mannschaftskollegen.

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Demy de Zeeuw Durch die Gelbsperre von Nigel de Jong rückt der 27-Jährige von Ajax Amsterdam in die Zentrale neben Mark van Bommel. Hat eine niederländische Bilderbuch-Karriere hinter sich mit den Stationen Apeldoorn, Go Ahead Eagles Deventer, Alkmaar, Ajax. Führungsspieler unter Louis van Gaal, als der Provinzklub Alkmaar im Jahr 2009 Meister wurde. Soll außerdem ein seherisches Talent besitzen. Vor dem Spiel gegen Brasilien soll er den Kollegen vor der Partie gesteckt haben, dass ein gewisser Felipe Melo die Neigung zur Überreaktion in sich trage, das wisse er aus einem Spiel gegen Juventus Turin. Melo verursachte dann das 1:1 der Niederlande mit und wurde später wegen eines Tritts gegen Robben vom Platz gestellt.

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Khalid Boulahrouz Khalid Boulahrouz wird für immer den Verdacht mit sich herumtragen, 2006 seinen Wechsel vom Hamburger SV zum FC Chelsea provoziert zu haben. Beim Champions-League-Qualifikationsspiel gegen Osasuna meldete er sich beim Aufwärmen verletzt, ein Einsatz in diesem Spiel hätte verhindert, dass er später für Chelsea international hätte antreten dürfen. Kurz darauf ging das Geschäft über die Bühne. Inzwischen ist er längst wieder in der Bundesliga, beim VfB Stuttgart. Und muss dort häufig rechts verteidigen, wie nun bei den Niederlanden, weil Gregory van der Wiel gesperrt ist. Zeigte in Stuttgart auf dieser Position eine große Bandbreite an Leistungsmöglichkeiten. Verteidigte zum Beispiel in München gegen Franck Ribéry hervorragend und trug zum 2:1-Sieg bei, in anderen Partien dann wieder orientierungsloser Schwachpunkt der Abwehr. Letzteres auch bei seinem bisherigen WM-Einsatz gegen Kamerun.

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Joris Mathijsen Der Innenverteidiger des Hamburger SV fehlte beim Viertelfinale gegen Brasilien wegen einer Knieverletzung und wurde vom bald 36-jährigen André Ooijer ersetzt. Trotz der guten Leistung von Ooijer kehrt Mathijsen in die Mannschaft zurück. Gilt als bester zentraler Verteidiger des Landes, was für das Land aber ein kleines Problem darstellt. Denn der 30-Jährige spielt in Hamburg zwar einen passablen und immer soliden Part, doch vom höchsten Niveau trennen ihn mangelnde Schnelligkeit und mitunter nicht ganz optimales Zweikampfverhalten.

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John Heitinga Mit 51 Einsätzen in der niederländischen Nationalmannschaft steht der Rechtsverteidiger als einer der erfahreneren Spieler im erweiterten Kader von Bondscoach Bert van Marwijk. Dabei profitiert Heitinga an der Seite von Joris Mathijsen vor allem von der Formkrise, die André Ooijer trotz eines ordentlichen Auftritts im Viertelfinale derzeit durchmacht. Zusammen mit Rafael van der Vaart, Khalid Boulahrouz, Nigel de Jong und Wesley Sneijder wollte der 26-Jährige nach dem Motto "Wer rasiert, der verliert" durchs Turnier marschieren. Aktuelle Bilder beweisen jedoch, dass einige seiner Teamkollegen dieses Vorhaben schon wieder aufgegeben haben. Ein schlechtes Omen?

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Giovanni van Bronckhorst Oranjes Kapitän hat seine besten Tage als Fußballer längst hinter sich. An der Seite von Fußballveteranen wie Bergkamp, Numan, Jonk und den de Boers hat der gebürtige Rotterdamer molukkisch-indonesischer Abstammung vor vierzehn Jahren sein erstes Länderspiel für die Niederlande bestritten. Das Karriereende des 35-Jährigen galt eigentlich als besiegelt. Stattdessen übernahm der Linksverteidiger im Jahr 2008 von van der Sar die Kapitänsbinde. In Südafrika wird der letzte Tag des niederländischen WM-Auftritts gleichzeitig auch der letzte Tag seiner Laufbahn sein. Doch van Bronckhorst ist voller Zuversicht und tippte in einem Fragebogen auf der Verbandshomepage auf ein Finale Niederlande gegen Deutschland, das die Elftal dann für sich entscheidet.

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Maarten Stekelenburg Die Torwartposition galt als Problemstelle im niederländischen Team. Nachdem der ewige Edwin van der Sar nach der EM 2008 und 130 Länderspielen seine Karriere in der Elftal beendete, fand sich zunächst kein Nachfolger, dem Trainer van Marwijk vertraute. Immer wieder kamen Gerüchte auf, van der Sar solle zu einer Rückkehr für die WM überredet werden. Der 27-jährige Stekelenburg hatte im Jahr 2008 sogar Schwierigkeiten, bei Ajax Amsterdam das Tor hüten zu dürfen, der damalige Trainer Marco van Basten setzte ihn häufig auf die Bank. Erst mit Martin Jol als Trainer in Amsterdam erhielt seine Karriere neuen Auftrieb, seit der vergangenen Saison hütet er das Ajax-Tor und bald auch das der Nationalmannschaft. Bei dieser WM stellte sich nun heraus, dass Stekelenburg einer der besten Torhüter des Turniers ist, bislang fehlerfrei und vor allem gegen Brasilien ein großer Rückhalt.

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Rafael van der Vaart Es ist eng in Hollands Offensive und niemand hat das bei der Weltmeisterschaft so zu spüren bekommen wie Rafael van der Vart von Real Madrid. Mit fünf Weltklassekollegen muss er um vier Angreifer-Positionen in Bert van Marwijks Startelf kämpfen: mit Arjen Robben, Wesley Sneijder, Dirk Kuyt und Robin van Persie. Erst dreimal stand der stets gutgelaunte und allseits beliebte Mittelfeldspieler in der Startelf - dreimal wurde er ausgewechselt. Die Frohnatur van der Vaart, der gemeinsam mit seiner illustren Frau Sylvie ob seines schillernden Lebensstils schon mal als neue Familie Beckham im Gespräch ist, scheint vom Pech verfolgt: Eine Wadenzerrung schwächte seine Position im Kader zusätzlich zur Konkurrenz der hochkarätigen Mannschaftskollegen. Für den torgefährlichen Regisseur, der eben erst eine enttäuschende Saison bei Real Madrid hinter sich brachte - in deren Verlauf er sogar seine Nummer 23 abgeben musste - droht nun auch die WM zum Misserfolg zu werden: Denn dass sein Name im Abspann der Elftal-Vorstellungen fehlt, bleibt auch bei Real Madrid nicht unbemerkt. Sein Klub, zu dem der Hackenkünstler zuletzt ohnehin ein problematisches Verhältnis pflegte, will van der Vaart angeblich gemeinsam mit Fernando Gago beim FC Liverpool gegen Steven Gerrard eintauschen.

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Bert van Marwijk Hollands "Berti" spielte nie für einen der ganz großen Klubs der Niederlande. Als Trainer führte der Schwiegervater von Bayerns Mark van Bommel Feyenoord Rotterdam immerhin zum Uefa-Cup-Sieg gegen Dortmund. Als Borussia-Trainer kam er dann aber auf keinen grünen Zweig. Seit der 58-Jährige 2008 die Auswahl von seinem glücklosen Vorgänger Marco van Basten übernommen hat, machte das mit Stars gespickte Team eine erstaunliche Entwicklung. Die bisherige Jahresbilanz 2010: Neun Siege in neun Spielen. Früher als glücklose Ballzauberer verspottet, zeigen die Niederländer Tugenden, die einen Weltmeister ausmachen: spielstark, widerstandsfähig, gut organisiert und mit festem Glauben in die eigene Stärke. Sein Oranje-Engagement hat van Marwijk übrigens schon vor dem Turnier bis zur EM 2012 verlängert.

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