WM 2010: Fans:"Stadion, Flugzeug, Stadion"

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38 Partien, unzählige Hot Dogs und eine wunderbare Vuvuzela: ein Gespräch mit Thulani Ngcobo, 29, dem Rekordbesucher dieser Weltmeisterschaft.

Fabian Heckenberger

SZ: Mister Ngcobo, niemand hat während der WM so viele Spiele live im Stadion gesehen wie Sie. Haben Sie jetzt erst mal genug von Fußball?

Fans der Bafana Bafana beim Eröffnungsspiel zwischen Südafrika und Mexiko. (Foto: rtr)

Ngcobo: Am Montag habe ich Urlaub, und da werde ich kein Spiel anschauen. Mein Chef war so nett, mir einen Tag länger frei zu geben. Der ist auch nötig.

SZ: Sie sind vier Wochen lang etwa 17000 Kilometer kreuz und quer durch Südafrika gereist und haben 38 Spiele besucht. Wie kommt man denn auf so eine Idee?

Ngcobo: Ich habe mich bei einem Fußballquiz mit dem Namen Last Fan Standing beworben, ausgeschrieben von einem Telefonunternehmen. Man musste 40 Fragen zur WM-Geschichte beantworten, etwa, wie viele Titel Deutschland schon gewonnen hat. Ich war der Beste und habe freien Eintritt zu 38 WM-Spielen gewonnen. Da habe ich mir gesagt: Ich mach sie alle 38. Die Firma, die das Quiz veranstaltet hat, hielt das für eine gute Idee. Die wollten damit Werbung machen und haben die Reisen organisiert. Mir war das Recht.

SZ: Wie viele Stadionwürste haben Sie gegessen?

Ngcobo: Stadionwürste? Hier gibt es nur Hot Dogs, immer nur Hot Dogs. Nichts anderes. Ich mag ja am liebsten gegrilltes Rindfleisch, aber Grills gab es nicht in den Stadien, dabei grillt jeder Südafrikaner gerne. Die ersten zehn Tage habe ich mich von Hot Dogs ernährt, danach habe ich nur noch im Hotel gegessen, zur Not Chips und Salzstangen. Während eines Fußballspiels esse ich sowieso nicht, da bin ich konzentriert.

SZ: Sie sind eingefleischter Fan?

Ngcobo: Klar, ich spiele selbst in der Firmenmannschaft der Landvermessungsbehörde in Pretoria, da arbeite ich. Mein Verein sind die Kaizer Chiefs aus Johannesburg. Denen reise ich während der Saison durch das ganze Land hinterher. Aber so zügig wie jetzt war ich noch nie unterwegs. Zweimal bin ich sogar mit dem Helikopter geflogen.

SZ: Wie Franz Beckenbauer bei der WM vor vier Jahren.

Ngcobo: Genau, aber man hat mir gesagt, dass Beckenbauer von einigen Spielen nur eine Halbzeit gesehen hat und dann weitergeflogen ist. Ich habe 38 Spiele komplett gesehen. Na ja, manchmal kam ich ein paar Minuten zu spät. Um genau zu sein waren es 31 Partien vom Anpfiff bis zum Schluss. Das ist jetzt offizieller Rekord im Guinnessbuch. Manchmal habe ich zwei Spiele an einem Tag gesehen. Niederlande gegen Dänemark in Johannesburg, ins Taxi, in den Flieger, ins Taxi und ins Stadion zu Italien gegen Paraguay in Kapstadt.

SZ: Was war das beste Spiel?

Ngcobo: Argentinien gegen Mexiko, 3:1, 84.000 Menschen in Soccer City von Johannesburg. Da war auf dem Platz guter Fußball und auf den Tribünen tolle Stimmung. Die Atmosphäre hat sich immer weiter hochgeschaukelt. Das mag ich ganz besonders, wenn sich in einem Stadion, diesem Schmelztiegel, die Geräusche, die Handlungen, die Gefühle von Fans und Spielern vermischen, wenn das Spiel einen Rhythmus bekommt. Vor allem von den mexikanischen Fans war ich da beeindruckt.

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SZ: Warum?

Ngcobo: "Wenn man die Vuvuzela so liebevoll und schön spielt wie ich, dann klingt das toll." (Foto: afp)

Ngcobo: Die haben ihre Mannschaft auch noch gefeiert, als sie verloren hatte. Sie waren in der Unterzahl, aber fünf Mexikaner brüllen so laut wie 100 normale Menschen.

SZ: Lauter als die Vuvuzelas?

Ngcobo: Die hatten ja selbst Vuvuzelas, und sie haben sie sehr gut gespielt. Zu den Vuvuzelas möchte ich aber gerne mal was sagen.

SZ: Bitte.

Ngcobo: Ich habe gelesen, dass sich manche Leute in Europa über die Vuvuzelas geärgert haben. Aber ich kann Euch sagen, wenn man die Vuvuzela so liebevoll und schön spielt wie ich, dann klingt das toll. Die Leute kamen und sagten: Spiel lauter! 99 Prozent der Fans lieben sie. Ihr müsst Euch an den Klang gewöhnen. Von der WM bringt jeder so ein Ding mit nach Hause, und nächste Saison hören wir die auch in der Champions League und in den nationalen Ligen.

SZ: Und das schlechteste Spiel?

Ngcobo: Natürlich der Betrug an Ghana mit dem Handspiel des Uruguayers in der letzten Minute. Hey Junge, das ist ein Worldcup, es schauen Millionen zu. Ich finde, da macht man so etwas nicht. Am langweiligsten war Paraguay gegen Japan, 0:0 nach 120 Minuten. Die Mannschaften haben gespielt, als stünden sie zum ersten Mal zusammen auf dem Platz.

SZ: Da nickt man schon mal kurz weg bei all dem Reisestress.

Ngcobo: Nicht im Stadion, niemals. Wenn ich da rein komme, dann spüre ich immer Energie, ich sitze dann auch nicht, sondern springe während der ganzen Spielzeit herum. Geschlafen habe ich im Flugzeug.

SZ: Sie haben einen Monat lang Eindrücke aus dem ganzen Land sammeln können. Hat sich Südafrika verändert in den vergangenen vier Wochen?

Ngcobo: Man kann ja nicht erwarten, dass sich ein ganzes Land mit seiner komplizierten Geschichte nur wegen eines Fußballturniers verändert. Aber ich sehe positive Ansätze: Fußball ist ein Stückchen weniger nur noch ein Sport für Schwarze. Bafana Bafana hatte vor der WM kaum Fans, das hat sich vor und während des Turniers geändert. Ich war überrascht, wie viele Weiße in den Stadien waren, und wenn das ein Ansatzpunkt dafür ist, an der einheitlichen Regenbogengesellschaft zu arbeiten, die wir immer so betonen, dann ist schon etwas erreicht.

© SZ vom 12.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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