WM 2010: der deutsche Kader:Zeit für Löwologen

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Welches Duo streicht Joachim Löw aus dem Kader? Beim 3:0 gegen Ungarn tut der Bundestrainer alles, um eine Antwort auf diese Frage zu vermeiden. Und die Spieler unterstützen ihn dabei.

Johannes Aumüller

Als die Sowjetunion noch existierte und sich zu besonderen Anlässen die Mächtigen des Landes gemeinsam präsentierten, da schlug unter westlichen Politikbeobachtern stets die Stunde der Kremlologen. Welcher Parteifunktionär stand direkt neben Stalin? Wer schüttelte Chruschtschow als Erster die Hand? Und wer küsste Breschnew besonders lange? Weil aus dem Kreml ja nie etwas nach außen drang, musste anhand solcher Details gerätselt werden, wer in der Gunst des Machthabers gerade besonders weit oben oder besonders weit unten stand.

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Zwei Wochen vor dem Start der Fußball-Weltmeisterschaft und drei Tage vor der endgültigen Kader-Nominierung müssen alle Fußball-Interessierten in die Rolle der Politikbeobachter von damals schlüpfen. Mit 3:0 gewann die DFB-Elf den vorletzten WM-Test gegen Ungarn, doch aus diesem Spiel heraus die drängende Frage - Welches Duo streicht Joachim Löw am Dienstag aus dem vorläufigen 25-Mann-Kader? - zu beantworten, ist schon etwas für fortgeschrittene Löwologen.

Westermann als Linksverteidiger

Der Bundestrainer jedenfalls tat alles, um konkretere Hinweise zu vermeiden, was sich zum Beispiel in der Außenverteidigung beobachten lässt. Grundsätzlich gilt: Lahm ist für die Startelf gesetzt, Boateng zumindest für den Kader, Friedrich rechts eine Notlösung und Westermann links - und der Bundestrainer für seinen endgültigen Kader auf der Suche nach ein bis zwei weiteren Akteuren für diese Position.

Doch gegen Ungarn begann weder der Wackelkandidat Beck noch der Wackelkandidat Badstuber noch der Wackelkandidat Aogo noch der Wackelkandidat Jansen als Außenverteidiger. Sondern Westermann, der alles andere als Streichkandidat, in der Nationalelf aber eigentlich auch alles andere als ein Außen-, sondern ein Innenverteidiger ist.

Nun gut, konnte man denken, da wollte der Bundestrainer halt Westermann nochmal als Linksverteidiger testen und in der zweiten Hälfte vielleicht einen aus dem Wackelkandidaten-Trio bringen. Und was geschah? Jansen kam als linker Mittelfeldspieler, Aogo als Sechser, Badstuber auf seiner Lieblingsposition als Innenverteidiger und Beck gar nicht, Linksverteidiger blieb Westermann. Ziemlich wenig Erkenntnisgewinn, aber (mindestens) einen aus diesem Quartett trifft's.

Pluspunkte für Marin

In der Offensive sah es nur unwesentlich besser aus. In dieser Woche ist ja erstmals Mario Gomez in den Streichlistentipps aufgetaucht, doch nicht nur wegen seines Tores gegen Ungarn dürfte das eine unwahrscheinliche Spekulation sein. Der eingewechselte Marko Marin zeigte einige gute Szenen und sammelte Pluspunkte, aber das war vor der EM 2008 auch schon mal so gewesen; und Toni Kroos und Piotr Trochowski wollten offenbar alles tun, um den Bundestrainer in seinem Spannungsbogen-Ansatz zu unterstützen, und spielten souveränen Durchschnitt. Nicht herausragend genug, um zu sagen: Der muss auf jeden Fall mit! Und nicht schlecht genug, um zu sagen: Was will Löw denn mit dem?

Auch nach der Partie ließ sich Löw keine Tendenz entlocken. "Was die Streichung der Spieler angeht: Dazu gibt es natürlich viele Spekulationen. Wir werden uns am Sonntag und Montag mit dem Trainerstab zusammensetzen und am Dienstag den Kader bekannt geben. Natürlich wird es den betreffenden Spielern wehtun, aber es können leider nur 23 mitfahren." Die entscheidenden Eindrücke hat der Trainerstab offensichtlich schon vorher gesammelt.

Bald ist diese Interpretiererei zu Beck und Badstuber, zu Jansen und Trochowski also vorbei, doch die Löwologen müssen nicht traurig sein. Denn für die WM-Startelf sind erst acht Positionen vergeben (Neuer, Lahm, Mertesacker, Schweinsteiger, Khedira, Özil, Podolski, Klose), die anderen drei Plätze sind unglaublich umkämpft. Und weil sich Löw auch diesbezüglich nichts entlocken lässt, gibt es bis zum ersten WM-Spiel gegen Australien (13. Juni, 20.30 Uhr) genügend Gelegenheit zu Spekulationen und Diskussionen.

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