Rodel-Weltcup in Winterberg:50:50-Chance, heil durch den Eiskanal zu kommen

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Der Schlitten des Ukrainers Andriy Mandziy macht sich selbständig. Die Bahn in Winterberg ist für viele Piloten kaum zu beherrschen. (Foto: Mauelshagen/imago/Nordphoto)
  • Die Winterberger Eisbahn war nach dem Sturm und dem Starkregen der vergangenen Tage stark beschädigt.
  • Viele Rodler verweigerten deshalb nach mehreren Trainingsstürzen den Start - andere schmiedeten seltene Allianzen.

Von Thomas Gröbner

Am Ende hat es beim in Winterberg auch Sieger gegeben, aber das ist zur Randnotiz geworden. Wichtiger waren die, die nicht da waren - und die, die es gesund ins Ziel geschafft haben.

Denn schon am Freitag gab es einen Aufstand der Athleten, gegen den Willen der Funktionäre, die das Rennen starten lassen wollten. Der beste Deutsche, der dreimalige Olympiasieger Felix Loch? Verweigerte den Start. Weltmeister Roman Repilow? Trat nicht an. Die Mannschaften von Österreich und der USA sagten ab, dazu boykottierten alle deutschen Doppelsitzer das Rennen, ein beispielloser Vorgang im Rodelsport in der jüngeren Vergangenheit.

Man habe "mehr Flugphasen als Kontaktphasen zum Eis", sagte Johannes Ludwig aus Suhl, der trotzdem startete - und in Abwesenheit der Favoriten siegte. "Ich bin glücklich, dass ich an den Start gegangen bin, aber ich respektiere auch die Absagen", sagte Ludwig, 34, nach dem Rennen, in dem Teamkollege Sebastian Bley auf Platz drei fuhr und hin und wieder auch ein Schlitten ohne den Piloten ins Ziel schlitterte.

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Die Bahn in Winterberg präsentierte sich stark lädiert vom Sturm und Starkregen der vergangenen Tage, freiwillige Helfer und auch 16 Trainer standen zuvor in der Eisrinne und versuchten, die Bahn einigermaßen zu restaurieren, um ihre Fahrer zu schützen. "Man muss das kritisch hinterfragen", sagte Thomas Schwaab, Sportdirektor des deutschen Bob- und Schlittenverbands am Sonntag am Telefon. Man habe zu spät reagiert, "den Vorwurf müssen sich die Winterberger gefallen lassen". Schon im Training gab es Stürze und Tränen von verängstigten Pilotinnen, die am Start wieder umkehrten. Das Urteil von Stephan Pieper, Bahnchef in Winterberg, hörte sich vor dem Rennen so an: "Wir haben eine fahrbare und sichere Bahn." Und der italienische Trainer Kurt Brugger meinte gar: "Wir sind zu verwöhnt. Es wird immer ziemlich viel gejammert."

Und so wurde der Start in Winterberg auch zur Gewissensentscheidung, die seltene Allianzen schmiedete. Die Weltcup-Führenden Toni Eggert und Sascha Benecken hatten zusammen mit den Dauer-Rivalen Tobias Wendl und Tobias Arlt entschieden, hier in Winterberg nicht die Knochen hinzuhalten. "Wir wollen einen fairen Wettkampf", sagte Tobias Arlt. Auch die Winterberger Lokalmatadoren Robin Geueke/David Gamm verzichteten. Weltmeister-Doppel Sascha Benecken fragte in der ARD: "Sind wir bereit, das Vieh zu sein, das in die Manege getrieben wird?" Felix Loch schickte noch via Instagram hinterher: "Ich liebe meinen Sport und bin immer bereit, an meine Grenzen zu gehen, aber nicht darüber hinaus."

"Als Protest find ich das super"

Anders reagierten die Favoritinnen bei den Frauen: Die beste Deutsche, Julia Taubitz, hatte mit ihrer russischen Rivalin Tatjana Iwanowa entschieden, an den Start zu gehen. Trotzdem kritisierte sie: "Eine absolute Frechheit, was uns zugemutet wird." Für den Boykott hatte sie große Sympathien, auch wenn sie sich nicht anschließen wollte, um die Russin nicht kampflos davonziehen zu lassen. "Als Protest find ich das super, Hut ab vor den Sportlern, die nicht fahren." Auf einer verkürzten und langsameren Strecke fuhr sie auf Rang drei, "50:50", sei ihre Chance gewesen, heil durch den Eiskanal zu kommen. Am Ende stürzte bei den Frauen niemand, Taubitz steht nun mit 27 Punkten Rückstand im Gesamtklassement hinter Tatjana Iwanowa vor dem letzten Weltcup am Königsee.

"Wenn man sagt, es ist zu gefährlich, dann kann man das Rennen auch einfach mal absagen. Wir Sportler sind nicht wirklich erhört worden", sagte Taubitz nach dem Rennen.

© SZ vom 23.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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