Werder-Sportchef Thomas Eichin:"Böser Bube" gehört zur Familie

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Thomas Eichin schaut selbst bei der Verkündung einer frohen Botschaft, wie der Verpflichtung von Claudio Pizarro, wie ein James-Bond-Bösewicht. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Werder Bremens Sportchef Thomas Eichin und Trainer Viktor Skripnik sind nicht immer einer Meinung.
  • Die Reibungen sind auch für die Erfolge der Bremer verantwortlich. Dabei war der Sportchef lange nicht in der Werder-Familie akzeptiert.
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Von Jörg Marwedel, Bremen

In dieser Woche hat auch Viktor Skripnik mal wieder erfahren, wie unbequem Thomas Eichin sein kann. Der Trainer des SV Werder Bremen hatte nach den beiden Niederlagen gegen die Aufsteiger FC Ingolstadt und Darmstadt 98 gefordert, die Mannschaft müsse wieder mehr kämpfen. Der Geschäftsführer Eichin, also sein Chef, setzte dagegen, er habe besonders die spielerischen Lösungen vermisst; man müsse wieder mehr Fußball spielen. Eine typische Debatte für Werders Fußball-Boss; Diskussionen wie diese findet er "manchmal ganz zielführend". Er hofft jetzt, auf diese Weise gegen Bayer Leverkusen die dritte Niederlage nacheinander zu vermeiden.

Es hat gedauert, bis die Bremer den "Charme des bösen Buben", wie der Weser-Kurier mal über Eichin schrieb, akzeptiert haben. Die sogenannte Werder-Familie hat erst mal Probleme mit Menschen, die ihren Job so pragmatisch und unromantisch versehen wie der frühere Geschäftsführer des Eishockey-Klubs Kölner Haie.

Eichin wird spät in die Familie aufgenommen

Seit rund zweieinhalb Jahren bekleidet er nun den Posten der einstigen Werder- Ikone Klaus Allofs, doch die Verhandlungen um die Vertragsverlängerung des früheren Abwehrspielers von Borussia Mönchengladbach zogen sich den ganzen Sommer hin. Und erst nach Abschluss dieses Dialogs, in dem man sich darauf einigte, den Kontrakt bis 2018 auszudehnen, hat Aufsichtsratschef Marco Bode den Manager als "Teil der Familie" bezeichnet.

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Einer "neuen Patchwork-Familie", wie er anfügte, um die unterschiedliche Sozialisation der Familienmitglieder zu verdeutlichen. Bode hat dann auch Eichins Verdienste beschrieben: Der habe unter schwierigen Bedingungen gute Arbeit geleistet (er musste den Profi-Etat von mehr als 50 auf 32 Millionen Euro reduzieren) und die eine oder andere Krise gemanagt.

Er habe Feuer und treffe Entscheidungen. Der Erneuerer Eichin hat angeblich mit niemandem Mitleid in der Bundesliga, er sagt, sie sei ein "knallhartes Geschäft". Getreu diesem Motto hat er schon manchem auf den Fuß getreten. Nach drei Monaten im Amt hat er 2013 den ewigen Meister-Trainer Thomas Schaaf zum Rückzug getrieben, weil er sah, das es nach 14 Jahren einen Neuanfang braucht. Vom Nachwuchsleiter und Psychologen Uwe Harttgen hat er sich ebenfalls getrennt, es gab unterschiedliche Ansichten über die Begabten-Förderung. Als Tim Borowski vor zehn Tagen als Manager der U23 "aus persönlichen Gründen" zurücktrat, hieß es auch, Eichin habe ihn kaum einbezogen in die Entscheidungen darüber, ob und wie Talente zwischen Erst- und Drittligamannschaft hin- und hergeschoben wurden.

Machtbewusst genug ist Eichin jedenfalls. Allerdings fällt auch seine Transferbilanz bisher durchaus eindrucksvoll aus. Von mehr als 20 Verpflichtungen, die oft ohne Ablöse nach Bremen geholt wurden, fallen allenfalls 20 Prozent unter den branchenüblichen Begriff "Fehleinkäufe" - eine Quote, die Vorgänger Allofs nur in besten Zeiten hatte. Die teuersten Fehlgriffe waren Ludovik Obraniak und Cedrick Makiadi, die zusammen knapp sechs Millionen Euro Ablöse kosteten. Dafür gelangen Eichin mit Franco Di Santo, Jannik Vestergaard und zuletzt der Werder-Legende Claudio Pizarro mehrere Treffer, die ihm sogar bei denen viel Kredit brachten, die ihn skeptisch sehen.

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Auch die Vertragsverlängerung mit dem umworbenen Zlatko Junuzovic und der Verkauf des 20 Jahre alten Stürmers Davie Selke für acht Millionen Euro an RB Leipzig darf man als Plus verbuchen. Als Eichin Di Santo im August für nur sechs Millionen Euro nach Schalke ziehen lassen musste, weil der Argentinier 2013 auf eine Ausstiegsklausel bestanden hatte, waren die internen Quengler trotzdem sofort da. Eichin erklärte ihnen aber, man müsse auch in Zukunft mit Ausstiegsklauseln und Beteiligungen an Transfererlösen hantieren; sonst habe ein Klub wie Werder keine Chance beim Bieterwettbewerb. Die Rechnung des Pragmatikers ging bisher auf. Für Di Santo und Selke nahm man 14 Millionen ein, für nur neun Millionen kamen die veranlagten Stürmer Anthony Ujah und Aron Johannsson.

Lächerlicher Vertrag für den Werder-Sportchef

Wie sehr der Manager Eichin weiß, wohin er selber will, wurde auch deutlich, als er am Donnerstag erzählte, wie die ersten Verhandlungen Ende 2012 mit dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Willi Lemke abgelaufen seien. Diesen Vertrag habe man in siebeneinhalb Minuten gemacht. Es seien zwei, drei DIN-A4-Seiten gewesen, da hätte Werder "sonst was reinschreiben können". Er hätte alles unterschrieben, "weil ich es unbedingt machen wollte". Deshalb habe er einen "nicht marktgerechten" Vertrag unterschrieben, angeblich für ein Gehalt von 300 000 Euro, lächerlich in diesem Metier.

Nun musste er mit den aus Tradition sparsamen Bremern um eine Aufstockung verhandeln. Man traf sich angeblich bei 500 000 Euro. Dazu habe man auch um Bonuszahlungen und Abfindungsregelungen gefeilscht, berichtete die Kreiszeitung. Es sei, befand Bode, ein "gerechtes Unentschieden" herausgekommen. Und wenn das unbequeme Familienmitglied Thomas Eichin weiter so gut funktioniert, dann könnte man - unabhängig vom Leverkusen-Spiel - irgendwann mal wieder in Europa mitspielen. Dann nämlich, so Bode, "wenn wir es schaffen, alle Rädchen ineinander zu bringen und es ein perfektes Jahr wird".

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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