Nationalspieler von Werder Bremen:Stopp vom Gesundheitsamt

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Reiseverbot: Die Werder-Nationalspieler Milot Rashica (Kosovo, von links), Yuya Osako (Japan) und Marco Friedl (Österreich) sollen in der Länderspielpause in Bremen bleiben. (Foto: gumzmedia/nordphoto/imago)

Werder Bremen verweigert allen Nationalspielern, die in ein Corona-Risikogebiet reisen sollten, die Freigabe - und findet bereits Nachahmer.

Von Thomas Hürner, Bremen

Diesen improvisierten Luxus muss man sich erst mal leisten können. Von Lissabon nach Turin mit einem Privatflugzeug, rot lackierte Triebwerke mit dem Schriftzug "Ambulance". Ein medizinischer Notfall? Sah auf den ersten Blick so aus, im Flieger saß aber ein blendend aussehender, da symptomfreier Cristiano Ronaldo, der gerade noch in der Nations League gegen Frankreich gespielt hatte. Bei der Landung wartete schon ein Krankenwagen, mit dem der portugiesische Ausnahmekönner in sein Domizil auf den Hügeln Turins fuhr. Ihm sollte eine Quarantäne der etwas vornehmeren Art ermöglicht werden. Bezahlt wurde Ronaldos Sondereskorte angeblich von seinem Arbeitgeber Juventus, die örtliche Gesundheitsbehörde hatte sie bewilligt.

Drei Wochen ist das jetzt her, die Bilder hatten für Verblüffung, mancherorts aber auch für Empörung gesorgt: Muss man sich ja erst mal leisten können. Oder wollen, wenn parallel die Infektionszahlen wieder in die Höhe schnellen. Auf den klammen und eher unprätentiösen SV Werder Bremen dürfte beides eher nicht zutreffen, und von den Bestimmungen des örtlichen Gesundheitsamts macht der Verein jetzt ganz anders Gebrauch als der italienische Rekordmeister. In der kommenden Woche steht die nächste Runde in der bei den Fußballklubs allseits unbeliebten Nations League an, mitspielen wird wohl wieder Cristiano Ronaldo, was für die Organisatoren des eher biederen Wettbewerb eine durchaus gute Nachricht ist.

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An zahlreichen Bundesligastandorten dürfte aber mit weit größerem Interesse verfolgt worden sein, wer alles nicht zu den anstehenden Länderspielen reisen wird: der Kosovare Milot Rashica, der Serbe Milos Veljkovic, der Österreicher Marco Friedl, der Japaner Yuya Osako sowie der US-Amerikaner Josh Sargent. Die Spieler des SV Werder wären allesamt in ein ausländisches Corona-Risikogebiet gereist, und gemäß einer Verordnung des Bremer Gesundheitsamts hätten sie sich daher bei ihrer Rückkehr in eine fünftägige Quarantäne begeben müssen, auch bei einem negativen Testergebnis.

Die Zahl der Risikogebiete hat sich zuletzt erheblich erhöht

In Bremen tritt nun aber der seltene Fall ein, dass die Regularien des örtlichen Gesundheitsamts mit jenen des Weltfußballverbands Fifa harmonieren: Seit Oktober gilt, dass Klubs ihre Nationalspieler nicht abstellen müssen, wenn am Ort des Vereins oder am Ort des Länderspiels "eine zwingende Quarantäne oder Selbstisolation von mindestens fünf Tagen" einzuhalten ist oder "eine Reisebeschränkung" besteht. Der Bremer Torwart Jiri Pavlenka kann also zum tschechischen Nationalteam reisen, weil er die Landesgrenzen sowieso nicht verlassen muss - er spielt am kommenden Mittwoch in Leipzig gegen Deutschland.

"Keine leichte Entscheidung" sei das gewesen, sagte Bremens Sportchef Frank Baumann am Donnerstag auf der Pressekonferenz vor dem Freitagsduell mit dem 1. FC Köln: "Allerdings können wir das Risiko vor dem Hintergrund der Gesamtsituation dieses Mal nicht eingehen." Der SV Werder bleibt seiner bisherigen Linie eigentlich nur treu, schon in den vergangenen Wochen hatte man Spieler nicht in Risikogebiete reisen lassen. Nur: Die Zahl der Risikogebiete hat sich zuletzt erheblich erhöht. Baumann betonte, dass man mit den jeweiligen Nationalverbänden "gute Gespräche" geführt habe. Dieser Ansicht war auch Peter Schöttel, der Sportdirektor des Österreichischen Fußball-Bundes (ÖFB), in dessen Kader der Bremer Verteidiger Friedl hätte stoßen sollen. Schöttel sagte der SZ, dass er eine "gute Kooperationsbasis" vorgefunden habe.

Von so einem Gefühl haben Bundesliga-Funktionäre zuletzt eher nicht berichtet. Alexander Rosen zum Beispiel, der Sportchef der TSG Hoffenheim, war zutiefst verärgert, als sich in Andrej Kramaric, Pavel Kaderabek und Kasim Adams nach den letzten Länderspielreisen gleich drei Spieler in Quarantäne begeben mussten; Kramaric und Kaderabek hatten sich sogar infiziert und waren wochenlang ausgefallen.

Die Krux für alle Beteiligten ist, dass es im föderalen System der Bundesrepublik etliche Entscheidungsträger gibt - und regional daher oftmals unterschiedliche Pandemieregeln angewandt werden. Stattdessen scheint sich nun eine seltene, wenngleich natürlich auf eigene Zwecke abzielende Koalition in der Bundesliga herauszubilden. Auch beim VfB Stuttgart oder bei Hertha BSC würde man sofort nach dem Bremer Vorbild reagieren, wenn es das örtliche Gesundheitsamt zuließe, hieß es am Donnerstag. Und es dauerte nicht lange, da hatte der erste Bundesligist nachgezogen. Arminia Bielefeld hat vier Profis für die anstehenden Länderspiele nicht freigestellt, darunter der färingische Internationale Joan Simun Edmundsson. Dessen Nationalcoach Hakan Ericson erfuhr von der Abstellungsverweigerung von der SZ am Autotelefon: "Das ist bitter, er ist unser bester Spieler", sagte Ericson. Er könne "die Klubs aber auch verstehen". Kann ja nicht jeder einen Privatflieger chartern.

© SZ vom 06.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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