Werder Bremen:Die Not wird immer größer

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Traurig auf dem Rasen: Bremens Marco Friedl (Foto: dpa)
  • Werder Bremen verliert auch beim 1. FC Köln - das sechste von zuletzt sieben Spielen.
  • Während sich bei den Kölnern binnen einer Woche die Stimmung gedreht hat, wird die Not für die Bremer immer größer.
  • Der Verein will aber an Trainer Kohfeldt festhalten.

Von Milan Pavlovic, Köln

Wer hätte gedacht, dass der 1. FC Köln mal stolz sein würde, dem rheinischen Rivalen aus Düsseldorf nachzueifern? Vor exakt einem Jahr war die Fortuna innerhalb von einer Woche vom verlachten Tabellenletzten (mit nur neun Punkten) zum Mehrfachsieger aufgestiegen, der im gesicherten Mittelfeld der Liga überwinterte. In dieser Saison ist es Köln, das sich vorerst aus der größten Not befreit hat. Am 14. Spieltag, nach desolaten Leistungen, mit nur acht Punkten in den Keller der Liga durchgereicht, gelang den Kölnern nun innerhalb von einer Woche die Kehrtwende: Unerwarteten Erfolgen gegen international aktive Klubs aus Leverkusen (2:0) und Frankfurt (4:2) folgte der eminent wichtige 1:0 (1:0)-Sieg gegen den direkten Tabellenrivalen Werder Bremen.

"Vor einer Woche sah die Welt noch anders aus", gab Innenverteidiger Rafael Czichos zu bedenken, "aber wir haben an uns geglaubt, und wir haben uns belohnt." Er hatte seinen Anteil daran, indem er in der 38. Minute das entscheidende Tor mit einem langen Ball auf Dominick Drexler einleitete. "Wenn ich ihn vorne mit gekrümmtem Rücken sehe, weiß ich, was er will." Also schlug Czichos einen 45-Meter-Pass, den Drexler nach links abtropfen ließ, wo der unermüdlich rackernde Jhon Cordoba den Ball aus sechs Metern über die Linie bugsierte.

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"Der war schon sehr lange unterwegs", sagte Czichos zu seinem Pass, den Bremens Kapitän Moisander falsch berechnete, während dessen Teamkollege Veljkovic den Torschützen ziemlich allein ließ. Es verwunderte nicht, dass Czichos nach einer Kunstpause sagte: "Ich bin einfach froh, dass der Ball angekommen ist."

Kohfeldts Defensiv-Taktik geht nicht auf

Dann fügte er hinzu: "Im Fußball ist so vieles Kopfsache", und auch wenn das wie eine Phrase klingt, steckt darin eine unbestreitbare Wahrheit. Das kann man perfekt an Werder Bremen sehen, das vor kurzem noch höhere Ziele verfolgte - bis die Hanseaten begannen, in Serie zu verlieren. Das 0:1 in Köln war die sechste Niederlage in den vergangenen sieben Spielen, wenn es am Sonntag in den übrigen Spiel gegen Bremen läuft, verbringt der Traditionsverein die Winterpause auf einem Abstiegsplatz.

Die Partie in Köln sei "eine einmalige Ausnahme" gewesen, sagte Werder-Coach Florian Kohfeldt, weil er sein Team aufgrund der personellen Notlage und der "greifbaren Verunsicherung" extrem defensiv aufgestellt hatte - in der Hoffnung, Köln werde angesichts der jüngsten Erfolge "vielleicht zu mutig" sein. Doch den Gefallen taten ihm die Gastgeber nicht, die abwartend agierten, während sie mit großem Engagement und etlichen Grätschen das Publikum bei Laune hielten. Nach dem Wechsel "mussten wir den Anstrengungen dieser Woche Tribut zollen", räumte Trainer Markus Gisdol ein. Nun mauerte der FC und hoffte vergeblich auf Konter.

Angesichts diverser Verletzungspausen und Wechsel - Hector (27.) und Ehizibue (63.) auf Kölner Seite, Augustinsson (67.) bei den Bremern - nannte der FC-Coach die zweite Halbzeit "eine Materialschlacht". Sie verlangte extreme Flexibilität ("Wir konnten nicht so früh wechseln, wie wir wollten, weil viele platt waren"), stahlharte Nerven und jenes Glück, das den Kölnern im ersten Saisondrittel gefehlt hatte, bevor es sie zuletzt anlächelte.

Gegen Bremen entschieden nach der Pause in drei Kernszenen wenige Zentimeter über den Ausgang des Spiels: Zunächst ließ der sonst gut abgeschirmte Milot Rashica aus 17 Metern die Latte scheppern (82.), dann stand der eingewechselte Claudio Pizarro einen Fuß im Abseits, als der Ball im Kölner Tor landete (83.), und in der sechsminütigen Nachspielzeit parierte Timo Horn eine satte Volleyabnahme von Moisander (90.+3).

"Das war eine megaerfolgreiche Woche", bilanzierte Kölns Sportchef Horst Heldt erfreut, "das hat sich die Mannschaft verdient." Er war ihm herzlich egal, dass "Not gegen Elend" gespielt hatte, wie der Bremer Einwechselspieler Fin Bartels befand. Markus Gisdol bemühte sich derweil, vor Übermut zu warnen, erste Fotomontagen im Internet hatten ihn in dieser Woche schon als Triumphator mit Meisterschale und Pokal gezeigt: "Wir wären nicht in Köln, wenn jetzt nicht wieder die Träume beginnen würden. Ich kann nur sagen: ruhig bleiben!" Der Trainer fand in Czichos einen Partner: "Wenn wir in der Rückrunde wieder 17 Punkte holen, wären das 34, und das wäre sehr knapp."

Was sollte Bremens Verantwortliche nach "einer der schlechtesten Hinrunden" sagen, wie Aufsichtsratschef Marco Bode die vergangenen Monate nannte? Geschäftsführer Frank Baumann kündigte zwei Wintertransfers an, ohne Namen zu nennen. Bode versuchte es mit stoischer Ruhe, Trainer-Diskussionen braucht Florian Kohfeldt nicht zu befürchten: "Das wird bei uns nicht passieren." Ja, "die Situation ist nicht besser geworden", sagte Bode. Aber Werder Bremen bleibt Werder Bremen: "Wir werden nichts Unvernünftiges tun. Wir sind gut aufgestellt und werden das zusammen angehen." Wichtig sei der Zusammenhalt: "Wir steigen alle zusammen ab, und wir bleiben alle zusammen drin."

Florian Kohfeldt klang weniger missverständlich, als er sagte: "Mit 14 Punkten kannst du keine Kampfansage machen, da ist man lieber leise. Aber ich bin überzeugt von der Mannschaft und von mir. Wir werden nicht absteigen. Wir werden das schaffen."

© SZ vom 22.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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