Volleyball:Der Meister steigt ab

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Marvin Polte, hier noch im Trikot des Erstligisten Herrsching, konnte den Grafingern nicht wirklich weiterhelfen. (Foto: Eibner/Imago)

Was für ein Absturz: Grafings Zweitliga-Volleyballer, die vor einem Jahr noch den Titel gewonnen hatten, sind nun Tabellenletzter und müssen in die dritte Liga - weil der Umbruch im Team und an der Seitenlinie viel zu groß war.

Von Sebastian Winter

Grafings Volleyballer können tatsächlich noch gewinnen, mit 3:0 fegten sie am Samstag den Tabellenvierten SV Schwaig vom Feld. Für den Zweitligisten aus dem östlich von München gelegenen Landkreis Ebersberg hat das in diesem Jahr hohen Nachrichtenwert. Denn es war erst der fünfte Sieg im 22. Saisonspiel für den TSV. Allein: Er hilft dem zuletzt so erfolgreichen Klub nicht mehr. Denn Grafing, das in der vergangenen Spielzeit Zweitliga-Meister geworden und nur wegen struktureller Defizite nicht in die erste Liga aufgestiegen war, ist Letzter - und kann den sportlichen Abstieg in die dritte Liga nicht mehr verhindern. Was für ein Absturz für den stolzen Verein.

Die Grafinger steckten eigentlich in ihren besten Jahren - 2018 waren sie erstmals Meister geworden. Wer nun nach den Gründen für den abrupten Niedergang sucht, findet sie vor allem im Komplett-Umbruch, den die Mannschaft im vergangenen Sommer zu bewältigen hatte. Aber das ist nicht der einzige Faktor. Jedenfalls hatte sich die komplette Stammformation aufgelöst, zentrale Figuren wie Zuspieler Fabian Wagner, Diagonalmann Julius Höfer, Angreifer Michael Zierhut oder Blocker Thomas Stretz hörten auf. Sie waren Teil einer eingeschworenen Mannschaft, die nur zweimal pro Woche zusammen trainierte, aber auch deshalb perfekt harmonierte, weil sie seit Jahren zusammenspielte - viele der Spieler waren bereits 2018 zusammen Meister geworden.

Der Schnitt nun war eigentlich folgerichtig, viele Grafinger Talente sollten in die Fußstapfen der alten Generation treten, angeführt vom alten Recken Benedikt Doranth, der Spieler, Teammanager und Koordinator in einem sein sollte. Weil auch Trainer Markus Zymmara berufsbedingt aufhörte, wurde auch auf dieser Position improvisiert - da kein hauptamtlicher Coach gefunden wurde beziehungsweise das Geld für diesen fehlte. Das Training übernahmen abwechselnd Marvin Polte, der frühere Spieler David Schirmer und Christian Krauß - punktuell unterstützt aus einem großen Pool an ehemaligen Spielern und sogar durch Manager Johannes Oswald.

"Dieses Jahr hat uns alles erwischt, was uns die letzten Jahre nicht erwischt hat."

So ging Grafing in diese Corona-Saison, als höchst improvisiertes Gebilde, mit maximal unerfahrenen Spielern - und mit einem Trainer-Kuddelmuddel, das alles versprach, nur eben keine Konstanz an der Seitenlinie. Und dann wurden die Grafinger ständig vom Virus gebeutelt, "in den letzten 21 Spielen haben wir 21 Mal mit verschiedenen Aufstellungen angefangen", sagt Manager Oswald, der frustriert zusammenfasst: "Dieses Jahr hat uns alles erwischt, was uns die letzten Jahre nicht erwischt hat. Und wir haben nie wirklich unseren Rhythmus gefunden."

Polte, der Cheftrainer, fuhr beruflich bedingt nicht zu den Auswärtsspielen mit, es gab im Trainerstab dann noch einen Todesfall in der Familie, ein Spieler leidet an Long Covid. All diese Dinge kamen zusammen - und das Gerüst an Führungsspielern war ja nicht mehr da. "Eine junge Mannschaft braucht Komfortzonen", sagt Oswald, "und in die sind wir nie reingekommen." Die Idee mit mehreren Trainern, die sich die Arbeit aufteilen, entpuppte sich dabei als vielleicht größter Fehlschlag. Allerdings müssen sich die Grafinger auch vorwerfen lassen, in den Erfolgsjahren viel zu lange mit der Integration junger Spieler ins Team gewartet zu haben.

Weiter abstürzen werden sie wohl trotzdem nicht. Das Grundgerüst für kommende Saison steht, es geht wohl in der dritten Liga weiter. Dringend gesucht für die Zukunft: ein hauptamtlicher Trainer.

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